Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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UlliB
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von UlliB »

Gerald hat geschrieben: Es könnte auch sein, dass je nach Nährstoffzusammensetzung im Boden die pH-Werte innerhalb der Pflanzenzellen schwanken und davon die Aktivität der einzelnen Enzyme abhängt.
Ich bin zwar kein Pflanzenphysiologe, aber wenn die Situation bei Säugetieren (und Menschen) auch nur annähernd auf Pflanzen übertragbar ist, kannst Du diese Erkärung knicken. Intrazelluläre pH-Werte werden extrem eng geregelt, da bereits minimale Abweichungen zu massiven Stoffwechselentgleisungen führen. Bei Menschen beträgt die Regelgüte beim Gesunden ±0,02 pH-Einheiten.
Oder dass überhaupt bestimmte Spurenelemente, die ja meist als Zentralatome der Enzyme bzw. Coenzyme notwendig sind, fehlen bzw. die Aufnahme behindert wird.
Eher denkbar, aber wahrscheinlich bestenfalls ein Teil der Erklärung. Ein Mangel an Spurenelementen dürfte auch weitergehende Folgen haben als eine Verschiebung des Aromenprofils. Siehe Dein Chlorose-Beispiel.

Aber wie schon gesagt: auf welche Weise Umweltfaktoren die Ausprägung des Aromenprofils beeinflussen, ist nicht klar. Dass sie es aber tun, ist evident.

Gruß
Ulli
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Gerald
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Gerald »

Intrazelluläre pH-Werte werden extrem eng geregelt, da bereits minimale Abweichungen zu massiven Stoffwechselentgleisungen führen.
Bei Bakterien ist das meines Wissens nicht der Fall, die pH-Werte innerhalb der Zelle können da je nach Substrat deutlich schwanken. Wie es bei Pflanzen ist, weiß ich allerdings auch nicht ...

Grüße,
Gerald
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Markus Vahlefeld
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Bitte weitermachen! Wirklich spannend! Ich höre gerne zu... 8-)
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Gerald
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Gerald »

Ja, schon richtig - ist vielleicht schon ein bisschen von der eigentlichen Frage entfernt.

Zurück zum Thema: gibt es überhaupt Weinberge, wo "richtige" Kräuter (sagen wir Thymian, Lavendel, Rosmarin etc.) zwischen den Reben gepflanzt werden? Es handelt sich da ja um mehrjährige Pflanzen, die doch die Arbeiten behindern würden, oder?

Die "Wildkräuter" wie die wilde Möhre hingegen haben ja meist kein besonders ausgeprägtes Aroma.

Grüße,
Gerald
wiesengenuss
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von wiesengenuss »

muss lachen, jetzt ist die Diskussion in die tiefste pflanzenphysiologische Wissenschaft eingestiegen :-)

Ich weiß nicht wie man hier Zitate reinhängt, aber UlliB schrieb: "Aber wie schon gesagt: auf welche Weise Umweltfaktoren die Ausprägung des Aromenprofils beeinflussen, ist nicht klar. Dass sie es aber tun, ist evident."

DASS sie es aber tun ist evident. !!

Ich komm jetzt nochmal mit einem Beispiel: Als ich vor gefühlten 100 Jahren anfing zu studieren, da war die Photosynthese und ihre einzelnen Systeme noch nicht aufgeklärt. Und da ich die Fosy jetzt wieder unterrichten musste, las ich neue Forschungsergebnisse dazu: Und siehe da - es ist immer noch nicht klar, was da in der Pflanze so abläuft. Physiologisch. Ich kommt jetzt mit diesem Beispiel, weil genau da scheitert die Wissenschaft oft, sie kann die Antworten nicht liefern. Vielleicht nie.

Auf der anderen Seite aber, gibt es die Erfahrungswerte der Verkoster, Weinfreaks, die Empirie - und die Wissenschaft hat bisher immer noch keine gescheiten Antworten darauf gefunden. Ein Beispiel, warum hat Susas Wein nach Oliven geschmeckt, obwohl sie gar nicht wusste, dass da Olivenbäume standen....

Euch allen ein sonniges Wochenende
ich werde mir jetzt einen kühlen Moselriesling gönnen,
der mineralisch (!) oder war das salzig (?) schmeckt

Ne im Ernst, es wird Zeit, einfach nur zu genießen

LG Kaya
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Gerald
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Gerald »

Ein Beispiel, warum hat Susas Wein nach Oliven geschmeckt, obwohl sie gar nicht wusste, dass da Olivenbäume standen....
gerade bei den Oliven nehme ich einmal, dass es Zufall ist (oder weil man gerade an Oliven denkt, obwohl eine ganz andere Geruchsassoziation vielleicht genauso gut passen würde, nur ist diese im Moment ganz weit unten in der olfaktorischen Gedächtnis-Wühlkiste ;) ).

Denn wer einmal eine frische Olive vom Baum gekostet hat, der wird sich wünschen, dass der Wein NICHT so schmeckt :D

Grüße,
Gerald
C9dP
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von C9dP »

Denn wer einmal eine frische Olive vom Baum gekostet hat, der wird sich wünschen, dass der Wein NICHT so schmeckt :D
Wie, die wachsen doch eingelegt am Baum, oder???? ;) Und dieser Geruch übertragt sich dann. Ist doch klar Gerald.

Mir wird in der ganzen Diskussion, so spannend und lehrreich ich sie finde, zu wenig auf den Einflussfaktor der Produktionsweise und Bedingungen geachtet. Die Einflüsse durch verschiedene Parameter der Weinherstellung dürften den Einflüssen durch Umweltgerüche in der Nähe der Reben deutlich überwiegen. Und in dieser Herstellung wird wahrscheinlich auch fast jeder Winzer den Wein so beeinflussen, dass er ihm schmeckt.
Viele Grüße

Aloys
lepetitgourmet
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von lepetitgourmet »

Erstmal vorweg etwas Hauptthemafremdes, aber es klingt bei Gerald immer wieder durch. Anthocyane sind an der Geruchsbildung beteiligt. Zum einen als Ester direkt und als solche auch als Nahrung für bestimmte Hefen, zum Anderen über die Änderung des Reifeverhaltens. Siehe dazu auch diesen Artikel:

http://www.laimburg.it/de/kellerwirtsch ... _id=184826

Im Übrigen denke ich bei Cassis tatsächlich an Cassis als Likör oder Sirup und nicht an weiße Johannisbeeren. Und das ist auch das, an was mich und nicht nur mich 4MMP in einer bestimmten Konzentration erinnert. Siehe auch hier:

http://itv.hevs.ch/fs/PublicationChiuz.pdf

Ich wundere mich, wieso "wissenschaftlich" argumentierende Menschen, im Falle eines nichtvorliegenden Beweises grundsätzlich von einer ebenfalls unbewiesenen Nichtexistenz ausgehen. Wenn susa Oliven riecht/schmeckt, ohne zu wissen, dass neben der Traube auch ein Olivenbaum wächst, dann ist es primär die Aufgabe der Wissenschaft herauszufinden, warum das so ist. Es ist aber ausdrücklich nicht die Aufgabe mit Pseudoargumenten (die Olive riecht am Baum gar nicht) eventuelle Kausalitäten von vornherein abzutun. Das Gleiche gilt für mögliche Übertragungswege von Terpenen oder Auslöser für die Produktion derselben. Wenn es nicht bewiesen ist, kann es trotzdem sein, so lange nicht das Gegenteil bewiesen wurde.

Also ihr (Bio-)Chemiker, macht Euch mal an die Arbeit und findet die Beweise, entweder als Publikationen Anderer oder durch eigene Versuche. Dann wird die Diskussion hier auch wieder ein bisschen angenehmer.

Max
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Gerald
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von Gerald »

Hallo Max,

zuerst danke für den Link. Leider kann ich darin keinen Hinweis darauf finden, dass Anthocyane (egal ob alleine, glycosidisch gebunden oder auch verestert) einen wahrnehmbaren Geruch haben. Nicht jeder Ester ist automatisch geruchsaktiv, prominentestes Beispiel sind vielleicht Fette und Öle. Oder habe ich die Stelle einfach überlesen?

Dass sie indirekt einen Einfluss auf die (oxidative) Reifung und damit auf das Aroma haben, ist schon klar. Das gilt aber genauso z.B. für Ascorbinsäure, die ich trotzdem als geruchlos bezeichnen würde ...
Ich wundere mich, wieso "wissenschaftlich" argumentierende Menschen, im Falle eines nichtvorliegenden Beweises grundsätzlich von einer ebenfalls unbewiesenen Nichtexistenz ausgehen.
na ja, es ging ja nicht darum, es mit absoluter Sicherheit auszuschließen, sondern nur dass es ziemlich unplausibel ist. So wie ja auch das Prinzip "similis similia curentur" der Homöopathie auf den ersten Blick denkbar scheint. Aber bevor man es tatsächlich empirisch oder sonst wie nachweisen kann, würde ich es nicht als Fakt akzeptieren. Und die Sache mit den Kräuteraromen oder den schwarzen Oliven ist genauso gestrickt - also wenn jemand behauptet, dass sich diese Aromen auch im Wein wiederfinden.

Grüße,
Gerald
lepetitgourmet
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Re: Kräuter im Weinberg im Wein erkennbar?

Beitrag von lepetitgourmet »

Hallo Gerald,

Essigsäure ist z.B. nicht geruchlos und Cumarsäure ist Nahrung für Brettanomyces. Damit sind schon mal zwei Ester aus Anthocyanen direkt am Aroma beteiligt. In welchem Umfang spielt bei der Frage, ob es sensorische Ähnlichkeiten zwischen roten/schwarzen Früchten und rotem Wein geben kann, m.E. keine Rolle.

Zur Plausibilität später... Muss los.

Gruß

Max
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