Biodynamischer Weinbau

Von der Weinbergspflege bis zur Kellertechnik
Rieslingmaster
Beiträge: 160
Registriert: Do 9. Dez 2010, 22:47
Wohnort: Kt. Aargau Schweiz

Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von Rieslingmaster »

Das Weingut Torsten Melsheimer in Reil (Mosel) ist seit 1995 ökologisch und ist jetzt Demeter zertifiziert, check out :

http://melsheimer-riesling.de/index.php ... tuelles#18

Mit >10 Hektar der grösste Demeter Betrieb an der Mosel und auch einer der grössten in ganz Deutschland überhaupt, was es heisst an der Mosel in Steillagen bei dem Krankheitsdruck Demeter zertifiziert zu sein wissen wohl die wenigsten, meine Hochachtung.
Benutzeravatar
Alas
Beiträge: 1022
Registriert: Mo 20. Feb 2012, 21:14
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Hinter dem Meer

Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von Alas »

Peter Jakob Kühn:
"Also, ich komme aus 'm streng Konventionelle, das ist auch ganz klar der Weg, den 'n normaler Winzer geht. Man is' auf die Berufsschule, man geht auf die Fachhochschule und man kriegt nichts anderes beigebracht, als das Konventionelle. Und dann, wenn man irgendwann bereit ist, quer zu denken, dann kommt man darauf, dass das Ökologische das ist, was man eigentlich als Landwirt oder als Winzer oder als naturverbundener Mensch erreichen muss, ja."
"Ich versuch' 's immer so zu erklären: Wenn der Boden mit Kunstdüngern angereichert wurd' in der Vergangenheit, dann ist das wie eine Zwangsernährung. Es regnet und der Kunstdünger wird sofort gelöst, und die Traube will trinken und muss aber diese Nährlösung aufnehmen. Und im Ökologischen geht’s drum, die Pflanzen zu stärken, das heißt, dass die nit mehr von diesen Mineraldüngern abhängig sind, sondern eine Verselbstständigung erfahren."

6a00d8341c018253ef019103431422970c-640wi.jpg
Rebwurzeln konventionell versus organisch, Georges Laval (Champagne)

"Es gibt 'ne ganze Menge Winzer, die sich mit dem Thema insgeheim aus'nander setzen und alles, wo ich so 'ne gewisse Nähe bekomme, wo ich merke, dass jemand so arbeiten möchte, dem kann ich nur immer wieder den Rücken stärken und kann sagen: Wenn ich gewusst hätt', wie gut diese Mittel wirken, dann hätt' ich das schon viel früher gemacht. Es geht viel leichter, als man eigentlich denkt. Und die Natur freut sich auf jeden kleinen Schritt, den man ihr zukommt."


Randolf Kauer:
"Dadurch wurden die Bioweine überhaupt e'mal existent für die Verbraucher, durch das deutsche Biolabel. Und auch die Kellereien und die Genossenschaften, die sich dann auf Bio umgestellt haben und auf die großen Mengen liefern konnten mit diesem Bio-Label, sind dann natürlich am Markt auch erkannt worden und hat’s von daher den Drive gegeben."
"Die andere Ecke kommt aus der Spitzenproduktion, wo man sagt, 'Okay wir haben alle Rädchen in der Verarbeitung der Trauben auf Optimum, eigentlich auch im Anbau, aber wir möchten gerne noch weiter machen, noch mehr Qualität'. Und dann fängt man am Boden an und denkt über seine Bodenbewirtschaftung nach und will die Rebe, sag' ich mal, aus den natürlichen Ressourcen des Bodens und der Bodenfruchtbarkeit ernähren und nicht aus dem mineralischen Düngersack. Das ist der Aspekt, der dahinten dran steht, um dem Wein noch mehr Individualität und Authentizität zu geben."

Steffen Christmann:

"Und da zählen dann Dinge dazu wie Teebehandlungen, mit Brennessel-Tee oder Ackerschachtelhalm-Tee – auch zum Beispiel nach 'nem Hagelschlag. Wir sind da nit irgendwie blauäugige Träumer, oder so was, sondern, alles, was wir machen, wollen wir probieren und wissen, ob es wirklich funktioniert. Wir haben nach Hagel schon zum Beispiel dann mit eine Hälfte von 'nm Weinberg mit Kamillentee behandelt und die andere nicht, und konnten feststellen, dass die Kamillentee-Parzelle drei, vier Tage früher wieder frisches Laub gebildet hat als die Parzelle, die nicht mit Kamillentee behandelt war. Also, so 'n Hagelschlag ist für 'n Rebstock ein echter Schock."
"Selbst wenn das ein oder andere vielleicht Käse ist, was wir da machen, hilft es uns trotzdem insgesamt, weil alles wie 'n Uhrwerk ist. Es greifen so viele Dinge ineinander, dass es auch schwierig dann ist zu unterscheiden, was jetzt was ausgelöst hat."

Textquelle: http://www.dw.de/biodynamischer-weinbau/a-15565001
Bildquelle: http://www.wineterroirs.com/2013/06/geo ... .html#more[/i]

Gruß

Alas

P.S.: http://www.lams-21.com/artc/1/en/
wat den een sien uhl is den annern sien nachtigall
Benutzeravatar
Markus Vahlefeld
Beiträge: 1689
Registriert: Do 4. Nov 2010, 10:43

Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Die Frage, welche Weingüter bio-dyn arbeiten, ist insofern schwierig zu beantworten, da es zwar mit demeter eine Klassifizierung gibt, die ich persönlich aber für Weingüter weder zwingend noch für ratsam erachte. Zum einen ist die Grundklassifizierung für Bio schon enervierend und teuer genug - die "Grünen" neigen nun mal dazu, alles komplett durchzuregulieren und polizeimäßig zu kontrollieren -, zum anderen sind die Anthros (und damit demeter) derart lust- und allkoholfeindlich, dass ich für ein Weingut keinen Sinn darin erkennen kann, in einer kostenintensiven Vereinigung Mitglied zu sein, die Alkohol und Wein per se ablehnt.

Weiterhin - und vllt. daraus resultierend - finde ich viele "Gesetze" bei demeter für den Weinbau nicht zwingend anwendbar. Es gibt eine durchaus anarchistische Komponente bei allem Anthroposophischem, die ich bei diesen "Staaten im Staat" nicht genügend gewährleistet finde. Und gerade bei Wein muss der individuelle Handlungsspielraum viel weiter gestaltet sein als bei den meisten anderen Formen der Landwirtschaft. Deswegen finde ich Vereinigungen zur Selbstverpflichtung wie die Renaissance des Appelations von Nicolas Joly sinnvoller als demeter. Die deutschen Mitglieder bei Joly sind:

Battenfeld-Spanier
Clemens Busch
Christmann
Eyman
Hahnmühle
Kühn
Rebholz
Sander
Wittmann

Bürklin-Wolf ist das sicher größte bio-dyn Weingut ohne mir bekannte Klassifizierung (fast 70ha)

Odinstal hat sich ebenfalls der Biodynamie verschrieben.

Hier noch die "echten" demeter-Betriebe:

http://www.demeter.de/Verbraucher/Landw ... eutschland
MichaelWagner
Beiträge: 801
Registriert: Mi 8. Aug 2012, 14:29
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Kontaktdaten:

Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von MichaelWagner »

Hallo Markus,

unter den Voraussetzungen stimme ich Dir voll zu.

Bin davon ausgegangen, das, in der Diskussion hier mit biodynamischen Arbeiten die Demeter-Zertifizierung gemeint war.

Das Ganze ist dann ja auch sehr nah an dem was früher mal "naturnaher Weinbau" genannt wurde (und bei mir bspw. heute noch so heisst) und es geht mehr um das Arbeiten Hand in Hand mit der Natur, um das Weglassen von unnötigen Hilfsmitteln und ChiChi und hat weniger mit Anthroposophie als viel mehr mit "Vernunft" zu tun (diese Vernunft kann ich bei demeter nicht finden - und die genannte Lustlosigkeit am eigenen Erzeugnis wirkt befremdend auf mich...Hallo...Wein & Lebensfreude...wo seid Ihr?).

Ganz früher gabs auch mal "Naturwein" - stand bei meinem Opa noch auf dem Etikett :) Wurde dann aber als Bezeichnung rechtlich verboten (wusste mal warum...ist mir entfallen...).

Gruß, M.
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
Benutzeravatar
Gerald
Administrator
Beiträge: 7714
Registriert: Do 24. Jun 2010, 08:45
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Wohnort: Wien

Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von Gerald »

Hallo,
was früher mal "naturnaher Weinbau"
ich glaube fast, das ist etwas Anderes als Bioweinbau. Denn zumindest wenn das dasselbe wie der heute gerne strapazierte Begriff "Naturwein" bzw. "vin naturel" ist, geht es doch mehr um einen Minimaleinsatz von Hilfsmitteln (und da vor allem traditionelle - um nicht zu sagen altmodische) als um Umweltfreundlichkeit.

Zumindest im "normalen" Bioweinbau (bei Biodyn bin ich mir nicht so sicher) ist der Einsatz von Hightech ja nicht verpönt, sondern genau das Gegenteil, solange man damit die Umwelt weniger belastet als konventionell. Also z.B. Pheromonfallen, BT-Toxin, Überwachung von meterologischen Parametern zur Prognose von Pilzinfektionen (und damit möglichst wenig Spritzungen) etc.

Grüße,
Gerald
C9dP
Beiträge: 801
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:10

Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von C9dP »

Die Alkoholfeindlichkeit bei Demeter ist also auch abhängig vom Profit :evil:

Das zeigt für mich nur einmal mehr, dass dahinter vor allem ein monetärer Gedanke steckt. Ob bei den Vereinigungen und Verbänden oder bei den Winzern. Mag sein, dass es Ausnahmen gibt.

Diese Unaufrichtigkeit hat für mich nach wie vor Ähnlichkeit mit vielen Entwicklungen in Religionen und Sekten. Der Grundgedanke des Begründers war einmal kein schlechter, wurde jedoch von zu vielen Leuten als Legitimation zum Geld scheffeln genutzt. Immer gab es einige wenige, die sich vom ursprünglichen Weg nicht abbringen ließen, der Großteil der Kernausrichtung wurde jedoch von Macht- und Profitgier dominiert.

Der Respekt vor der Natur ist ein absolut wichtiger Faktor, der aber nicht nur im Weinbau eine Selbstverständlichkeit werden sollte. Biodynamie braucht hingegen kein Mensch.

Macht es eigentlich bei den Kuhhörnern einen Unterschied, ob die von lebenden oder toten Kühen stammen?
Viele Grüße

Aloys
Benutzeravatar
Markus Vahlefeld
Beiträge: 1689
Registriert: Do 4. Nov 2010, 10:43

Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von Markus Vahlefeld »

MichaelWagner hat geschrieben:Das Ganze ist dann ja auch sehr nah an dem was früher mal "naturnaher Weinbau" genannt wurde
Ich widerspreche da ebenfalls.

Naturnah ist kein Begriff, der irgendwie belastbar wäre. Klingt wie "kontrollierter Anbau" - was, bitteschön, ist denn unkontrollierter Anbau? Ein Bio-Zertifikat st schon eine Grundvoraussetzung, um etwas mit bio-dyn zu tun zu haben. So stehe ich z.B. Rebholz sehr kritisch gegenüber, der gleichzeitig mit bio-dyn auch auf einmal bio wurde. Da - das ist meine Meinung - muss es Stufen geben, die auch zeitlich Relevanz haben.

Und Naturwein war in D lange nur Wein, der nicht chaptalisiert wurde. Das ist heute zu wenig. Da muss schon mehr dahinter sein, was sich heute vor allem auf die Kellerarbeit bezieht.

just my 2cents
C9dP
Beiträge: 801
Registriert: Mo 6. Dez 2010, 18:10

Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von C9dP »

Naturnah ist kein Begriff, der irgendwie belastbar wäre.
Das sehe ich genauso.
So stehe ich z.B. Rebholz sehr kritisch gegenüber, der gleichzeitig mit bio-dyn auch auf einmal bio wurde. Da - das ist meine Meinung - muss es Stufen geben, die auch zeitlich Relevanz haben.
Das verstehe ich allerdings nicht ganz. Ist bio-dyn eine Steigerung von bio, bei der man höhere Qualifikationen, längere Erfahrungen oder einen bestimmten Bio-Track-Record braucht?

Wie schon vorher geschrieben, sind die Grundlagen für eine Biozertifizierung für mich großteils nachvollziehbar und lobenswert und auch wissenschaftlich begründbar. Bei bio-dyn ist es eher der Weg in die Übertreibung und "Hexenmeisterei" und somit keine Qualitätsaussage zu einem Betrieb.
Viele Grüße

Aloys
MichaelWagner
Beiträge: 801
Registriert: Mi 8. Aug 2012, 14:29
Bewertungssystem: Auf Benutzername klicken
Kontaktdaten:

Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von MichaelWagner »

ich wollte auch keine Begriffe belasten! Weder naturnah, noch Bio, noch biodyn. Brauch eigentlich alles kein Mensch.

Was ich zu sagen versuchte, ist, dass man bei Einsatz des gesunden Menschenverstandes im Weinberg in Zusammenarbeit mit der Natur, auch ohne sich irgendwelche Zertifizierungen verkaufen zu lassen, arbeiten kann und dabei nicht weit, oder teilweise vielleicht überhaupt nicht entfernt von dem arbeitet, was man als Zertifikat einkaufen kann. Ist günstiger und nervenschonender und das Ergebnis ist nicht so furchtbar anders.

Das setzt natürlich ein gewisses Grundvertrauen in der Beziehung Winzer und Kunde/Weintrinker voraus, aber dieses Vertrauen lässt aus meiner Erfahrung auch ohne ein Bio- oder Demeter-Label oder sonstige Begrifflichkeiten aufbauen.

Wer natürlich aus Sicherheitsgründen oder aus Modegründen unbedingt ein entsprechendes Label auf der Flasche haben will, für den ist das dann keine Option.

Nur mal so als Beispiel - und ich weiss, dass dies zB für einen Stadtbewohner nicht ohne weiteres machbar ist. Ich "beziehe" mein Wildfleisch direkt vom Jäger. Ich gehe sogar manchmal mit auf die Jagd. Es wird unter Aufsicht geschlachtet und auch da bin ich wenn es die Zeit zulässt mit dabei. Zerlegen/Portionieren mache ich selbst. Dann ab in die Kühltruhe. Da ist dann kein Bio- und kein Demeter-Label drauf, ich bin aber mit nahezu 100%iger Sicherheit davon überzeugt, dass dieses Fleisch, dass auf diesem Wege noch nicht mal für den Lebensmittelhandel zugelassen wäre, 1000x mehr "Bio" ist, als alles was ich normalen Handel kaufen kann - abgesehen von der geschmacklichen Komponente. Plus Preisvorteil.

Wäre diese Art der Güterbeschaffung nicht tausendmal sinnvoller als der Ganze Zertifizierungswahn, der am Ende nur Geld und Zeit kostet und am Ende sind sogar die Eigenmarkennudeln von Edeka Bio...
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
BuschWein
Beiträge: 542
Registriert: Mi 3. Nov 2010, 15:33

Re: Biodynamischer Weinbau

Beitrag von BuschWein »

Das setzt natürlich ein gewisses Grundvertrauen in der Beziehung Winzer und Kunde/Weintrinker voraus, aber dieses Vertrauen lässt aus meiner Erfahrung auch ohne ein Bio- oder Demeter-Label oder sonstige Begrifflichkeiten aufbauen.
Tja das mit dem Grundvertrauen ist halt nicht mehr so einfach, nachdem fast in allen Weinbaugebieten das Grundwasser hochgradig mit Nitrat belastet war und teilweise nicht mehr als Trinkwasser, zumindest für Kinder, zu gebrauchen war. Dabei handelte es sich noch nicht mal um echte Lebensmittelskandale. Keine Ahnung ob das eher an Chemie-Wissenschaftsgläubigkeit lag, oder an Unwissenheit der Winzer lag, aber klar ist es gibt Probleme mit dem Grundvertrauen, insofern kann ich persönlich einem Zertifikat schlicht mehr vertrauen als den blauen Augen des Winzers.

Dabei bin ich gar kein 100%er Verfechter des Bio-Anbaus, kenne ich den Erzeuger persönlich, dann kann ich auch einen konventionell arbeitenden Betrieb akzeptabel finden, aber wenn nicht, dann wird es schlicht schwierig.

Aber einen Satz, dass man einfach mal der Erfahrung des Winzers vertrauen soll, den halte ich doch für sehr blauäugig.
Armin
www.gutsweine.com

Dumme Menschen machen immer den gleichen Fehler, intelligente immer Neue ;)
Antworten

Zurück zu „Tendenzen im Weinbau“