Burgund 2010

Chablis, Auxerre und Umgebung, Côte de Nuits, Côte de Beaune, Châlonnais, Maconnais, Beaujolais und Lyonnais
Weinbertl
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Re: Burgund 2010

Beitrag von Weinbertl »

Guten Tag Forum,

gestern war ich bei meinem Weinhändler, um eine undichte Flasche Burgunder umzutauschen. Als Alternative wurde mir ein 2010 Marsannay "Clos du Roy", Dom. Sylvain Pataille ans Herz gelegt. So wurde es dann auch dieser Wein und am selben Abend kam er auch ins Glas. Hier meine VKN:

Auge: sehr jugendliche Farbe, wie frisch vom Fass abgezogen
Nase: Interessante wilde Strauchfrucht, rote Johannisbeeren, Himbeere. Leicht kräuter-würzig. Gewinnt mit zunehmenden Luftkontakt
Gaumen: frische junge Frucht, herber Kirschsaft, rote Johannisbeere, strauchiges Holz, etwas Kräuter. Leichter Körper, Tannine zeigen sich gar nicht, Säure von maximal mittlerer Ausprägung. In der Gesamtstruktur recht mild, keinesfalls die Strenge junger Burgunder, aber genau das fehlt mir hier ein wenig. Das ist mir alles etwas zu glatt gebügelt. Zwischendurch mal weist der Wein eine ganz passable innere Spannung auf, verliert sich dann aber wieder in Eintönigkeit. Abgang von mittlerer Länge. Süffig.

Fazit: gut zu trinken, und sofort als Burgunder erkennbar. Der Wein hat also durchaus gute Ansätze, aber in der Gesamtschau ist er doch eher einfach gestrickt mit wenig Tiefe. Potential kann ich hier nicht erkennen, dafür fehlt es an Substanz. 16-16,5 P.
Grüße
Robert
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octopussy
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Re: Burgund 2010

Beitrag von octopussy »

Hallo Robert,

den 2010 Marsannay Clos du Roi von Sylvain Pataille habe ich vor ca. einem Jahr auch schon einmal im Glas gehabt und fand ich ganz gut (auch etwas interessanter als du), aber definitiv nicht auf der ganz komplexen Seite. Eigentlich mag ich die Weine von Sylvain Pataille ganz gerne, aber die 2010er haben mich damals (anders z.B. als die 2009er und 2008er) nicht wirklich vom Hocker gerissen.
Beste Grüße, Stephan
Bernd Schulz
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Re: Burgund 2010

Beitrag von Bernd Schulz »

Nachdem ich hier zuletzt nicht so begeistert über meine Erfahrungen mit burgundischen Burgundern im unteren Preissegment berichtet habe, hatte der bourgognophile Ostbelgier den Vorsatz gefasst, mich zu bekehren. Dazu traktierte er mich mit diesem Tropfen:

Bild

Und ich muss gestehen, dass es mit meiner Missionierung noch etwas werden könnte, wenn ich häufiger solchen Original-Burgundern begegnen sollte! Ein wirklich schöner, überhaupt nicht grün-rustikaler Wein, der im deutschen Fachhandel für 11,90 Euronen zu haben ist - es geht ein erstes Zittern durch das Fundament meiner Rotweinüberzeugungen! :mrgreen:

Beste Grüße

Bernd
klha
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Re: Burgund 2010

Beitrag von klha »

Weinbertl hat geschrieben:Guten Tag Forum,

gestern war ich bei meinem Weinhändler, um eine undichte Flasche Burgunder umzutauschen. Als Alternative wurde mir ein 2010 Marsannay "Clos du Roy", Dom. Sylvain Pataille ans Herz gelegt. So wurde es dann auch dieser Wein und am selben Abend kam er auch ins Glas. Hier meine VKN:

Auge: sehr jugendliche Farbe, wie frisch vom Fass abgezogen
Nase: Interessante wilde Strauchfrucht, rote Johannisbeeren, Himbeere. Leicht kräuter-würzig. Gewinnt mit zunehmenden Luftkontakt
Gaumen: frische junge Frucht, herber Kirschsaft, rote Johannisbeere, strauchiges Holz, etwas Kräuter. Leichter Körper, Tannine zeigen sich gar nicht, Säure von maximal mittlerer Ausprägung. In der Gesamtstruktur recht mild, keinesfalls die Strenge junger Burgunder, aber genau das fehlt mir hier ein wenig. Das ist mir alles etwas zu glatt gebügelt. Zwischendurch mal weist der Wein eine ganz passable innere Spannung auf, verliert sich dann aber wieder in Eintönigkeit. Abgang von mittlerer Länge. Süffig.

Fazit: gut zu trinken, und sofort als Burgunder erkennbar. Der Wein hat also durchaus gute Ansätze, aber in der Gesamtschau ist er doch eher einfach gestrickt mit wenig Tiefe. Potential kann ich hier nicht erkennen, dafür fehlt es an Substanz. 16-16,5 P.
Hallo Robert

Dein Beitrag hat mich neugierig auf den Wein gemacht. Die Beschreibung des Geruchs- und Geschmacksbildes kann ich gut nachvollziehen, bei der Interpretation weiche ich jedoch in der Richtung von Stephan ab und gehe - was 2010 anbelangt - sogar eher noch etwas weiter.
Der Wein wirkt zunächst unscheinbar, fast unselbständig, keiner, der sich selbstverständlich auf den guten, gut sichtbaren Platz setzt, oder ein Gespräch lenkt, hält sich vielmehr noch diskret und abwartend im Hintergrund.
Der Wein hat m.E. jedoch mehr Substanz und Tannin als es zunächst scheint. Gewinnt über viele Stunden an Statur, richtet sich auf, wird selbstbewusster, dann bald strenger, abweisender (Endlich mal ein Nein!), zeigt mehr Charakter, jetzt muss man sich schon mehr mit dem Wein auseinandersetzen, was zugegebenermassen derzeit etwas anstrengend wird, er verschliesst sich am zweiten Tag. Vielleicht fehlt es ihm etwas an Spannung, doch ausgewogen ist er wohl und ich bin sehr zuversichtlich, dass er sich gut entwickeln und in einigen Jahren mit mehr Genuss zu trinken ist – die Anlagen sind vorhanden. Das ist kein grosser Wein, das wird wohl auch kein Selbstdarsteller, aber doch ein Wein, dessen ausgeglichene und später sicher besonnene Art durchaus Aufmerksamkeit verdient. Der Preis von über EUR 20 ist für mich gerechtfertigt.

A propos Pataille: Hat jemand von Euch schon eine Begegnung mit dem L'Ancestrale 2010 gehabt?

Grüsse
Klaus
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octopussy
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Re: Burgund 2010

Beitrag von octopussy »

klha hat geschrieben: A propos Pataille: Hat jemand von Euch schon eine Begegnung mit dem L'Ancestrale 2010 gehabt?
Hallo Klaus,

L'Ancestrale 2010 habe ich noch nicht probiert, neulich aber mal den Marsannay L'Ancestrale 2008, der aber schon über eine Woche offen war und deshalb leicht oxidierte Noten hatte. Die Struktur war allerdings wirklich beeindruckend.
Beste Grüße, Stephan
klha
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Re: Burgund 2010

Beitrag von klha »

Hallo Stephan

Besten Dank für Deinen Hinweis. Bei der Arrivage der 2008er hat mich der L'Ancestrale ebenfalls sehr beeindruckt, mehr als andere Weine mit deutlich mehr Prestige. Noch fürchte ich jedoch, dass es der falsche Zeitpunkt ist, um eine der wenigen Flaschen zu öffnen. Den 2008er hat man noch bei vielen Händler bekommen (teilweise noch jetzt), doch in den folgenden Jahrgängen ist er bei meinen bevorzugten Händlern leider aus dem Angebot verschwunden - weshalb ich auch keine Möglichkeit mehr hatte, 2009 oder 2010 zu probieren.

Alles Gute
Klaus

P.s.:
klha
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Re: Burgund 2010

Beitrag von klha »

Hallo Forum

Meine Begegnungen mit Grand Crus sind selten. Gestern hatte ich jedoch das Glück, Lucien Le Moine, Mazis-Chambertin, 2010, probieren zu können.
Nach den tollen Erfahrung mit seinen diskreten, noblen, präzise strukturierten weissen und roten Burgundern aus 2008 und 2009 waren meine Erwartungen hoch - und wurden nicht enttäuscht.
Für mich ein grosser Wein. Eine Diva? Nein, das ist kein Frau, die spielt, den anderen nur für die eigene Darstellung nutzt. Ein junger Wein aber keine unreife Persönlichkeit. Der Wein hat ein tolle Statur, aufrecht und unbeeinflusst. Das ist kein Mann der noch auf der Suche ist, der laut und kraftmeierisch nicht nur andere sondere insbesondere auch sich selbst über die eigene Unsicherheit hinwegzutäuchen versucht und umso vehementer eine Position verteidigt, je weniger er sich selbst darüber im Klaren ist. Muss sich nicht beweisen. Weiss genau was er will, schon sehr gefestigt, verändert sich auch mit Luft kaum, tief und klar, und doch geheimnisvoll. Hinter der distanzierten Höflichkeit, der noblen Art verbirgt sich eine generöse, warme und bereichernde Persönlichkeit. Bis sie sich öffnet, wird viel Zeit vergehen.

Der Wein ist faszinierend balanciert. Bei aller Dichte weiss er sich zu bewegen, die süssen auch dunklen Beeren zu Beginn, die Säure trägt den Wein und steigt langsam auf, die feinen und wohldosierten Tannine prägen den langen Abgang.

Wer das Glück hat, eine Flasche davon zu besitzen, sollte der Versuchung widerstehen und den Wein erst in ferner Zukunft öffnen.

Grüsse
Klaus

P.s.: Ganz grossartig war auch ein Chateauneuf-du-Pape von Saouma (aka Lucien Le Moine). Der Arioso 2009, 14.5%, ist ein erfreulich eleganter CNDP, mit frischer Säure ausgestattet. Ich würde mich gerne einmal länger mit ihm beschäftigen. Dafür habe ich dem zweiten Wein - Clos St. Jean, Deus ex machina 2010, die Zuneigung und Aufmerksamkeit entzogen: Jetzt ungeniessbar, brennt bereits in der Nase: 16% Vol. Über die Zukunft vage ich kein Urteil, dafür fehlt mir die Erfahrung mit solchen Weinen (?).
argentum
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Re: Burgund 2010

Beitrag von argentum »

Domaine J.A. Ferret Pouilly-Fuissé Les Menetrieres Cuvée Hors-Classe 2010

Es gibt sie immer wieder diese Momente, die mich ins Staunen versetzen und mich auch dazu nötigen meine Meinung zu revidieren. So geschehen auch gestern, als mein lieber Freund Simon mir ein paar weisse Burgunder Colin-Moreys im Magnumformat direkt von der Quelle mitbrachte. Er hatte es schon angekündigt: „Ich hab noch was zum probieren dabei...“.

Auf den Tisch stellte er ebendiese Flasche Pouilly Fuissé und lächelte in Erinnerung unseres Telefonats vor zwei Tagen, an dem ich meine Mühe mit den Pouillys bekundete und klar Partei für die geradlinigeren Gewächse aus Macon Ergriff. Nun ich gebe es gerne zu, ich wurde eines besseren belehrt und durfte an einem gewöhnlichen Donnerstag Abend wieder mal eine Sternstunde in Sachen Wein erleben.

Ins Glas kam ein goldgelber Chardonnay, der so richtig schön satt in der Farbe war. In der Nase war ich schon ein erstes Mal erstaunt, denn ich hatte nicht den Eindruck einer überparfümierten Butterkugel, sondern spürbares aber gutintegriertes Holz. Dazu Birne gemischt mit exotisch-tropischen Früchtchen.

Am Gaumen kam das wirkliche Staunen. Wo ich bisher Pouilly Fuissé immer lasch, breit und als nichtssagend empfunden hatte startete dieser Les Ménéstriéres so richtig durch. Da ist Frische, nervige Säure und von der Mineralität geprägte Energie. In Kombination mit der Frucht baut sich hier eine schöne Spannung auf, welche im wunderbaren Wesen das Trinkanimierens mündet. Birne, Apfel, der gelbe Tropenfrüchtekorb wiederholt sich, wird aber von diesen tollen erstgenannten Eigenschaften im Gleichgewicht gehalten und kann so nie in dieses Plumpe abfallen. Und dann ist da diese wunderbare Länge, die dieser Weisse hinterlässt...

Ich bin kein Fan von Vergleichen. Genausowenig wie man Marsannay und Gevrey meines Erachtens nicht wirklich vergleichen kann, so kann man diesen Wein nicht mit anderen an der Cote de Beaune vergleichen... Und doch fühle ich mich versucht mir vorzustellen wie dieser Wein in 10 Jahren daherkommen mag und neben einem Puligny oder Chassagne steht. Für mich echt grosses Kino aus dem vielleicht etwas weniger beachteten Teil Burgunds. Und eben: das war sie doch wieder, so eine Sternstunde die alles bisher geglaubte über den Haufen wirft. Toll!
Gruss
Philipp

http://www.pinotphil.tumblr.com

In vinum veritas - lassum bev amo ün
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octopussy
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Re: Burgund 2010

Beitrag von octopussy »

Hallo Philipp,

das klingt sehr gut mit dem Ferret. Den Erzeuger kenne ich bislang nicht. Aber kannst du noch einmal genauer erklären, wo du den Unterschied zwischen Weinen aus der AOC Mâcon (+ Zusätzen) und denen aus der AOC Pouilly (+ Zusätzen) siehst?

Ich persönlich finde, dass da unten sehr viel vom Winzer und dem speziellen Ausbau (insbesondere Stahltank vs. Barrique) abhängt. Weine aus den Pouilly AOCs (wie Vinzelles oder Fuissé) von z.B. Saumaize-Michelin, Ch. de Fuissé, Michel Cheveau (hat aber mehr Mâcon) finde ich großartig. Und auch viele Mâcon-Weine sind großartig. Stilistische Unterschiede würde ich tendenziell da unten jedenfalls aktuell eher dem jeweiligen Winzer als dem jeweiligen Terroir zuschreiben. Aber vielleicht liege ich damit falsch?
Beste Grüße, Stephan
Grenache
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Re: Burgund 2010

Beitrag von Grenache »

octopussy hat geschrieben: Aber kannst du noch einmal genauer erklären, wo du den Unterschied zwischen Weinen aus der AOC Mâcon (+ Zusätzen) und denen aus der AOC Pouilly (+ Zusätzen) siehst?
Da liegen Welten dazwischen, meist sind die AOC Mâcon bessere Konsumweine, die Pouilly-Fuissé aber bei guten und Spitzenerzeugern in der Liga der weißen Grand Vin de Bourgogne absolut mitmischen können.
octopussy hat geschrieben:Ich persönlich finde, dass da unten sehr viel vom Winzer und dem speziellen Ausbau (insbesondere Stahltank vs. Barrique) abhängt.
Der Ausbau der Spitzen Pouilly-Fuissé findet niemals in Stahltanks, sondern im Bourgogne-Barrique statt, was dabei herauskommt ist faszinierend und sehr langlebig, herrliches Bouquet. Ich habe da gerade einen 2003 Pouilly-Fuissé Clos des France von Roger Lassarat im Glas, inzwischen honiggelb und an Nase und Gaumen den Duft der Wiesen und Weinberge um die Steilfelsen von Vergisson und Solutré zum Frühling widerspiegelnd. Ein Spitzenerzeuger ist da Roger Lassarat in Vergisson, auch für St. Veran. Inzwischen habe ich mich gerade mit dem 2011 vor Ort eingedeckt. Immer wieder ein Erlebnis, dort vorbeizuschauen.
Gruß, Grenache
There are 2 reasons for drinking: one is when you are thirsty to cure it, the other, when you are not thirsty to prevent it...prevention is better than cure.
Thomas Love Peacock
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