Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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Charlie
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von Charlie »

die Frage war nicht "was ist XY?" sondern "wie wichtig ist euch XY?". Und sagt jetzt nicht "Wie soll ich wissen, wie wichtig mir XY ist wenn ich nicht weiss was XY ist?"

Meine Antwort: 90 P wichtig
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Desmirail
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von Desmirail »

Naja, damit meine ich, das Terroir imho immer in Bezug zu etwas gesetzt wurde/wird. Terroir ist der Boden, die Lage, das Wetter oder alles zusammen etc.

Gibt es darüber hinaus aber etwas, eine Eigenschaft, eine Funktion, ein "etwas", was Terroir ausmacht und sich gleichzeitig nicht in eine der Kategorien, wie oben beschrieben, einordnen lässt so das "Terroir" eigenständig stehen kann und somit ein solitärer Begriff wird :?:
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emmetdocbrown
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von emmetdocbrown »

EngelWine hat geschrieben:Liebe Community,
es gibt Fragen, denen man sich über Tage, ..... weiterhin viel Spaß bei dieser facettenreichen Diskussion.

Viele Grüße aus Südtirol

Johannes
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Du bringst es auf den Punkt.

Ich habe letztens aus Spass in einer moderierten Weinprobe mal einen 2007er Vino Nobile di Montepulciano von Poderi Boscarelli neben so eine "Fruchtbombe" aus Chile gestellt (Haras de Pirque, Character Cabernet Sauvignon - Carmenere, 2007) und dann den Leuten erklärt, warum der Boscarelli-Wein der eigentlich wesentlich spannendere Wein ist, auch wenn der chilenische Wein natürlich den momentanen Massengeschmack trifft.

Das Grund warum es diese Trends gibt ist einfach: Geld. Das braucht schließlich jeder von uns um zu leben. Auch der Winzer, die Kellerei oder der Abfüller. Wenn ich einen Wein mache den alle Leute gut finden, dann verkauft der sich auch gut. Deswegen schmecken ganz viele Weine einfach gleich. Meißtens haben sie auch die gleichen Parkerpunkte oder gamberogläser oder was auch immer. Auch wenn es nicht das Ziel der einflussreichen Juroren ist. Aber mit ihren Bewertungen setzen sie Geschmackstrends und der Markt reagiert darauf.

Schönes Beispiel: Anfang Januar las ich in der Weinzeitschrift „Wein. pur“ einen Artikel über die Renaissance der Spätlese in Deutschland. Natürlich Riesling und die bekannten Verdächtigen, allen voran Armin Diel, als Initiator. Die Spätlesen und die Winzer haben es verdient, dachte ich mir.
Prinzipiell ist es schön, das die Spätlesen entstaubt werden. Es aber zu verkaufen unter der Überschrift: „mit Zucker, Mineralität, Balance und Komplexität entsteht ein neuer, spannender Weintyp“, ist schlichtweg Unfug.
Denn einige Winzer, u.a. Reinhard Löwenstein, oder auch Clemens Busch bauen mit überwältigendem Erfolg seit Jahrzehnten ihre Weine genau mit eben dieser Finesse aus, und kreierten m.E. diesen Weintyp. Sie betrachteten das, was sie da machen aber eher als traditionell und nicht als neue Erfindung. Irgendjemand bezeichnete es mal als Grauzone in der sich beide bewegen, sei es drum. Auf alle Fälle ist es nicht neu.
Letztens auf einem Hoffest bei einem Winzer in Saale Unstrut (Pawis) beklagte eine nur trockenen Riesling trinkende Frau, dass auch bei ihrem Lieblingswinzer aus Rheinhessen, die Weine in letzter Zeit mehr ins halbtrockne gehen. Ja selbst wo trocken darauf steht, schmeckt es irgendwie anders als sonst. Dass eine solche Entwicklung, hin zum Zucker stattfindet, bemerkt der geneigte Weintrinker deutscher Weine seit geraumer Zeit. Die zur knochentrocken Fraktion gehörende Frau beim Hoffest stellt die Frage, "ja muss das denn sein?" Nein muss es nicht. Aber es bringt mehr ein. Zur Zeit.

Um nicht falsch verstanden zu werden, ich gönne den Winzern diesen Lohn. Denen die es schon immer so machen sowieso, und ein bisschen Abwechslung ist auch nicht schlecht, wenn sie schmeckt. Aber wir werden es erleben, wenn damit höhere Preise erzielt werden, wird es wieder ein Einheitsbrei.

Störend ist nicht nur die Tatsache, dass etwas für neu erklärt wird, was es schon gibt, sondern auch der Auslöser der als Grund für diese „Bewegung“ genannt wird, der Verbraucher. Der Weintrinker will dies und will das, und muss doch das trinken was es gibt. Hin und wieder entscheidet er sich gegen den Billigtrend für Spitzenklasse, die nun mal rar ist und ein wenig mehr kostet als der große Rest. Und genau darum geht es hier. Einer hat Erfolg und alle machen es nach. Ein Schelm der Böses dabei denkt. Es geht nur um Qualität nicht um Geld. Das der selbst ernannte Anführer der "Spätlese an die Macht! - Bewegung" Armin Diel heißt, ist dann nur konsequent macht aber misstrauisch.

In diesem Sinne Frohes Pfingsten euch allen
beste Grüße
Stevie - David

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sorgenbrecher
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von sorgenbrecher »

kann denn nicht auch eine fruchtbombe aus der neuen welt ausdruck eines (derart verstandenen) terroirbegriffes sein ?!

ich mag auch keine marmelade im glas, aber wenn wir jetzt noch anfangen geschmackliche präferenzen mit in den terroirbegriff zu integrieren, dann wird es doch sehr weit ins niemandsland führen....

ich bin da absolut bei markus, eine relativ enge auslegung von terroir als erweiterten lagenbegriff halte ich für sinnvoll möglich, alles darüber hinaus gehende gibt schönen anlass zu diskussionen (wie dieser hier), und führt letztendlich doch zu keinem erkenntnisgewinn.

ebenso bin ich der auffassung, das terroir im sinne einer quasi absolut gültigen typizität völliger unsinn ist. eine so verstandene typizität ist dann ergebnis von tradition (also eher traditionalität) in bestimmten lagen.
Gruß, Marko.
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emmetdocbrown
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von emmetdocbrown »

sorgenbrecher hat geschrieben:kann denn nicht auch eine fruchtbombe aus der neuen welt ausdruck eines (derart verstandenen) terroirbegriffes sein ?!

der Unterschied ist aber das die Weine fast alle so schmecken weil es "in" ist. Bis auf wenige Ausnahmen wird sich hier hauptsächlich am Massengeschmack orientiert, damit sich das gut verkauft. Das ist jetzt zwar deswegen kein schlechter Wein im Gegenteil der von mir aufgeführte hat sogar eine recht hohe Qualität. Aber wenn es mal Trend sein sollte das die Weine knochentrocken schmecken sollen mit wenig Frucht, dann werden die Weine auch danach schmecken. Weil sich das dann gut verkauft.

Das hat mit terroir und traditionen nicht im geringsten zu tun. Im Gegensatz das Gegenstück aus Montepulciano. Dieser Wein erschließt sich nicht jedem weil er kein Trend ist. Vor allem nicht von diesem Weingut. Ganz konservativ und geradlinig. Der hat vor 30 Jahren schon so geschmeckt und tut es heute auch noch so. Und wird immer so sein.
Das ist der ganz eigene Charakter und Stil der diese Weine unverkennbar macht. Das ist auch das Schlüsselwort: Unverkennbarkeit. Wenn dir jemand einen Wein einschenkt und dir nicht verrät welcher Wein das ist und du dann feststellst : jawoll das ist ein Brunello di Montalcino oder ein Chianti Classico oder ein Pauillac, St. Emillion, Rioja, Priorat, usw. (ich könnte die liste jetzt ewig fortführen) hat das auf jedenfall etwas mit der Unverkennbarkeit des Terroirs zu tun. Sofern die Winzer auch ihren Wein in dieser Richtugn gewähren lassen. Das beste Beispiel ist Australien mit seinen Weißweinen da wurde lange Zeit versucht das Burgund zu imitieren. Was aber nicht geht. Mittlerweile haben sie sich eines besseren besonnen und produzieren auch vollmundige Weißweine mit der Fähigkeit zu altern. Und eigenem Charakter.
beste Grüße
Stevie - David

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EngelWine
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von EngelWine »

Liebe Weinfreaks,
nun, meiner Meinung nach ist es wichtig für die ganzen Diskussionen, die es zu diesem Thema, insbesondere in Deutschlad gerade gibt, den Begriff "Terroir" in seiner eigentlichen Bedeutung zu sehen. Wie bereits mehrmals erklärt wurde ist "Terroir" im eígentlichen Sinne, das Zusammenspiel verschiedener Faktoren im Weinberg und kann wahrscheinlich wirklich mit dem deutschen Wort "Lagencharakteristik" relativ gut übersetzt werden. Wie gesagt wurde dieser Begriff und das damit verbundene Denken bereits im 12.-13.Jht geprägt. In den letzten Jahren, wurde der Begriff aber extrem viel gedreht, verrückt und verschoben, sodass er mitunter ganz neue Bedeutungen bekommen hat. Teilweise wurde das Wort "Terroir" eben verwendet, wie es gerade gebraucht wurde. Kleines Beispiel am Rande hierzu: Als ich angefangen habe mich für Wein zu interessieren, hatte ich auf einem Tasting einen Wein mit relativ stark wahrnehmbarem Brettanomyces (ich wusste damals noch nicht was das ist, der Wein hatte einfach nur ein komisches Aroma gerochen). Ein Franzose der auch auf den Tasting war sagte zu mir: "C'est le Terroir". Mag sein dass er es scherzhaft gemeint hat, mag sein, dass er es ernst gemeint hat, ich weiß es nicht. Sehr wohl weiß ich aber, dass genau dieses Beispiel zeigt, wie schnell die eingentliche Bedeutung des Wortes geändert werden kann. Wie gesagt, haben sich im laufe der Jahre wahrscheinlich mit unter auch auf ähnliche Art und Weise ganz neue Bedeutungen aufgetan. Wie man zu diesen dann steht ist jedem selbst überlassen und hängt stark von der eigenen Meinung ab.
Terroir als Syonym für Authentizität zu sehen ist für mich jedoch grundelegend falsch. Ich denke das Terroir ist eher eine Art Fingerabruck eines jeden Weinberges. Die Aufgabe des Winzers sollte es dann sein, die durch das Terroir geprägten Merkmale im Wein herauszuarbeiten und zu unterstreichen, was dann letztendlich die Authetizität ausmacht. Deshalb denke ich nicht, dass man "Terroir" und "Authentizität im gleichen Moment verwenden kann, sehr wohl denke ich aber, dass das Eine auf das Andere aufbaut.
Diese These kann ich mit dem Fakt untermauern, als dass es nicht sonderlich schwierig ist einen Wein aus einer Lagen mit starkem Charakter so zu bereiten, dass er relativ ausdruckslos und uniform ist. Nahezu unmöglich erscheint es mir aber einen charakterstarken Wein mit großer Ausdruckskraft mit Trauben aus einer "neutralen" Lage zu machen. Folglich muss es einen Faktor geben der die ausmacht-das Terroir.

Daraus folgt auch der Grund warum wir Terroir niemals im Wein riechen oder schmecken können werden. Das Terroir ist nur ein Bündel von variablen Faktoren welche die Charakteristik des Weines beeinflussen. Wohl aber können wir die Auswirkungen die aus diesem Bündel resultieren wahrnehmen. Dies ist nicht immer einfach, denn oft sind es feinste Nuancen, die nur mit ungemein viel Training wahrgenommen werden können. Wahrscheinlich sind viele Leute auch deshalb der Meinung, Terroir sei nur einbildung, ganz einfach weil sie nicht trainiert genug sind bzw. oft keine Vergleichsmöglichkeit haben.

In diesem Sinne, à vôtre santé!

Johannes
C9dP
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von C9dP »

Ich kann mich in der dauernden Vermischung von Vinifikationsmethoden mit den Begriffen Lage und Terroir und dann noch der Einbringung von Geschmacksnuancen wie süß oder trocken irgendwie nicht anfreunden.

Die für mein Verständnis einzig nachvollziehbare Definition des Begriffes Terroir ist die, wie typisch ein Wein für eine bestimmte Region ist. Das hat allerdings nur am Rande was mit der Lage zu tun, da hier insbesondere Einflüsse wie Ausbau, Hefen, Reifegrade bei der Ernte usw. eine Rolle spielen. Hier ist also sehr viel Einfluss des Winzers mit im Spiel. Daher ist Terroir für mich eher ein Begriff der Typizität der Region. Damit ist für mich eine Aussie-Shiraz-Fruchtbombe durchaus ein Terroirwein, weil ich genau das von einem solchen Wein erwarte und eben nicht die deutlichere Kühle eines Syrah von der Rhone. Man kann auch nicht behaupten, dass der Unterschied zwischen St. Julien und Pauillac am Terroir liegt, wenn man dort nicht Winzer und Vinifikation mit in den Begriff Terroir fasst, da drei Monate mehr in neuem Holz sicherlich deutlich mehr Einfluss auf den Wein haben als 5 Meter nördlich oder südlich.

Daher ist für mich Terroir das Synonym für die von mir verstandene Typizität der Region. Damit ist Terroir subjektiv und nicht allgemeingültig, da geprägt durch Weine, die anfangs das Geschmacksbild einer Region geprägt haben.
Viele Grüße

Aloys
Weinbertl
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von Weinbertl »

C9dP hat geschrieben:Die für mein Verständnis einzig nachvollziehbare Definition des Begriffes Terroir ist die, wie typisch ein Wein für eine bestimmte Region ist. Das hat allerdings nur am Rande was mit der Lage zu tun, da hier insbesondere Einflüsse wie Ausbau, Hefen, Reifegrade bei der Ernte usw. eine Rolle spielen. Hier ist also sehr viel Einfluss des Winzers mit im Spiel. Daher ist Terroir für mich eher ein Begriff der Typizität der Region.
Diese Zeilen drücken im Prinzip das aus, was ich von Euch wissen wollte und welchen Stellenwert dieser "Faktor" bei Euch einnimmt!?!

Gruß
Robert
Grüße
Robert
EngelWine
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Registriert: Mo 5. Dez 2011, 22:40

Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von EngelWine »

Lieber Aloys,

ich kann mich leider mit deiner Aussage, dass "Terroir" das Synonym für die Typizität einer Region ist, nicht wirklich anfreunden. Außerdem denke ich nicht, dass "Terroir" das Spiegelbild einer Stilistik ist, die sich über Jahre hinweg herausgebildet und etabliert hat. (So habe ich jedenfalls deine Aussage verstanden)

Nehmen wir als Beispiel doch das Rheingau. Wie wir alle wissen, ist der Riesling dort die typische Sorte. Die Weine sind frisch, fruchtig und haben eine tolle Mineralität.
Angenommen dass in einer bestimmten Lage statt Riesling Chardonnay gepflanzt wird. Der Wein, der daraus gekeltert wird hat einen tollen Fruchtcharakter, eine saftige Mineralität und eine frische Säure. Für mich ein eindeutiges Beispiel, dass der Wein vom Terroir geprägt wurde. Jedoch ist Chardonnay nicht wirklich die typische Rebsorte für das Rheingau, oder?!

Lg Johannes
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Birte
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von Birte »

Ein uralter Artikel, aber allein das Wort "Terroiristen" hat mir unheimlich gut gefallen.

http://www.welt.de/lifestyle/article131 ... kabel.html
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