Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
Weinbertl
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Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von Weinbertl »

Hallo Zusammen,

Klimawandel, moderne Weinbereitungstechniken, sich ändernde Geschmacksbedürfnisse der weintrinkenden Gesellschaft, usw. haben die Weine in den letzten 2-3 Dekaden verändert.
Während dieser Veränderungen haben manche Weine auch ihre angestammten gebiebts- und rebsortentypischen Eigenschaften TEILWEISE eingebüßt.

Für mich stellt das eine gewaltige Herausforderung dar, denn gerade das sogenannte "Terroir" (bitte steinigt mich nicht für die Benützung dieses Wortes :lol: ) ist für mich eines der wichtigsten Qualitätsmerkmale eines Weins. Wenn bps.weise Bordeaux irgendwann seine angestammte Identität verlieren sollte, würde mich das sehr traurig machen und wahrscheinlich mein Interesse daran verloren gehen.

Seht ihr das ähnlich oder spielen für euch andere Faktoren die Hauptrolle?

Gruß
Robert
Grüße
Robert
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Markus Vahlefeld
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Hallo Robert,

ein weites Feld... ;)

Da ich nicht weiss, wann "Terroir im Wein" ist, halte ich mich mit einer derartigen Bestimmung zurück. Denn für mich ist nicht "Terroir im Wein", sondern "Terroir im Weintrinker". Ich glaube sogar, dass man Terroir nicht schmecken kann, wenn man es sich nicht vorher eingebildet hat. Wobei ich Einbildung gar nicht so abschätzig meine, wie sie im Deutschen benutzt wird. Ich meine sie im Sinne von "imaginiert". Terroir ist also etwas, dass der Weintrinker dem Wein hinzufügt.

Ansonsten ist es für mich so, dass mir Weine schmecken oder eben nicht. Viele Regionen haben ein Geschmacksprofil entwickelt, das man heute als "traditionell" oder "authentisch" ansieht, aber eben nur, weil es sich als Gewohnheit tradiert hat. Bordeaux ist ein hübsches Beispiel. Die meisten Jahrgänge der Vor-Parker-Ära waren einfach wenig überzeugend, wenn man von Leuchttürmen wie 45 oder 61 mal absieht.

Ich habe lustigerweise vor wenigen Tagen die erste Ausgabe des WA als Kopie zugespielt bekommen. Da gibt Parker für manche Bordeauxweine aus 73 nicht mal 60 Punkte, ohne dass sie fehlerhaft wären. Grün, spitze Säure, wässrig, unreif, ohne Tiefe. Soll das jetzt das so glorreiche "Terroir" von Bordeaux widerspiegeln? Oder hat sich nicht vielmehr durch die Kilmaerwärmung und die moderne Technik der letzten 30 Jahre ein Weinstil im Bordelais herauskristallisiert, der vielmehr dem "Terroir" entspricht?

Mal nur so Gedanken unfertig ins weltweite Netzt geworfen...
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Desmirail
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von Desmirail »

Terroir, tja, ein weites Feld.

IMHO ist es so, das Weine von unterschiedlichen Böden und aus unterschiedlichen Regionen/Klimata und unterschiedlichen Winzern natürlich anders schmeckten. Ich finde den Begriff inzwischen extremst abgenutzt.

Im Grunde müsste man einen 1:1 Vergleich (in allen Parametern) haben um das wirklich genau aussagen zu können. Da das, streng genommen, nicht möglich ist, bleibt der Begriff immer sehr dehnbar und meiner Meinung individuell geprägt.:roll:
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austria_traveller
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von austria_traveller »

Servus,
ich denke Teroir ist das was wir aus dem Wein schmecken (wollen).
Es sind immer diese vorgeprägten Schemen, in denen wir denken.
Wenn ein Wein nicht in dieses Schema paßt, dann hat er kein Terroir,
ist international gemacht, ect.
Gab's hier nicht mal einen Thread für Voodoo, ich denke da würde Terroir auch gut dazupassen.
Ich suche übrigens auch immer danach und bilde mir ein, meine Weine haben das ... :roll: :lol:
Beste Grüße
Gerhard aus Wien
C9dP
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von C9dP »

Da ich mir nicht einbilde ein besonderes Terroir schmecken zu können, kann ich auch nicht sagen, dass es mir wichtig ist. Es sind mehr die Erwartungen, die ich an einen Wein aus einer bestimmten Region oder einer bestimmten Rebsorte habe. Beispielhaft könnte ich hier die unterschiedlichen Rieslingstile aus der Pfalz, Rheinhessen und der Saar nennen. Bei dem einen erwarte ich das pfälzer Volumen und durchaus Üppigkeit, bei den Rheinhessen eher den Wittmann oder Kellerstil mit dieser zitrus-salzigen Klarheit und bei der Mosel eher die feine Leichtigkeit. Daher ist van Volxem z.B. kein Ausdruck des Terroirs auch wenn die hochklassigen Weine mir richtig gut gefallen. Ähnlich verhält es sich mit Syrah von der Rhone und aus Australien. Das ist aber alles weniger Terroir als das, was ich persönlich mit Weinen aus diesen Regionen verbinde.
Viele Grüße

Aloys
Weinbertl
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von Weinbertl »

vielleicht sollte ich die Begrifflichkeiten ausdehnen und den Begriff "Wiedererkennungswert" in die Runde werfen.
Um beim Beispiel Bordeaux zu bleiben: Ihr habt einen St.Julien im Glas, habt auch schon genügend Weine dieser Appelation getrunken. Beim Riechen vernehmt ihr eine ausgeprägte Zedernholz-Note , es erinnert Euch sofort an so manch anderen St.Julien aus vergangenen Proben.
Sieht man in so einem Fall nur seine Verkostungserfahrung bestätigt oder freut man sich darüber, dass der Wein so riecht/schmeckt, wie man dies gewohnt ist und rechnet es positiv an?

Gruß
Robert
Grüße
Robert
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Markus Vahlefeld
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Ja, der Prozess der Sinneswahrnehmung ist so komplex, dass die Freude über das Wiedererkennen gerne dem Wein als Qualität zugeschrieben wird, während sie ja nichts weniger und nichts mehr als die Freude über eine gelungene assoziative Erinnerung ist. Wäre aber ein kalifornischer Wein mit Zedernholznote jetzt untypisch? Oder schmeckt er wie ein St. Julien? Oder schmeckt der St. Julien wie ein Kalifornier?
Weinbertl
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von Weinbertl »

Natürlich wollte ich bei meinem Beispiel den St.Julien nicht auf die Zedernholz-Note reduzieren, das komplette Nasenbild muss natürlich auch zu einem St.Julien passen.
Grüße
Robert
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UlliB
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von UlliB »

Markus Vahlefeld hat geschrieben:Ja, der Prozess der Sinneswahrnehmung ist so komplex, dass die Freude über das Wiedererkennen gerne dem Wein als Qualität zugeschrieben wird, während sie ja nichts weniger und nichts mehr als die Freude über eine gelungene assoziative Erinnerung ist.
Markus,

genau so ist es: das Erkennen von Typizität (oder Terroir, wenn man denn so will) ist intellektuelle Wichserei von Wein-Nerds. Typizität hat a priori nichts mit Qualität zu tun - ansonsten müsste die qualitätsorientierte Weinwelt auf ewig statisch bleiben; ein schlichtweg reaktionäres Konzept.

Gruß
Ulli
EngelWine
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Re: Wie wichtig ist Euch Terroir/Authentizität/usw.

Beitrag von EngelWine »

Liebe Community,
es gibt Fragen, denen man sich über Tage, Wochen, Monate ja sogar Jahre hin widmet. Genau diese Frage, die dieser Thread behandelt, gehört für mich dazu.
Ich verstehe ganz und gar nicht, warum Leute teilweise Angst haben den Begriff "Terroir" zu verwenden, bzw. dabei ausgelacht zu werden. Klar, "Terroir" ist ein Begriff, mit dem in den letzten Jahren viel jongliert wurde und der im Laufe der Zeit verschiedene Bedeutungen angenommen hat. Schauen wir uns jedoch die Ursprüngliche Bedeutung dieses Begriffes an, so ist das Zusammenspiel von Faktoren wie Genetik der Rebsorte, Boden, Mikroklima, Niederschlagsmenge, Neigung des Hanges etc. gemeint. Wenn wir uns dessen bewusst sind, kommen wir an einen Punkt an dem ich dann überzeugt bin, dass dieses "Terroir" deutlichen Einfluss auf den Wein nimmt.
Nehmen wir als klassisches Beispiel die Weige des Terroir-das Burgund. Dort hat diese Übezeugung bzw. dieses Denken eine lange Tradition und Geschichte. So haben die Mönche des Zisterszienserordens, die teilweise Eigentümer der Weinberge waren, schon im 13.Jahrhundert einzelne Lagen nach ihrer Beschaffenheit abgegrenzt und haben sogar, so ist es zumindest überliefert, die Erde in den Mund genommen um die Qualität zu beurteilen.
Hokuspokus, wird so mancher kritischer Beobachter jetzt sagen. Sicherlich kann jeder Grundherr seinen Besitz in einzelne Lagen unterteilen und behaupten sie würden sich voneinander unterscheiden.
Stellen wir uns jedoch die Frage, warum beispielsweise ein Vosne Romanée 1er Cru "Les Chaumes" in einer Blindverkostung eine durchaus andere Stilistik besitzt als ein Vosne Romanée 1er Crus "Aux Malconsorts", obwohl diese beiden Lagen keine vier Meter voneinander entfernt liegen, so ist diese Frage meiner Meinung nach mit dem Einfluss des Terroirs eindeutig zu beantworten.
Ein anderes eindrucksvolles Beispiel wurde mir persönlich vor 2 Wochen in einem Sauvignon blanc-Tasting geliefert. Der Flight bestand aus 3 Südtiroler Weinen der Rebsorte Sauvignon blanc. Alle drei waren aus dem selben Jahrgang, die Weinberge wurden auf die selbe Art bearbeitet, die Trauben wurden jeweils am gleichen Tag gelesen, auf die selbe Art vinifiziert und das alles selbstverständlich vom selben Weingut.
Der einzige Unterschied zwischen den Weinen lag darin dass sie aus verschieden Lagen stammten, wobei keine mehr als 300 Meter von der anderen entfernt war. Ergebnis des Tastings waren 3 verschiedene Weine, die sich sowohl in der Aromatik als auch in der Mineralität, Textur usw. stark unterschieden.
Sauvignon blanc ist für mich ohnehin eine Rebsorte die wie ein Spiegelbild die Bedingungen sei es im Weinberg als auch im Keller widerspiegelt. Ebenso zählt der Riesling zu diesen Rebsorten.

Womit ich jedoch ein Problem habe, ist dieses oft zitierte "schmecken" bzw. "riechen" des Terroirs. Ich habe bereits den Fakt angesprochen, dass der Begriff "Terroir" in den letzten Jahren oft in falschen Zusammenhang verwendet wurde. Selbstverständlich kann man nicht die Nase in ein Glas stecken und das Terroir riechen.
Wie bereits eingangs erwähnt, ist Terroir das Zusammenspiel verschiedener Faktoren. So bin ich der Meinung, dass das "Terroir" jedem Wein seinen eigenen unverwechselbaren Stempel aufdrückt. Sprich, Terroir ist die Gesamtheit bestimmter Faktoren die den Wein beeinflusst, daher kann man nicht das Terroir selbst riechen, sondern die Auswirkungen desselben.

Wo wir auch schon bei der Authenzität bzw. Typizität wären.
Das Bestreben eines jeden Winzers sollte es meiner Meinung nach sein, die Eingenständigkeit seiner Weine herauzuarbeiten. Es ist nur allzu schade, wenn beispielsweise in der Toskana die tolle bodenständige Sorte Sangiovese von protzigen, mit Holz überlagerten Bordeaux-Blends verdrängt wird, die sei es aus Kaliforien als auch aus Frankreich oder jedem anderen beliebigen Ort der Welt kommen könnten und somit ihr Herkunftsgebiet nicht repräsentieren.
Ich traue mich zu behaupten, dass 99,8% der hier Mitlesenden, im Urlaub einen TYPISCHEN Wein aus dem jeweiligen Gebiet trinken. Wird die Internationalisierung des Weinstilistik jedoch weiter vorangetrieben, so wird dies in Zukunft überflüssig, denn egal ob ich einen Chardonnay in Frankreich, Spanien, Italien, Sonoma oder Neuseeland trinke, er wird überall mehr oder weniger gleich schmecken.

In diesem Sinne, wünsche ich allen viele spannende, vielfältige Weine aus den verschiedensten gebietstypischen Rebsorten und weiterhin viel Spaß bei dieser facettenreichen Diskussion.

Viele Grüße aus Südtirol

Johannes
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