Hallo,
die Regeln des Subskriptionsgeschäfts sind ja grundsätzlich die gleichen wie überall: Angebot und Nachfrage. Das Angebot ist riesig. Aber die Chateau haben seit 150 Jahren ein cleveres System entwickelt, die Nachfrage zu schüren. Parker war seit 1982 fester Bestandteil der Nachfragestimmulanz. Und Parker hat über die Jahrgänge hinaus gewirkt. Die Modernisierung der meisten Chateau geht auf ihn zurück, ebenso wie die Mode der Garagenweine am rechten Ufer. Spätestens mit dem am Anfang von ihm eher mäßig geschätzten Jahrgang 2005 beginnt sich sein Einfluss aber zu relativieren. Die Chateaus sind wieder unabhängiger von diesem unabhängigen Kritiker geworden. Das hat mehrere Gründe. Hauptsächlich aber hat ihn sein eigener Erfolg aufgefressen. Das Qualitätsniveau ist mittlerweile so stark angestiegen, dass es wirkliche Fehlkäufe nicht mehr gibt. Der Konsument ist auf den Parker-Kompass nicht mehr so stark wie früher angewiesen. Die Grand Cru Classé zeigen sich sehr homogen und selbst die Abstufung zwischen den unterschiedlichen Klassen macht - mit vielen Ausnahmen, aber die Richtung stimmt, wieder mehr Sinn als früher. Nachfragegetrieben lassen sich viele Weine auch ohne oder nur mit mäßiger Parkernote für viel Geld verkaufen. Markenimage ist teilweise wichtiger geworden. Natürlich hat Parker für relevante Segmente des Marktes noch seine Bedeutung. Vergleichsweise günstige Weine mit hoher Parkernote verkaufen sich immer noch besser als die niedriger bepunktete Konkurrenz. Entwicklungen wie in den 90er Jahren (z.B. die Preisexplosionen bei Valandraud) haben aber seltener stattgefunden.
Welche Faktoren sind dann entscheidend? Bevor ich versuche darauf Antworten zu geben, muss man sich klarmachen, dass Bordeaux ein extrem intransparenter Markt ist. Kein Chateau hat ein Interesse Licht in das Dunkel seiner Absatzzahlen zu bringen. Wie erfolgreich ein Wein ist - oder auch nicht - läßt sich nur nährungsweise an Hand der Preise im Sekundärmarkt bestimmen. An erster Stelle für den Erfolg einer Kampagne steht immer noch die
allgemeine Jahrgangseinschätzung. Oder wie Rene Gabriel es mal gesagt hat. Einmal heiss, immer heiss. 2003, 2005, 2009 waren solche Jahre. Dann läuft die Marketingmaschine meist schon vor Weihnachten an und erlebt ihren Höhepunkt bei der Primeurverkostung. Parker- und andere Noten sind dann schon noch wichtig, um graduelle Verschiebungen bei den Preisen einzelner Weine zu begründen. Aber der generelle Trend hängt immer noch an der Jahrgangseinschätzung. Umgekehrt ist einmal kalt nur noch schwer zu erwärmen. 2004, 2006 und 2007 sind solche Jahre. 2008 hat sich der immer noch verhandene Einfluss von Parker zuletzt nochmal deutlich gezeigt, auch in der Flaschenverkostung, wo die partielle Abwertung den Sekundärmarkt hat einbrechen lassen. Hinzu kommen die Faktoren von
Nachfrageverknappung (wieviel Prozent der Ernte überhaupt verkauft wird, ist von den wenigsten Chateau zu erfahren), zur Verknappung trägt auch der von den Chateau ausgeübte
Druck bei (in den 80er gab es noch gedruckte Subskriptionslisten. Heute gibt es Tranchen, um die Preissteigerungen am Sekundärmarkt mitnehmen zu können. Manche Weine sind dadurch schon am ersten Tag weg). Ein neuer und nicht zu unterschätzender Faktur ist zudem die
Spekulation (Duhart Milon, Zweitweine der Premier Cru). Man darf nicht vergessen, dass Bordeaux trotz aller Größe ein kleiner Markt ist. Wenn da irgendein Superreicher 100 Mio. Euro in Wein anlegt, um sein Portfolio breiter zu streuen, kann das schon zu erheblichen Preisverschiebungen führen.
2010 wiederum ist ein Beispiel dafür, dass man das Spiel mit der Stimulation der Nachfrage auch übertreiben kann. Ein potentiell sehr gutes Jahr mit nochmals höheren Preisen trifft auf eine schon aus 2009 stark gefüllte Keller. 2010 ist nach meinen Kenntnissen deutlich weniger im (deutschen) Subskirptionsgeschäft gegangen, als möglich gewesen wäre. Was wäre für die Verbraucher möglich gewesen, wenn 2010 jetzt zum Verkauf anstünde

Damit kommen wir zum nächsten Faktor: Das für die Intensität der Nachfrage wichtige Moment der
allgemeinen Wirtschaftslage. Ist die schlecht, wie 1990 (Nachwendepression), 2001, 2002 (Dot-Com-Krise), 2008 (Lehmann) oder eben 2011 (Griechenland), können auch keine hohen Preise durchgesetzt werden. Der späte Erfolg von 2008 hat auch viel damit zu tun, dass in Staaten wie Deutschland schon wieder ein leichter Aufschwung einsetzte. Umgekehrt unterliegen die Chateau bei schlechten Jahrgängen der Versuchung, bei hohem wirtschaftlichen Niveau auch schwache Jahrgänge teuer zu verkaufen. Schönste Beispiele sind 1991-1993, die trotz mäßiger Qualität aber wegen anziehender Nachfrage auch aus Osteuropa nur wenig unterhalb des Preisniveaus von 1990 verkauft worden (Beispiel Mouton. 1989 (104 DM) 1990 (83), 1991 (50), 1992 (50), 1993 (66), und natürlich 2006 und vor allem 2007 (Höhepunkt des CDO-Geschäfts). Ein schwierig einzuordnendes Jahr ist zB 1997. Asienkrise und mäßige Qualität sprachen gegen ein hohes Preisniveau. Trotzdem wurde es ein sehr teures Jahr. Nicht zuletzt auf Grund der
Selbstüberschätzung der Chateau. 1994-1996 waren die Preise jedes Jahr gestiegen. Es gab einen neuen Bordeauxboom, vor allem am rechten Ufer. Man versuchte also auch 1997 hohe Preise durchzusetzen, was daneben ging. Noch heute kann man Valandraus 1997 für 400 Euro kaufen.
Nimmt man diese Faktoren zusammen und schaut auf 2011 ergibt sich keine eindeutige Prognose. Es gibt keinen Hype um den Jahrgang. Nicht mal ansatzweise. Nun hat noch niemand den Rebsaft verkostet. Es kann also noch was gehen, zumal die Klimadaten dahin deuten, dass dort wo die Weine ausgereiften und sorgfältig gelesen worden ist, Dank Klimawechsel tolle weine entstanden sein
können. Aber alle Beteiligten stellen sich auf ein kühles Verkaufsklima ein. Es dürfte auch noch gute Bestände an 2009 und vielmehr noch aus 2010 geben, was angebotssteigernd wirkt. Nachteilig für die Nachfrage ist auch, dass die Verbraucher eine gewisse Überdrüssigkeit an an zu teuren Weinen haben. Es gibt auch Regionalisierungstendenzen (USA) und China, die viel aus dem Sekundärmarkt aufgesaugt haben sind jenseits der Top 20 immer noch kein Subskriptionsmarkt.
Ich persönlich denke, dass der Markt 2011 noch weiter auseinandergehen wird. Die Premier werden teuer bleiben. Ich rechne mit einem Preisniveau wie 2006/2007 (damals 390 Euro). Aber für einige Superseconds und Weine der Mittelklasse um 50 Euro wird es schwierig werden, die Preisbestimmung vorzunehmen. Zur Erinnerung: 2008 "flog" nachdem Angelus mit rund 60 Euro startete. Das machte es vielen Nachbarn leicht, ähnliche Preisabschläge vorzunehmen. Es wird darauf ankommen, wie die Primeurverkostung läuft und wer dieses Jahr den Testballon startet und wie dick der sein wird.
Und um jetzt all das Gesagte wieder zu relativieren: Wenn die Preisbestimmung schwierig ist, könnte Parker und Co dann doch wieder eine Leitfunktion zukommen. Weniger allerdings als für die Chateau. Bei hohen Noten könnte man versucht sein, es doch mit hohen Preisen zu versuchen
Grüße,
wolf