Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
BuschWein
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BuschWein »

Tjaja... eine Klassifizierung ist immer hilfreich, um mäßige Produkte zu hohen Preisen abzusetzen - so lange es genügend Leute gibt, die an die Klassifizierung glauben.
Das halte ich nicht für richtig, Klassifikationen funktionieren nur, wenn sie auch mit Qualität unterfüttert werden. Dann hilft eine Klassifikation aber die Weine gemeinsam zu vermarkten, was insbesondere für kleine und mittlere handwerklich erzeugende Winzer heute sehr wichtig ist.

Das ist ja auch das Problem der Klassifikation über die Prädikate, diese suggeriert eine Qualitätssteigerung von Kabinett zu Spätlese, sprich eine Spätlese aus Großlage wirkt auf den ersten Blick als wertiger als eine Kabinett aus Einzellage. Ob das sinnvoll ist?
Armin
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BuschWein
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von BuschWein »

Soweit die Theorie, Stephan! In der Praxis verhält es sich aber so, dass es kaum ein Anbaugebiet gibt, welches dem Endverbraucher fallenreicher und verwirrender entgegenkommt. Wozu hat das leicht verständliche System am Ende geführt? Zu entsprechender Transparenz?
Bernd, hast Du Dich wirklich schon mal mit Burgund beschäftigt? Die Vorurteile, dass das Burgund so hochpreisig und qualitativ schlecht sei halten sich ja genau so zäh, wie das Vorurteil, dass die süßen Möselchen alle grauenvoll seien, beides ist aber nicht richtig. Natürlich gibt es im Burgund Weine die ihren Preis nicht wert sind, aber wo auf der Welt gibt es die nicht? Richtig ist auch, dass es dort keine Schnäppchen gibt, die gibt es aber in keinem Gebiet der Welt, das seit vielen Jahrzehnten hochklassige Weine produziert und es gab auch im Burgund in den 70ern und 80ern Fehlentwicklungen, wo zu viel auf Technik, auch Agrarchemie gesetzt wurde, aber das ist doch lang vorbei. Wer sich mit Pinot Noir und Chardonnay beschäftigt kommt auch heute nicht am Burgund vorbei.

Und ja die Klassifikation im Burgund hat durchaus zu Transparenz geführt, was nicht heißt dass man blind einen Wein kaufen kann und der ist dann super.
Armin
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UlliB
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von UlliB »

BuschWein hat geschrieben:
Tjaja... eine Klassifizierung ist immer hilfreich, um mäßige Produkte zu hohen Preisen abzusetzen - so lange es genügend Leute gibt, die an die Klassifizierung glauben.
Das halte ich nicht für richtig, Klassifikationen funktionieren nur, wenn sie auch mit Qualität unterfüttert werden. Dann hilft eine Klassifikation aber die Weine gemeinsam zu vermarkten, was insbesondere für kleine und mittlere handwerklich erzeugende Winzer heute sehr wichtig ist.
Hallo Armin,

sowohl im Bordelais als auch im Burgund sind jahrzehntelang mittel- bis saumäßige Erzeuger auf der Klassifizierung "trittbrettgefahren" und haben für ihre Weine Preise bekommen, die sie ohne die Klassifizierung nie und nimmer hätten bekommen können. Alleine Im Médoc könnte ich Dir über ein Dutzend Namen nennen, die bis vor einigen Jahren durchweg nur grottiges Zeug in die Flasche gebracht haben, aber dennoch hohe Preise dafür gefordert und bezahlt bekommen haben. Ohne Klassifizierungsstatus ("grand cru classé en 1855") wäre das nie und nimmer möglich gewesen.

Dito mit etlichen "grand crus" im Burgund.

Eine Klassifizierung ist für die Erzeuger bares Geld wert - darum wird darüber so erbittert gestritten; in Frabkreich mkittlerweile durch sämtliche juristischen Instanzen.

Gruß
Ulli
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octopussy
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von octopussy »

Bernd Schulz hat geschrieben: Soweit die Theorie, Stephan! In der Praxis verhält es sich aber so, dass es kaum ein Anbaugebiet gibt, welches dem Endverbraucher fallenreicher und verwirrender entgegenkommt. Wozu hat das leicht verständliche System am Ende geführt? Zu entsprechender Transparenz?
Bernd, das sehe ich genauso wie Armin anders. Ich sehe im Burgund keine Fallen, in die man woanders nicht auch tappen kann. Wenn du einen Minervois AOC kaufst, kann es auch sein, dass du einen Wein bekommst, der gerade einmal Vin de Table Niveau hat. Das Bittere am Burgund ist nur, dass Fehlkäufe meist teurer zu Buche schlagen als z.B. bei Minervois :roll:.

Gleichwohl gilt: In keinem Anbaugebiet der Welt darf man sich nur auf die Klassifikation verlassen. Der Erzeuger ist überall mindestens genau so wichtig. Aber bei den guten Erzeugern schmeckt eben der Puligny-Montrachet 1er Cru Les Combettes anders als der Puligny-Montrachet 1er Cru Les Folatières und diese wieder anders als der Puligny-Montrachet Villages und als der Bâtard-Montrachet. Da geht es oft nur um Nuancen, und diese Nuancen sind manchen Leuten eben viel Geld wert. Bei den guten Erzeugern ist die Transparenz m.E. auf jeden Fall vorhanden. Natürlich bedarf es einer sehr intensiven Beschäftigung mit den zahlreichen Lagen und Erzeugern, um einigermaßen durchzusteigen. Aber auch das ist doch in jedem Anbaugebiet so.
Beste Grüße, Stephan
Bernd Schulz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Bernd Schulz »

Eine Klassifizierung ist für die Erzeuger bares Geld wert
So ist es. Und deshalb ist sie für die Erzeuger wichtig, für die Endkunden aber herzlich uninteressant und eventuell sogar nachteilig, da sie nie die realen qualitativen Verhältnisse widerspiegelt.

Armin, ich erlaube es mir, zum Thema Burgund den von dir besonders geschätzten Händlerkollegen Martin Kössler zu zitieren :mrgreen: :
...In Burgund ist man dem Winzer ausgeliefert, dem man in der Herkunft der preislich doch sehr unterschiedlichen Lagen vertrauen muß. Für die falsche Lage, den falschen Boden oder den falschen Klon wird nirgendwo sonst so viel Geld für so schwache Qualität verlangt, wie in Burgund; doch weil es kaum eine unkritischere Kundschaft gibt, als jene, die Burgund präferiert, funktioniert das Klassifikationssystem Burgunds bis in die heutige Zeit. Es gibt keine andere Weinbauregion der Welt, in der jedem Wein, der einen jubeln läßt, so viele andere gegenüber stehen, bei denen man sich an den Kopf langt und entsetzt nach der mißbrauchten Geldbörse greift.....
Beste Grüße

Bernd
Zuletzt geändert von Bernd Schulz am Do 19. Jan 2012, 17:52, insgesamt 1-mal geändert.
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sorgenbrecher
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von sorgenbrecher »

octopussy hat geschrieben:
Bernd Schulz hat geschrieben: Soweit die Theorie, Stephan! In der Praxis verhält es sich aber so, dass es kaum ein Anbaugebiet gibt, welches dem Endverbraucher fallenreicher und verwirrender entgegenkommt. Wozu hat das leicht verständliche System am Ende geführt? Zu entsprechender Transparenz?
Bernd, das sehe ich genauso wie Armin anders. Ich sehe im Burgund keine Fallen, in die man woanders nicht auch tappen kann. Wenn du einen Minervois AOC kaufst, kann es auch sein, dass du einen Wein bekommst, der gerade einmal Vin de Table Niveau hat. Das Bittere am Burgund ist nur, dass Fehlkäufe meist teurer zu Buche schlagen als z.B. bei Minervois :roll:.

Gleichwohl gilt: In keinem Anbaugebiet der Welt darf man sich nur auf die Klassifikation verlassen. Der Erzeuger ist überall mindestens genau so wichtig. Aber bei den guten Erzeugern schmeckt eben der Puligny-Montrachet 1er Cru Les Combettes anders als der Puligny-Montrachet 1er Cru Les Folatières und diese wieder anders als der Puligny-Montrachet Villages und als der Bâtard-Montrachet. Da geht es oft nur um Nuancen, und diese Nuancen sind manchen Leuten eben viel Geld wert. Bei den guten Erzeugern ist die Transparenz m.E. auf jeden Fall vorhanden. Natürlich bedarf es einer sehr intensiven Beschäftigung mit den zahlreichen Lagen und Erzeugern, um einigermaßen durchzusteigen. Aber auch das ist doch in jedem Anbaugebiet so.
volle zustimmung !
die grundsätzliche lagenklassifikation ist auch aus meiner sicht im burgund absolut vorbildhaft und für den verbraucher absolut transparent.
man darf nur die vielfalt der produzenten in den durch die erbfolge extrem zersplitterten parzellen nicht mit der lagenklassifikation als solches verwechseln !

ich bleibe dabei: burgund bietet ein durchaus transparentes und weitestgehend stimmiges bild der lagenqualität und am ende liegt es an einer (ja, fast unüberschaubaren) vielzahl von erzeugern daraus etwas zu machen........wie überall......
Gruß, Marko.
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octopussy
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von octopussy »

Bernd Schulz hat geschrieben:Armin, ich erlaube es mir, zum Thema Burgund einen von dir besonders geschätzten Händlerkollegen, nämlich Martin Kössler zu zitieren :mrgreen: :
...In Burgund ist man dem Winzer ausgeliefert, dem man in der Herkunft der preislich doch sehr unterschiedlichen Lagen vertrauen muß. Für die falsche Lage, den falschen Boden oder den falschen Klon wird nirgendwo sonst so viel Geld für so schwache Qualität verlangt, wie in Burgund; doch weil es kaum eine unkritischere Kundschaft gibt, als jene, die Burgund präferiert, funktioniert das Klassifikationssystem Burgunds bis in die heutige Zeit. Es gibt keine andere Weinbauregion der Welt, in der jedem Wein, der einen jubeln läßt, so viele andere gegenüber stehen, bei denen man sich an den Kopf langt und entsetzt nach der mißbrauchten Geldbörse greift.....
Diese schlaumeierische "Weisheit" von Herrn Kössler ist nun gar nichts wert. Außer nicht begründeten, ins Blaue hinein posaunten Weisheiten lese ich da nichts. Schön aber, dass Herr Kössler auch hier wieder seine Kunden beschimpft.

Lagenklassifizierungen beinhalten immer das Problem der Trittbrettfahrer. Eine intensive Beschäftigung mit einem Weinbaugebiet, seinen Lagen und seinen Erzeugern ist unerlässlich, will man Enttäuschungen auf ein Minimum beschränken. Das ist im Burgund so, das ist an der Mosel so, in der Pfalz, im Piemont, an der Rhône, you name it. Das Großartige an den klassifizierten Lagen ist, dass sie Vergleichbarkeit schaffen. Das ist mir 10.000 Mal lieber als irgendwelche australischen Weine mit Fantasiemarkennamen, bei denen die Herkunft egal ist.

Bernd, wie willst du denn das Problem in klassifizierten Systemen lösen, dass manche Erzeuger dem Gesamtprestige einer Lage nicht gerecht werden? Oder möchtest du Klassifikationen ganz abgeschafft sehen?
Beste Grüße, Stephan
Bernd Schulz
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von Bernd Schulz »

Oder möchtest du Klassifikationen ganz abgeschafft sehen?
Ich benötige sie in Deutschland jedenfalls nicht zu meinem Glück. Wichtig sind mir Winzer, die willens und fähig sind, lagentypische Weine auf die Flasche zu bringen. Und die finde ich außerhalb des Nobelverbandes ebenso wie im VDP.

Beste Grüße

Bernd
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UlliB
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von UlliB »

octopussy hat geschrieben: Der Erzeuger ist überall mindestens genau so wichtig.
Einspruch. Der Erzeuger ist für die Qualität des Weines in jedem Fall wichtiger als die Qualität der Lage, das ist überall so (auch im Burgund). Ein guter Erzeuger macht aus einer drittklassigen Lage bessere Weine als ein schlechter aus einer erstklassigen. Darum ist jede Form einer auch nur einigermaßen funktionierenden Erzeugerklassifikation für den Kosumenten um Längen wertvoller als eine Lagenklassifikation. Leider wird es nie mehr eine amtlich fixierte Erzeugerklassifikation geben, sie ist nicht durchzusetzen - siehe Frankreich.
Aber bei den guten Erzeugern schmeckt eben der Puligny-Montrachet 1er Cru Les Combettes anders als der Puligny-Montrachet 1er Cru Les Folatières und diese wieder anders als der Puligny-Montrachet Villages und als der Bâtard-Montrachet. Da geht es oft nur um Nuancen, und diese Nuancen sind manchen Leuten eben viel Geld wert. Bei den guten Erzeugern ist die Transparenz m.E. auf jeden Fall vorhanden.
Kannst Du die Lagen erkennen und richtig zuordnen? Falls die Antwort ja ist, biete ich Dir gerne ein Blindverkostung mit zehn oder zwölf Weinen Deiner Wahl an. Wenn Du bei mehr als einem Drittel der Weine richtig liegst, zahle ich die Probe - falls nicht, Du. 8-)

Lagencharakteristik ist etwas für absolute Spezialisten. Für alle anderen Leute ist sie völlig sekundär.

Gruß
Ulli
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octopussy
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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

Beitrag von octopussy »

UlliB hat geschrieben: Kannst Du die Lagen erkennen und richtig zuordnen? Falls die Antwort ja ist, biete ich Dir gerne ein Blindverkostung mit zehn oder zwölf Weinen Deiner Wahl an. Wenn Du bei mehr als einem Drittel der Weine richtig liegst, zahle ich die Probe - falls nicht, Du. 8-)

Lagencharakteristik ist etwas für absolute Spezialisten. Für alle anderen Leute ist sie völlig sekundär.
Die Blindverkostung machen wir am besten mit Lagenrieslingen aus Kinheim, jedenfalls nicht mit Pulignys. Die Wahrscheinlichkeit, dass ich die Probe zahlen muss, liegt bei 99% :mrgreen:. Was ich mit dem zitierten Beispiel sagen wollte, ist: Ist man beim Winzer und kriegt 5 Weine aus dem gleichen Jahrgang aus 5 verschiedenen Lagen, ist man eben doch meist erstaunt, wie unterschiedlich die Weine schmecken. Und das ist etwas wert.
Bernd Schulz hat geschrieben:Wichtig sind mir Winzer, die willens und fähig sind, lagentypische Weine auf die Flasche zu bringen.
Bernd, das setzt aber voraus, dass die Lagen klassifiziert sind, nicht zwingend als Erste Lagen oder als Grand Crus oder als Premier Crus, aber eben als Einzellagen. Und bei einer Klassifizierung als Einzellage hat man fast immer das Problem, dass einige Winzer der Lage Prestige verleihen und andere für nicht lagentypische Durchschnittsweine aus derselben Lage mehr Geld verlangen können, als es der Fall wäre, wenn der Wein von der weniger prestigereichen Lage in der Nähe stammt. Dem kann man nur entgehen, wenn man sich intensiv auch mit den einzelnen Erzeugern beschäftigt. Nur dann kann man feststellen, dass z.B. der Nicht-VDP-Winzer bessere Weine zu niedrigeren Preisen als der VDP-Nachbar erzeugt. Und da hast du dann an der Mosel das gleiche Problem wie im Burgund.
Beste Grüße, Stephan
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