
Eine etwas andere Nikolausgeschichte.
Das mit dem Nikolaus passt ja nicht mehr in unsere Zeit, ein Bischof eignet sich heutzutage überhaupt nicht als Symbol- oder Leitfigur, anchor person oder kurz anchor heißt das ja auch heute. Und ein anchor hat kein wallendes Gewand an und so einen komischen Kaffeekannenwärmer auf dem Kopf. Kaffeekannenwärmer sind ja auch absolut out of date, seit Jahrzehnten hat man Thermoskannen. Aus diesem Grunde sind auch diese reizenden Tropfenfänger in Vergessenheit geraten, die man mittels eines Gummis unter der Ausgussschnute einer Kaffeekanne befestigte, kleine quietschefarbene Schwämmchen verziert mit einem Plastikschmetterling.
Und, so wurde geunkt, als ein Häuflein aufrechter Weinnarren das Unternehmen weinforum2.0 anging, das habe heutzutage keine Zukunft, man solle es doch gleich bleiben lassen. Das Leben im Web spiele sich nicht mehr in Foren ab sondern in social media wie facebook oder g+, oder in Blogs, Foren seien altmodisch, die hätten was von C64 oder Tabellenkalkulation mit Lotus 1-2-3, außerdem sei sowieso schon alles gesagt und sogar von allen und das überdies schon mehrmals. Noch nicht mal mehr der Zoff zwischen Etikettentrinkern und Keinweinüberzehneuro-Verfechtern mache noch Spaß, tausendmal gehört.
Trotzdem, es war am Nikolaustag 2010, ging http://dasweinforum.de online und es lebt nicht nur, sondern es wächst, an Themen, an Mitgliedern und an Ideen. Und das wird auch ganz bestimmt noch eine Zeitlang so bleiben.
Das Format scheint also noch lange nicht tot, sondern findet weiterhin seine Liebhaber, die den etwas geordneteren Austausch schätzen, in den social media ist doch alles mehr oder weniger beliebig und oberflächlich, wer da ernsthaft und qualifiziert antwortet, muss sogar riskieren, als Spaßbremse ins Abseits gestellt zu werden. Und einen richtig spannenden Dialog im Blog das ist schwierig, wobei ich nicht sagen will unmöglich, einzelne Beispiel beweisen, dass auch das geht. It takes all kinds to make a world! Ich möchte keines der Formate missen, ein jedes hat für mich seinen Reiz und keines kann (und soll) das andere ersetzen.
Und so packe ich als Nikolaus dem Weinforum heute in seinen Geburtstagsstiefel
- eine große Portion Humor, mit dem sich alle Situationen meistern lassen
- einen Sack voller Ideen für Themen und Features (und mindestens drei Geralds, die das alles umsetzen)
- eine Menge neuer user, die neuen Themen einbringen und alte neu beleuchten
- eine kleine Prise kontroverser Ansichten, vehement und mit Herzblut vorgetragen und verteidigt, die sind das Salz in der Suppe einer jeden Diskussion. Wie das mit dem ewigen Luja und Jubilieren und der zuckersüßen Harmonie ist, das hat man ja beim Engel Alois gesehen, das Paradies wird auf die Dauer fad und süß und macht Zahnschmerzen (dachte sich auch Eva damals, aber die Geschichte mit dem Apfel führt jetzt zu weit).
- und nix unter der Gürtellinie
Und selbstverständlich kommt auch eine Flasche in den Stiefel, ein ganz besonderer Wein. Jahrelang habe ich übrigens geglaubt, der Heilige, der die Flasche ziere, sei der Heilige Nikolaus, aber das stimmt gar nicht, es ist der Heilige Urban, der Patron der Winzer.
2001 Riesling Smaragd Loibenberg
Weingut Emmerich Knoll, Wachau
Eigentlich sollte es an Nikolaus ja Süßigkeiten geben, aber hier haben wir einen trockenen Vertreter. Als ich ihn probiert habe (das war 2006 und es erschien mir viel zu früh für diesen komplexen Wein) faszinierte mich zunächst der sehr intensive mineralische Duft, dem sich mit zunehmender Sauerstoffaufnahme Aromen von exotischen Früchten wie Mango, Grapefruit und Limette hinzugesellten, auch eine leicht nussige Note vermeinte ich wahrzunehmen (im Heft steht hinter "Haselnuss" ein Fragezeichen). Am Gaumen zunächst sehr strenge kühle Eleganz, dann ein Bündel von Aromen, florale Note, Frucht, Mineral, dicht, sehr kraftvoller Körper, etwas adstringierendes Tannin, knapp langer sehr dichter komplexer Abgang. Ich vernute heute, fünf Jahre später präsentiert er sich noch viel schöner, kraftvoller und abgerundeter.
Der Wein ist vielleicht nicht im chemisch-analytischen Sinne perfekt, aber er strahlt eine Persönlichkeit aus, voller Eleganz und Schönheit. Wahre Schönheit zeigt sich eben nicht in der absoluten Erfüllung eines Ideals, es sind die kleinen Abweichungen und Unregelmäßigkeiten, die einen großen Charakter ausmachen.
Einen schönen Nikolaustag und -abend wünsche ich Euch
susa