Nach Südtirol gab es noch eine Woche Bodensee; ihr wisst schon familiäre Verpflichtungen, was allerdings durchaus eine angenehme Pflicht ist nicht nur wegen der Familie, auch wegen der wunderschönen Landschaft und den vielfältigen Möglichkeiten, seine Zeit angenehm zu verbringen. Und wenn dann noch das Wetter mitspielt, perfect days!
ABER, ich erwähnte es ja bereits an anderer Stelle. Mit den Bodenseeweinen stehe ich absolut auf Kriegsfuß. Meine Maxime ist ja eigentlich, vor Ort vorrangig den lokalen Wein zu trinken, vor allem in Verbindung mit der lokalen Küche. Das ist eine Kombination, die normalerweise immer stimmt und sich wunderbar ergänzt.
Und wie fein könnte ein zarter Riesling zu warm geräuchertem Felchenfilet mit Rote-Bete-Kartoffelsalätchen schmecken, oder ein Apfelkuchen aus frisch geernteten Bodenseeäpfeln, dazu könnte doch sicher eine kleine Auslese munden, oder ein Spätburgunder zum Wild mit Kraut. Tja, mir tut es das nur, wenn die Weine nicht vom Bodensee kommen, ich hab mich brav fast 10 Jahre lang redlich durchgetrunken mit heißem Bemühn und stehe nun da als armer Tor und bin frustriert wie kaum zuvor.
Deswegen hab ich dieses Jahr erst gar nicht mit dem Bemühen angefangen, sondern gleich ein Weingeschäft gesucht und mir was anderes gekauft. Das übrigens stellt sich auch gar nicht so einfach dar, nicht wenige Geschäfte sind ebenfalls in der Hand des übermächtigen Markgraf von Baden und bieten in erster Linie just dieses Sortiment rauf und runter, vom BodenseeSecco bis zum Schwarzrieslung, nur ergänzt um ein paar ausländische Weine aus der Kategorie "nothing to write home about!" Oder die Geschäfte stellen sich als Verkaufsstellen der Genossenschaften heraus, same procedure ….. Wäre ich boshaft, würde ich jetzt schreiben, dass es so ein Leichtes ist, die eigenen Weine dem Publikum als die Krone der Schöpfung zu präsentieren.
Irgendwann war unsere Suche doch noch von Erfolg gekrönt, bevor zu befürchten war, dass wir eine weinfreie Woche einlegen müssten (so was machen wir ja normalerweise NACH dem Urlaub

Und auf dem Heimweg von Überlingen bis nach Hause trifft es sich gut, dass ungefähr in der Mitte der Strecke die Pfalz liegt und das schöne Städtchen Deidesheim mit dem bekannten Deidesheimer Hof, in dem schon Helmut Kohl seine Staatsgäste mit Saumagen bewirtet hat. Frau Thatcher, so wird berichtet, war "not amused" und hat die Einnahme dieses köstlichen Gerichtes verweigert, auch Herr Gorbatschov habe eher gequält gewirkt, bei der Einnahme der Pfälzer Spezialität.
So ist denn auch die Vermutung nicht abwegig, dass gewisse außenpolitische Erfolge "des Dicken" wohl nach der Einnahme einer weiteren Flasche Pfälzer Rieslings und unter der Aussicht, anderenfalls eine weitere Portion Saumagen essen zu müssen, wenn man nicht zustimme, zustande gekommen sein mögen.
Uns muss man nicht zwingen, wir schauen nur in die Weinkarte, zum Essen bestellen wir traditionell den "Pfalzteller", Saumagen, wunderbar fluffige würzige Leberknödel, Bratwurst, Kartoffelpüree mit brauner Butter, nichts für Kalorienzähler, aber sau_gut.
Was die Weine angeht, dann können wir uns natürlich nur auf die offenen konzentrieren, eine halbe Flasche, das mag ja in Frankreich hier und da noch Usus sein, wenn man noch fahren muss, aber nicht hier und nicht bei uns. Das Angebot offener (lokaler) Weine ist nicht nur ausreichend, die Weine sind auch im Vergleich dazu, was man von anderen vor allem den so genannten "besseren" Restaurants so kennt, angenehm kalkuliert (so um den Faktor 2).
To make a long story short, Herr susa hatte sich entschieden für
2010 Gutsriesling QbA
Geheimer Rat von Bassermann-Jordan, Pfalz
der auf der Karte als "der Mineralische" aufgerufen wurde. Ich hatte (nur um einen weiteren Eindruck zu bekommen – ich weiß ja was ich meiner Chronistenpflicht schuldig bin

2010 Riesling Forster Stift QbA
Lucashof, Pfalz
der als "der Schlanke" bezeichnet wurde.
Der Bassermann-Jordan war nicht sehr ausgeprägt mineralisch und der Lucashof nicht wirklich schlank (eher fruchtig und mir einen Tick zu süß), aber ansonsten war der B-J ein wunderbarer Essensbegleiter, der Duft eher zurückhaltend kräuterwürzig mit etwas herben Zitrusnoten, am Gaumen durchaus Kraft, Kräuterwürze, angenehme Säure, ausgewogen, mineralisch, guter Abgang. Von so einem Wein kann man immer ein paar Flaschen im Haus haben, der steht seinen Mann neben kräftig gewürztem Essen, den kann man auch als Feierabendschoppen genießen und für die Sauce ist er auch noch zu gebrauchen – ein perfekter Allrounder!
Prost!