Thomas Günther hat geschrieben:
Das das Rheingau gesammt schlecht ist, dem habe ich wiedersprochen. Und das mit konkreten Beispielen. Silvaner habe ich auch komplett verkostet. Ebenso der Sigi. Von daher ist Online nicht so homogen. Die Zahl der angestllten GGs hab ich auch nicht genannt. Und die Organisation war tatsächlich sehr gut. Das kann man auch mal erwähnen.
Hallo Thomas,
danke für die Antwort. Ich möchte die Gelegenheit gerne zu einer Diskussion nutzen, was man von geschriebenen Artikeln, Berichten, Blogposts, etc. über Wein erwartet und erwarten darf.
Ich möchte den Anfang der Diskussion mit einer Unterscheidung zwischen bezahlten und nicht bezahlten Autoren machen. Von bezahlten Autoren (für Print oder Online) erwarte ich einen sehr hohen Qualitätsstandard, nämlich den Qualitätsstandard, den ich z.B. von besseren Tages- und Wochenzeitungen gewohnt bin (FAZ, Süddeutsche, ZEIT, um nur ein paar Beispiele zu nennen). Das umfasst grammatikalische und orthographische Korrektheit, eine Sprache, die sich nicht nur auf Sachlichkeit beschränkt, sondern auch eine gewisse Ästhetik im Satzbau und Aufbau zeigt, inhaltliche Richtigkeit, wenn es um Tatsachen geht, und (für mich der wichtigste Punkt) Inspiration über die reine Information hinaus. Wenn ich z.B. eine Filmkritik lese, dann erwarte ich von einem bezahlten Autor, dass er den Film stilistisch, historisch und in das aktuelle Zeitgeschehen einordnen kann und dass er Stilelemente mit denen aus anderen Filmen vergleichen kann. So etwas finde ich z.B. im Feuilleton der Süddeutschen Zeitung oder der ZEIT. In der TV-Movie finde ich das nicht, aber die hat auch einen anderen Anspruch. Ich finde es nicht schlimm, wenn eines oder mehrere dieser Kriterien einmal nicht erfüllt sind. So halte ich es für absolut zu entschuldigen, wenn mal ein Faktum verkehrt wiedergegeben ist, sich ein Rechtschreibfehler einschleicht oder die Sprache nicht ganz sitzt - das kann jedem passieren. Das inspirierende Element ist für mich das wichtigste.
Bei der Berichterstattung über Wein, ob nun in Print oder Online, vermisse ich jedoch oft (aber nicht immer) mindestens ein paar der oben genannten Kriterien. Oftmals schreibt jemand ästhetisch und stellt die Tatsachen richtig dar. Das inspirierende Element fehlt aber völlig. Es werden lediglich Eindrücke wiedergegeben. Es werden aber keine Schlüsse aus den Eindrücken gezogen. Auch die Einordnung der Eindrücke in einer weitergehenden Kontext vermisse ich zumeist. Als positives Beispiel für eine inspirierende, wenn auch manchmal etwas langwierige, Berichterstattung möchte ich David Schildknecht nennen.
Nun zum Thema der nicht bezahlten Autoren (z.B. Blogger): An diese kann man als Leser zunächst einmal gar keine Ansprüche stellen. Weder bezahlt man für die Lektüre, noch muss man sich Werbung ansehen. Ich finde aber, dass der qualitative Anspruch eines Bloggers an sich selbst letztlich mit Abstrichen der gleiche sein sollte wie der eines bezahlten Autors. Denn es werden Information öffentlich gemacht und es wird Aufmerksamkeit und auch eine Diskussion gesucht.
Interessanterweise zeigt das Beispiel der zeitnahen Berichterstattung über die Großen Gewächse 2010, dass die allermeisten Onliner das Niveau des Falstaff jedenfalls bislang übertreffen (vorbehaltlich der Print-Ausgabe, vielleicht kommt da noch etwas). Wie bereits gesagt bin ich aber über die Online-Berichterstattung trotzdem bislang nicht begeistert (Ausnahme: Sigi Hiss). Was mir tatsächlich fehlt, ist (neben einer teils verbesserungswürdigen Sprache und Orthographie) eine gewisse Horizonterweiterung. Vielmehr als die Frage, ob nun das Westhofener Brunnenhäuschen von Wittmann 92 oder 95 Punkte bekommt, interessiert mich die Frage, wohin stilistisch die Reise in den verschiedenen Anbaugebieten geht, wer aus dem Rahmen fällt, wer einzelne Lagen am besten herausgearbeitet hat, welchen gemeinsamen Nenner der Jahrgang in den verschiedenen Gebieten und Traubensorten hinterlassen hat und wer diesen gemeinsamen Nenner trifft/nicht trifft. Das findet man natürlich teilweise, auch in deinem Artikel. Gleichwohl würde ich mir einfach wünschen, dass über diese Fragen oberhalb der Detailebene noch etwas mehr berichtet würde.
Ich halte es für sehr wahrscheinlich, dass ich da zu hohe Ansprüche stelle. Äußern möchte ich sie trotzdem - das soll als konstruktive und vor allem in keinem Fall gegenüber irgendjemandem persönliche Kritik gemeint sein.