Normalerweise fürchte ich ja nichts mehr als geschenkte Weine, was hab ich da schon für'n #@&%''*#! geschenkt bekommen, soviel Essig und Weingelee kann kein Mensch brauchen. Aber bei Weingeschenken von Profis besteht ja Gottseidank keine Gefahr.
Kollege weinfex verehrte mir angelegentlich eine Flasche
2009 Erdrauch Silvaner
LandArt, Franken
Der Andreas hatte mir noch mit auf den Weg gegeben, dass ich den Wein bitte 2 Tage vor Genuss öffnen und doppelt dekantieren solle.
Herrn susa rutschte das Weintrinkerherz in die Hose, was wenn nach zwei Tagen der Wein nur noch Essig sei? Aber Bordeauxfexe vertrauen einander, Donnerstag sollte der Silvaner zum Spargel auf den Tisch, Dienstag abend wurde also die Flasche aufgeschraubt, der Inhalt in die Karaffe und wieder zurück in die Flasche gegeben, die Prozedur wurde Mittwochs wiederholt. Die Flasche wurde im Weinkühlschrank auf der 12°-Schiene stehend gelagert.
Mittwochs gab es den 2006er St. Peray VV von Tardieu und zu meiner begeisterten Beschreibung bemerkte der Andreas nur "…..wenn Du solche Weine wie den von TL für gut befindest, weiss ich die Antwort aber eigentlich schon, Du wirst entzückt sein……"
Es wurde Donnerstag, der Wein wurde etwa eine Stunde vor geplantem Trinkzeitpunkt in die Karaffe gegeben, als Gläser wurden Riedel Chardonnay für passend befunden und die Verkostung konnte ihren Lauf nehmen. Wer meint, passioniertes Weintrinken ließe Raum für spontane Aktionen, der irrt, ganz große Weine erfordern eine sorgsame Choreographie, sorgfältige Planung und Zeit; und das ist kein Voodoo, das muss so.
Herr susa verteilte eine erste kleine Menge in die Gläser, die noch beschlugen.
Ich stand in der Küche und schälte Spargel und Kartoffeln und hörte aus dem Wohnzimmer.
Herr susa: "Hmm hmm, ich weiß nicht, nach viel riecht der nicht."
susa: "Ja nu warte doch mal ab, der ist auch noch ein bisschen kalt, gibt ihm noch mal etwas Zeit."
Nach einer Viertelstunde:
Herr susa: "Ja ja, ganz nett….."
Ich roch auch mal kurz, ein zarter Duft nach exotischen Früchten vor allem Melone und etwas Mango traf auf meine Nase, der sich zusehends verdichtete und komplexer wurde.
susa: "Oh, der kommt aber, bekommt jetzt feine exotische Aromen, riech mal!"
Ich nahm einen Schluck, dicht, saftig, klar, zarte klare Frucht, etwas Gewürz.
Dann wurde meine Aufmerksamkeit von der Küche beansprucht, die Kaffeemaschine entlud ihren gesamten Wortschatz, Bohnen füllen, Kaffeesatz leeren, Wassertank leer, Filter wechseln – alles auf einmal (so was kommt grundsätzlich immer alles auf einmal und immer, wenn es gerade gar nicht passt), die zu schälenden Spargeln wollte kein Ende nehmen, die Kartoffeln mussten auch noch geschält werden, das Weinglas wanderte außer Reichweite.
Aus dem Wohnzimmer hörte ich noch
Herr susa: "Und der soll besser sein als der Tardieu? Nee, ich weiß es nicht, diese deutschen Weine….."
Ruhe, 3 Minuten später
Herr susa: "Hey, der wird ja richtig gut, riech noch mal dran, probier mal – die Nase Mango, Grapefruit, Pfirsich, Rauch…"
susa: "Und Melone, etwas Kräuter ….."
Herr susa: "Ja Du hast recht, trink noch mal, am Gaumen ganz große Klasse, kräftig. Doch ist schon was, aber ….."
Ich hatte schmutzige Finger, musste in den Keller neuen Kaffee holen, die Mittagsessenszeit rückte näher, mein Glas geriet weiter in Vergessenheit.
Herr susa: "So einen Wein bekommst Du nicht alle Tage, am Gaumen ein Gedicht, Schmelz, Eleganz, komplex, dicht, ein Wahnsinnsabgang, probier doch noch mal….."
susa: "Ja ja, später ….."
Herr susa: "Ein großer Wein, ein ganz großer Wein ….. jetzt kommt auch Mineral"
So, die Hauptschlacht in der Küche war geschlagen, ich genehmigte mir in aller Ruhe den nächsten Schluck, inzwischen hatte der Wein etwas mehr Temperatur zugelegt und ich war begeistert. Ob ich den Wein sofort als einen Silvaner ausgemacht hätte, da bin ich nicht sicher, was aber wohl eher daran liegt, dass noch nicht allzu viele Silvaner meinen Weg gekreuzt haben. Aber egal, der Wein war ein Ausbund an Kraft und Schönheit und die 14.5 vol% Alkohol taten sicher das Ihrige, um den schon fast wollüstigen Gesamteindruck zu verstärken.
Derweil aus dem Wohnzimmer
Herr susa: "Boaah, woooow, Wahnsinn ……"
kurze Zeit Ruhe
Herr susa: "Ich glaub's ja nicht, das ist vielleicht der beste deutsche Weißwein, den ich getrunken habe, in jedem Fall unter den ersten fünf" (so schnell reißt sich das Herz von Herrn susa nicht von Künstler und Kühn, seinen Rieslingsfavoriten los, Herr susa ist treu

Herr susa: "Sag dem weinfex, das ist ein ganz großer Wein, ein ganz großer Wein!"
susa: "Ich glaub, das muss ich ihm nicht sagen, das weiß er auch so!"
Herr susa: "Ich glaub es nicht, ein Monolith, wirklich!"
Das Essen geriet eher in den Hintergrund, nicht dass der Wein nicht gepasst hätte, insofern ist er schon ein echter Silvaner, zusammen mit Spargel geht immer. Aber ein solcher Wein konzentriert gleich alle Aufmerksamkeit auf sich, da wird alles andere nebensächlich. Insofern genießt man ihn besser als Solist und zum Meditieren, denn auch nach einigen Stunden in der Karaffe zeigen sich immer noch neue Aspekte.
Der Name, den ich im ersten Moment etwas wagnerianisch walkürenhaft fand, hat absolut seine Berechtigung, auch wenn diese klaren Fruchtaromen als erstes auffallen, das Einzigartige dieses Weines ist Erde, Rauch wie von einem guten Speck, Mineral.
Wirklich, ganz großes Kino und an dieser Stelle noch einmal ein ganz großes Dankeschön!
Prost!