Weedenborn

Ollie
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Re: Weedenborn

Beitrag von Ollie »

UlliB hat geschrieben: So 12. Okt 2025, 10:52 Was du da verglichen hast, ist ein 20er Sancerre mit dem 23er Weedenborn, was vielleicht nicht ganz fair ist. Der Weedenborn ist ja klar erkennbar noch ein Jungwein, entsprechend noch etwas unruhig und bestimmt noch nicht ganz entfaltet. Möglicherweise wäre es besser, in zwei oder drei Jahren zwei 23er miteinander zu vergleichen.
Da ich der Mittrinker™ war, meine Gedanke dazu, die ich auf dem weiten Weg nach Hause hatte: Ja, der 23er Weedenborn wird erst ab 2028 richtig einschätzbar sein, wenn sich alles etwas harmonisiert hat. Aber stilistisch bleibt der Weedenborn näher an der Steiermark als an der Loire (wenn auch verkopfter), und hier sind die Vorlieben halt, wie sie sind. - Ich selbst bin kein aktiver Sauvignon-Blanc-Trinker mehr, ich bin der Sorte vor knapp 20 Jahren etwas überdrüssig geworden, aber als ich noch trank, mochte ich mich lieber im französischen Teil des Spektrums aufhalten.

Extrem gutes Handwerk ist der 23er auf jeden Fall, und das Holzmanagement (Fassqualität und Einsatz) ist makellos, wirklich beeindruckend. Aromatisch hatte ich recht ausgeprägt pinke Grapefruit (das allererste Mal, daß ich nachvollziehen konnte, weshalb Scheurebe als SB-Äquivalent gehandelt wird!), viel Grün und ein Hauch frischen Kümmels, der mit der Grapefruit ein ganz leichtes Nachbittern am Gaumen erzeugte. Nicht unangenehm, aber etwas schräg. (Und nein, ich will nicht sagen, daß der Wein mäuselt.)

Allerdings fehlt mir Stoff am Gaumen, Fett, Körper, Substanz. Der Wein ist zwar nicht so richtig karg, aber reicher und voller würde ihm IMO besser stehen, denn die expressive Nase unterschreibt Schecks, die der Gaumen nicht einlösen kann. Das ist schon kurz vor fein. Ich sah den Wein bei 90-92, deswegen passt der Preis für mich schon so, wie er ist. Denn da ist noch Luft nach oben.

Die Grande Réserve (60% SB, 40% CH), leidet jahrgangsbedingt (ich bin auch so ein 2021-Kritiker) noch viel mehr unter dem fehlenden Stoff am Gaumen. Dazu kommt, daß der Chardonnay so schlank und neutral ausfällt, daß er völlig vom SB gebügelt wird. Ein stoffiger, gar öliger Silvaner (wie etwa aus dem Elsass) wäre der passendere (und "lokalere") Cuvée-Partner, zumal er auch eine Rundheit einbringen könnte, zu der zumindest dieser Chardonnay gar nicht fähig ist. (Mit so einer Ausprägung des Chardonnays würde ich persönlich auch eher auf Chablis als auf die Côte de Beaune zielen.)

Insofern halte ich die 21er Grande Réserve weniger gut als den SB und folglich für überteuert. Ich bin gespannt, ob du, Ulli, große Unterschiede beim 2022er finden wirst, denn da der Wein keine signifikant verschiedene Analysewerte aufweist, wäre ich nicht überrascht, wenn sich der Stil auch in diesem Jahrgang weiterzieht.

Fazit: Der SB funzt für mich nicht gut. Die reinen Chardonnays aber von Weedenborn werde ich mit Aufmerksamheit verfolgen. Solange Frau Roll ihre Weine nicht aldingerisiert oder verhubert, könnte hier eine interessante Interpretation des Chablis-Themas heranwachsen.

Vielen Dank für die Möglichkeit, diese Weine zu verkosten, amateur!

Cheers,
Ollie
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amateur des vins
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Re: Weedenborn

Beitrag von amateur des vins »

Ulli, Deinen paar Worten kann ich mich ziemlich vollumfänglich anschließen:

Natürlich sind 3 Jahre Unterschied bei einem so jungen Wein potentiell signifikant. Nur war das ein vollkommen spontaner Griff in's Regal, und immerhin habe ich extra den jüngsten Clos de Beaujeu gegriffen, den ich derzeit habe. :D Zudem hatte ich länger keinen, und es war ein willkommener Anlaß, meinen Geschmack zu überprüfen. Hat ja auch wunderbar geklappt. :mrgreen: Im übrigen finde ich die SB Réserve zwar jung, aber nicht disjunkt und stilistisch recht gut einzuordnen, besonders am zweiten Tag.

Als ich mich mit meinem Mittrinker über die Einordnung der SB Réserve unterhielten, sagte er spontan sinngemäß, Loire sei das aber nicht (i.S.v.: stilistisch ganz anders) und verwies auf eine gemeinsame Erfahrung mit Boulay. Da hatten wir aber noch keinen Boulay offen; war eh schon mehr als genug Wein an dem Abend. Ich war aber da schon der Meinung, daß man am ehesten Tement dazustellen könnte, und zwar kam mir als stilistischer Kompromiß zwischen Zieregg und Grassnitzberg der Sernau in den Sinn, der aber zugegebenermaßen inzwischen auch preislich angezogen hat; kennengelernt habe ich ihn noch für um die 35 €.

Die anderen Erzeuger, einschließlich Sattlerhof, sind nach meiner (wenig umfangreichen) Erfahrung stilistisch eher expressiver, gerade auch bzgl. der Pyrazinkomponente - etwas, das ich auch dem Grassnitzberg in den meisten Jahren zuschreiben würde.

Danke für den Hinweis auf den Morstein, das war mir nicht bekannt.

Bei der Grande Réserve habe ich auch kurz wegen des Jahrgangs gezuckt. Wie Du, sehe ich den Jahrgang sehr kritisch, vor allem im trockenen Bereich, und nur wenige Ausnahmen bestätigen die Regel und können überzeugen. Ein wenig entspannter ist das bei restsüßen, aber auch da hat man m.M.n. nicht automatisch etwas Großes im Glas, weil 2021 auf der Flasche steht, mal vorsichtig formuliert. Ich habe den einfachen Weg beschritten und alles von einem Händler bezogen, und der hatte (und hat) nur den 2021er gelistet.

Unter dem Strich hat diese Probenkiste für mich super funktioniert: Ich meine, ein klare Winzerinhandschrift zu erkennen, die Weine waren interessant und haben Spaß gemacht, und ich konnte sie in Relation zu meinem Platzhirschen setzen. Mission accomplished! Jetzt muß ich nur noch einen Tement aufmachen, solange die Erinnerung noch frisch ist. :ugeek:
Zuletzt geändert von amateur des vins am So 12. Okt 2025, 15:28, insgesamt 3-mal geändert.
Besten Gruß, Karsten
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Re: Weedenborn

Beitrag von amateur des vins »

X-Post @Ollie.
Danke, Daß Du Deine Eindrück auch hier postest!

Ich hatte mich auf diese Weine beschränkt, weil ich nur 6 wollte, weil dem Weingut SB als Kernkompetenz nachgesagt wird, und weil ich ein Sucker für guten WB bin. (Allerdings noch mehr für guten GB, aber von dem gibt's "nur" Basis.)

Dein Hinweis auf den Chardonnay als mögliches Chablis-Surrogat ist ein guter! Allerdings hängt für mich die Latte recht hoch, seit ich Weine von Louis Michel kennenlernte, und Holz setzt Frau Roll ja ein. Wenn es allerdings so dezent und exquisit wie bei der SB Réserve sein sollte, wäre das kein Hinderungsgrund.
Besten Gruß, Karsten
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Re: Weedenborn

Beitrag von amateur des vins »

Nur ganz kurz soviel:
Wie's der Deibel so wollte, hatte ich gerade einen 2020 Grassnitzberg Riff in der Kühlung und gleich mal entstöpselt...
Nase straff und kalkig, mittellaute Pyrazine aus der Stachelbeerfraktion.
Am Gaumen erst durchaus Volumen, und gleich darauf haut die Mördersäure dazwischen: ziemlich monothematisch Zitrone.

Nach meiner Erinnerung ist das zwar ein recht extremer Grassnitzberg, und nicht der beste. Aber jedenfalls dieser kann dem Weedenborn nicht ansatzweise das Wasser reichen, weder in puncto Harmonie noch in puncto Komplexität.

/offtopic
Besten Gruß, Karsten
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Re: Weedenborn

Beitrag von EThC »

amateur des vins hat geschrieben: So 12. Okt 2025, 20:34 2020 Grassnitzberg Riff
Tement :?:
Viele Grüße
Erich

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Re: Weedenborn

Beitrag von amateur des vins »

EThC hat geschrieben: So 12. Okt 2025, 21:02
amateur des vins hat geschrieben: So 12. Okt 2025, 20:34 2020 Grassnitzberg Riff
Tement :?:
What else? :P
Besten Gruß, Karsten
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Re: Weedenborn

Beitrag von EThC »

...keine Ahnung! Sind immerhin 6,2 ha, da ist es nicht selbstverständlich, daß das eine Monopolriede ist...
Viele Grüße
Erich

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Re: Weedenborn

Beitrag von amateur des vins »

EThC hat geschrieben: So 12. Okt 2025, 21:46 ...keine Ahnung! Sind immerhin 6,2 ha, da ist es nicht selbstverständlich, daß das eine Monopolriede ist...
Ist es nicht. The "Riff" does the trick. ;)
Besten Gruß, Karsten
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Re: Weedenborn

Beitrag von EThC »

...es gibt verschiedene Graßnitzberge und die Riede mit "Riff" am Ende ist eben 6,2 ha groß. Und wenn nicht Monopol, kann's ja auch jemand anders verwenden...
https://riedenkarten.at/204150/grassnitzberg-riff
Viele Grüße
Erich

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Re: Weedenborn

Beitrag von amateur des vins »

Ich finde keinen anderen Winzer, der diese Bezeichnung verwendet, und ChatGPT beantwortet die Frage nach Monopollage affirmativ. Ist natürlich nur Indiz, kein Beweis.
Besten Gruß, Karsten
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