gestern hatte ich mal wieder die Gelegenheit, beim hiesigen Weinhändler (Rotweissrose) an einer hochklassigen Piemont-Weinprobe mit gereiften Exemplaren teilzunehmen. Der Inhaber Sebastian Schütz scheint das Glück gepachtet zu haben: sämtliche 11 Weine präsentierten sich in bester Verfassung und der "Korkteufel" blieb außen vor.
Aufgrund der Tatsache, dass der Abend ausschließlich kräftige Rotweine versprach, wurde als Erfrischungs-Aperitif folgender Schaumwein gereicht:
2018er Saarburger Rausch Riesling Brut Nature (Zilliken)
gelungener Sortenvertreter mit mehrjähriger Hefelagerung, der sehr schön die Mitte zwischen feiner Frucht und hefiger Cremigkeit findet.Leider nicht ganz billig (33 EURO).
Doch dann ging es auch schon in die Vollen:
1990er Bricco dell' Uccellone (Braida di Giacomo Bologna)
Von der Papierform war ich doch etwas skeptisch. Ein 35 Jahre alter Barbera, der noch einen gewissen Trinkspass vermitteln soll ? Da hatte ich mich aber gewaltig geirrt. Sehr feine, durchaus lebendige und sogar komplexe Nase mit saftiger Kirschfrucht, würzigem Tabak, auch am Gaumen sehr saftig und noch voller Leben, sehr feinkörniger Gerbstoff, kein "fettes Teil", aber gerade soviel Fleisch wie notwendig, die zarte Säure marmoriert gekonnt und führt zu einem erstaunlich langem Abgang. Hat mit den heutigen, alkoholmächtigeren "Briccos" nicht mehr viel gemein. So macht Barbera auf wirklich hohem Niveau viel Spass.
Als Übergang zu den folgenden reinsortigen Nebbiolos wurde noch ein "Hybrid" aus Nebbiolo und Barbera eingestreut:
1997er "Arte" (Domenico Clerico)
hier wird es sehr geschliffen a la Clerico: zarte Kirschfrucht, ein Hauch Walderdbeere und Blaubeere, dezente Ätherik, kräutrig, etwas Tabak und Leder, von der Nase her schon ein wenig Bordeaux-Style,am Gaumen dann doch Nebbiolo-betont, Kirsche, ultrafeines Tannin, zarte Säure, etwas Extraktsüsse, wunderbar ausgeglichen und in bester Verfassung. Gute Länge. Ein geschliffener, moderner Piemonteser, der aber seine Ursprünge nicht verleugnet.
Ab jetzt gab es nur noch Nebbiolo pur:
1995er "Arborina" Langhe Rosso (Elio Altare)
schon die Nase verspricht Finesse und Eleganz, völlig in sich ruhend, spinnwebenzartes Tannin, passende Säure, elegante Dunkelfrucht, feine Sucrosite,Tabak, zartes Holz, selbstverständliche Länge. Ein Barolo, der bestimmt auch jedem Bordeaux-Freak schmecken dürfte. Fast zu elegant für einen Nebbiolo

1997er Barbaresco Starderi (La Spinetta)
der Wein mit dem imposanten Rhinozeros-Etikett ! Nasal hatte ich zunächst aufgrund der zarten Liebstöckelnoten den Eindruck, dass der Wein schon über dem Punkt ist. Nach ein paar Minuten und kräftigem Schwenken des Glases verschwanden aber diese Reifenoten und der Wein blühte immer mehr auf, deutliche, aber nicht plakative Rotfrucht, Hauch Holz, wirkt schon in der Nase sehr kraftvoll, am Gaumen intakte Dunkelfrucht, kraftvoller Körper, enorme Extraktsüsse, viel Glyzerin, aber dank frischer Säure alles in der Spur, beeindruckende Länge. Für Liebhaber kraftvoller Nebbiolos eine echte Versuchung, zumal der Wein nicht zu den extrem teuren Piemontesern zählt.
Dann gab es hintereinander 2 hochwertige Barbarescos mit deutlich unterschiedlicher Stilistik:
1988er Barbaresco (Angelo Gaja)
schon in der Nase absolut zeitlos und voll auf der Höhe: sehr elegant schon in der Nase, fast wie gemeisselt, passender Mix aus feiner Kirschfrucht mit einem Hauch Zwetschge sowie nicht vordergründigem Holz, das Tabak und Ätherik beisteuert, ultrafeines Tannin, saftige Säure, perfekt gereift, ausgezeichnete Länge. Ein sehr hochwertiger "Weltwein", den man wahrscheinlich aus Dutzenden Barbarescos herausschmecken kann. Hat sogar noch Reifepotential ! Beeindruckend auch der "Monster-Kork" mit satten 6,5 cm Länge!!
1988er Barbaresco Gallina di Neive (Bruno Giacosa)
völlig anderer Stil als Gaja, aber sicherlich genauso beeindruckend: typische Kirschfrucht mit etwas Erdbeere, zart nussig, Jostabeere, etwas Piment, sehr komplex, extraktsüss, zarte Säure, tolle Länge. Hat die Eleganz des Gaia, aber auch aufgrund des etwas gröberen Tannins die größere Barbaresco-Typizität. Reine Geschmackssache, welchem Wein man den Vorzug gibt. Beide Weine haben große Klasse und eine perfekte Flaschenreife. Großes Kino!
Die noch fehlenden 5 Weine, darunter der nach aller Meinung Wein des Abends, folgen in Kürze !
LG
Bodo