Burgunder in Westflandern

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Ostbelgier
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Re: Burgunder in Westflandern

Beitrag von Ostbelgier »

Letztes Wochenende kam Ralf Gundlach uns wieder besuchen. Er hatte wieder einige schöne, und zwei aussergewöhnliche Weine im Gepäck. Für diese Grosszügigkeit möchten wir nochmal besonders herzlich danken. Wir haben einige schöne Sachen entdeckt, die Weine wurden über 2 Tage in dieser Reihenfolge getrunken.

1 Domaine du Vieux Chateau: Chablis Premier Cru Cote de Lechet 2008 0,375l. Premier Cru- Apfelmost, aber eben leider Apfelmost. Schade.
2 Domaine Kattalin: Irouleguy blanc 2021 (Baskenland, Pirat). Gros und Petit Manseng plus zwei einheimische Sorten. Duft nach Grapefruit und etwas Lakritz. Feine Balance zwischen Kraft (14%) und Finesse. Tolle Länge, sehr gut zu Fisch oder Muscheln.
3 Clotilde Davenne: Saint Bris Vielles Vignes 2015. Erstaunlich. Über 90jährige Reben. Kräftiges Aroma, u.a. Stachelbeeren, tolle Länge. Super zu Muscheln.
4 Dom. Jacqueson: Bouzeron les Corderes 2022. Noch zu jung. Verschlossene Nase, mit Luft kommen die typischen Bouzeron-Noten, frische Haselnüsse zum Vorschein. Kraftvoll, toller Nachhall, Zukunft.
5 Dom. Seguin: Chambolle Musigny -Derriere le four- 2020. Sehr tiefe Farbe, überwältigender Duft, dunkle Früchte, Tabak. Am Gaumen überextrahiert und fast likörig. Es scheint, als habe der Winzer hier zuviel gewollt. Schwierig.
6 Guillaume-Clerc: Beaune 1er Cru Clos de Coucherias 2020. Frischer Kirschduft, wirkt liebenswürdig und frisch. Lebendige Säure, noch etwas jung. Schöne Länge.
7 Cachat-Qcquidant: Corton Clos des Vergennes Grand Cru 2017. Wundervoller, dezent angereifter Kirschduft. Lebendig am Gaumen, grosse mineralische Tiefe. Kein bisschen alkoholisch, raffiniert und mit einer enormen Länge ausgestattet.
8 Albert Bichot: Morgon 1953. Völlig zerbröselter Originalkorken. Grässliche Nase. Erstaunlicherweise noch trinkbar, aber kein echter Genuss mehr.
9 Prunier: Auxey Duresses -Cuvee d Antan 2022. Kräftige Farbe. Brombeeren, Kirschen, Waldboden. Sehr feines Tannin. Nicht aufdringlich, eigenständiger, schöner Essensbegleiter. Schöne Länge.
10 Forey: Nuits Saint Georges 1er Cru les Saint Georges 2015. Die Nummer 1 Lage in NSG. Noch recht junge Farbe, spannende Nase mit deutlichen Bodennoten. Dann geht die Post ab, der erste Schluck kleidet den ganzen Gaumen aus. Hier ist ein ganzes Aromenspektrum am Werk. Das spektakulärste jedoch ist die sagenhafte Länge, die ich so noch bei keinem Wein vorgefunden habe. Ganz grosses Kino !

Viele Grüsse

Markus
amateur des vins
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Re: Burgunder in Westflandern

Beitrag von amateur des vins »

Danke Markus - und Ralf, der immer wieder die Vielfalt zelebriert.

Wenn Du "Apfelmost" schreibst, ist Dir das dann einfach zu "naturig", oder war der Wein (anders :twisted:) fehlerhaft?
Und welches waren die zwei außergewöhnlichen Weine, und waren sie außergewöhnlich gut oder außergewöhnlich schräg?
Besten Gruß, Karsten
Ostbelgier
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Re: Burgunder in Westflandern

Beitrag von Ostbelgier »

Hallo Karsten,

nein, ich meinte nicht zu naturig. Der Wein war einfach hinüber, zu alt. Womöglich lag das am kleinen Flaschenformat.
Aussergewöhnlich gut waren zum ersten der Corton 2017 mit seiner immensen Mineralik. Aber vor allem der Les Saint Georges, der ja als potentieller Grand Cru gehandelt wird, hat mich umgehauen. In meiner langen Weintrinkerkarriere hatte ich noch niemals einen Wein mit solch einem Nachhall, der blieb viele Minuten präsent. Ich punkte ja schon lange nicht mehr, aber müsste ich, würde ich hier ohne Zögern eine 95 zücken.

Viele Grüße

Markus
amateur des vins
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Re: Burgunder in Westflandern

Beitrag von amateur des vins »

Danke, Markus!

Zu alt, also vmtl. oxidiert. Das bringe ich i.d.R. nicht mit "Apfelmost" in Verbindung, deshalb die Nachfrage.

I.S.v. "außergewöhnlich gut" war der Forey offensichtlich, durchaus erwartungsgemäß. Der Cachat-Ocquidant (nie gehört!) wäre mein zweiter Tip gewesen, aber das las sich für mich nicht so eindeutig.
Besten Gruß, Karsten
Nora
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Re: Burgunder in Westflandern

Beitrag von Nora »

amateur des vins hat geschrieben: Mi 8. Okt 2025, 19:11 I.S.v. "außergewöhnlich gut" war der Forey offensichtlich, durchaus erwartungsgemäß.
Karsten, hast du Erfahrungen mit dem Wein? Mich würde insbesondere auch die Lagerfähigkeit interessieren.

VG Nora
bordeauxlover
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Re: Burgunder in Westflandern

Beitrag von bordeauxlover »

Hallo Nora,

ich bin zwar nicht Karsten und habe noch nicht einmal Erfahrung mit der Lagerfähigkeit dieses speziellen Weins. Mit Einschätzungen von Ralf und dem Ostbelgier mit Burgundern habe ich aber nur tolle Erfahrungen gemacht und schon einige wunderbare Entdeckungen. Ich habe mir von dem Les Saint Georges 2015 daher einmal 3 Flaschen bestellt - objektiv nicht billig, bei den aktuellen Preisen für ein 1er Cru aus Burgund aber quasi ein Schnäppchen. Ich gehe von einer Lagerfähigkeit von mindestens weiteren 10, eher weiteren 20 Jahren aus. Wie komme ich darauf? Ich habe vorletzten Sonntag in Köln an einer Lagenhorizontale 2013 und einer Vertikale der 1er Cru-Lage Les Perrières von Robert Chevillon teilgenommen - war meine Erstbegegnung mit dem Weingut. Der Les Saint Georges 2013 war übereinstimmend die Spitze der Verkostung (von mir 95 P., von allen 12 TN 94-95 P.). War noch frisch wie der junge Tag. Kostet heute aber in aktuellen Jahrgängen um die 200 € - bin ich persönlich nicht bereit zu zahlen. Aber selbst den einfachen Bourgogne rouge aus 2013 fand ich noch top, andere fanden ihn leicht jenseits des Zenits. Und 2015 soll wohl ein sehr guter Jahrgang für roten Burgunder sein. Ansonsten: Für alles über 20 Jahre Lagerfähigkeit bin ich definitiv zu alt.

Schöne Grüße
Armin
Nora
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Re: Burgunder in Westflandern

Beitrag von Nora »

Vielen Dank, Armin! Das hilft schon mal sehr weiter. Hintergrund meiner Frage war, dass ich zwei Flaschen im Keller habe, zwar ein anderer Jahrgang, aber mich treibt natürlich grundsätzlich die Frage um, wann man so etwas am besten trinkt.

VG Nora
Ralf Gundlach
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Re: Burgunder in Westflandern

Beitrag von Ralf Gundlach »

Ostbelgier hat geschrieben: Mi 8. Okt 2025, 15:38 Letztes Wochenende kam Ralf Gundlach uns wieder besuchen. Er hatte wieder einige schöne, und zwei aussergewöhnliche Weine im Gepäck. Für diese Grosszügigkeit möchten wir nochmal besonders herzlich danken. Wir haben einige schöne Sachen entdeckt, die Weine wurden über 2 Tage in dieser Reihenfolge getrunken.

1 Domaine du Vieux Chateau: Chablis Premier Cru Cote de Lechet 2008 0,375l. Premier Cru- Apfelmost, aber eben leider Apfelmost. Schade.
2 Domaine Kattalin: Irouleguy blanc 2021 (Baskenland, Pirat). Gros und Petit Manseng plus zwei einheimische Sorten. Duft nach Grapefruit und etwas Lakritz. Feine Balance zwischen Kraft (14%) und Finesse. Tolle Länge, sehr gut zu Fisch oder Muscheln.
3 Clotilde Davenne: Saint Bris Vielles Vignes 2015. Erstaunlich. Über 90jährige Reben. Kräftiges Aroma, u.a. Stachelbeeren, tolle Länge. Super zu Muscheln.
4 Dom. Jacqueson: Bouzeron les Corderes 2022. Noch zu jung. Verschlossene Nase, mit Luft kommen die typischen Bouzeron-Noten, frische Haselnüsse zum Vorschein. Kraftvoll, toller Nachhall, Zukunft.
5 Dom. Seguin: Chambolle Musigny -Derriere le four- 2020. Sehr tiefe Farbe, überwältigender Duft, dunkle Früchte, Tabak. Am Gaumen überextrahiert und fast likörig. Es scheint, als habe der Winzer hier zuviel gewollt. Schwierig.
6 Guillaume-Clerc: Beaune 1er Cru Clos de Coucherias 2020. Frischer Kirschduft, wirkt liebenswürdig und frisch. Lebendige Säure, noch etwas jung. Schöne Länge.
7 Cachat-Qcquidant: Corton Clos des Vergennes Grand Cru 2017. Wundervoller, dezent angereifter Kirschduft. Lebendig am Gaumen, grosse mineralische Tiefe. Kein bisschen alkoholisch, raffiniert und mit einer enormen Länge ausgestattet.
8 Albert Bichot: Morgon 1953. Völlig zerbröselter Originalkorken. Grässliche Nase. Erstaunlicherweise noch trinkbar, aber kein echter Genuss mehr.
9 Prunier: Auxey Duresses -Cuvee d Antan 2022. Kräftige Farbe. Brombeeren, Kirschen, Waldboden. Sehr feines Tannin. Nicht aufdringlich, eigenständiger, schöner Essensbegleiter. Schöne Länge.
10 Forey: Nuits Saint Georges 1er Cru les Saint Georges 2015. Die Nummer 1 Lage in NSG. Noch recht junge Farbe, spannende Nase mit deutlichen Bodennoten. Dann geht die Post ab, der erste Schluck kleidet den ganzen Gaumen aus. Hier ist ein ganzes Aromenspektrum am Werk. Das spektakulärste jedoch ist die sagenhafte Länge, die ich so noch bei keinem Wein vorgefunden habe. Ganz grosses Kino !

Viele Grüsse

Markus
Hallo Markus,

erst einmal vielen Dank für die Gastfreundschaft und dass du dir ausführliche Notizen gemacht hast. Ich war zu faul dazu. Ich finde auch, dass wir abseits der beiden „Highlights“ sehr spannende Weine getrunken haben, abgesehen von dem Chablis ( da frage ich mich, warum Kierdorf den noch für knapp 20 Euro verkauft) und dem, leider, Chambolle Musigny von Seguin. Ich fand z.B. den Irouleguy äußerst spannend. Der Forey war natürlich nicht nur preislich etwas besonderes. Ein großer Wein.

Gruß

Ralf
Ostbelgier
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Re: Burgunder in Westflandern

Beitrag von Ostbelgier »

Hallo zusammen,

-Ralf: gern geschehen. Ohne Dich wäre diese Probe nicht möglich gewesen.

-Nora und Armin: Zum Les Saint Georges. Das sind Reben von 1933. Der Wein kam meiner Meinung nach in die erste schöne Trinkphase und wird sicher weitere 10 Jahre auf gutem Niveau halten. Der Zauber dieses Weines liegt für mich in seiner aromatischen Üppigkeit, gepaart mit Eleganz.

Viele Grüße

Markus
Nora
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Re: Burgunder in Westflandern

Beitrag von Nora »

Vielen Dank, Ralf und Markus für eure Eindrücke!
Ostbelgier hat geschrieben: Do 9. Okt 2025, 09:02 -Nora und Armin: Zum Les Saint Georges. Das sind Reben von 1933. Der Wein kam meiner Meinung nach in die erste schöne Trinkphase und wird sicher weitere 10 Jahre auf gutem Niveau halten. Der Zauber dieses Weines liegt für mich in seiner aromatischen Üppigkeit, gepaart mit Eleganz.

Viele Grüße

Markus
Markus, das passt ja dann sehr gut zu den Ausführungen von Armin. Auch dafür danke!

VG Nora
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