Weingart

Ollie
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Re: Weingart

Beitrag von Ollie »

Nach meiner ersten Begegnung mit Weingart habe ich doch noch mal nachgehakt, mit gemischten Resultaten.

2023 Bopparder Hamm Riesling Auslese
RZ 115,9,4g/l, GS 8,5g/l, Alk. 8%
(alle Daten inkl. Tippfehler laut Webseite)
Dieser Wein ließ mich etwas ratlos zurück. Einerseits ziemlich heftige Süße, die die sehr milde Säure vor sich hertreibt, statt daß die Säure umgekehrt den Zucker in Schach hielte. Kräftige Botrytisnote - Auslese galore! Aromatisch aber ist das eine Spätlese, zu unexotisch bleibt die Frucht. Immerhin, für eine sehr schöne Tarte Tatin reicht's, aber... hmmm... nee, nicht das, was ich bei einer derart großkalibrigen Auslese erwarte. Anderseits nicht die einzige Auslese des Jahrgangs, deren Traubenmaterial irgendwie zu schnell gereift wirkte. 88?

Viel schöner dagegen die

2023 Bacharacher Mathias Weingarten Riesling Spätlese
RZ 101,4g/l, GS 8,6g/l, Alk.8%

In der wundervollen Nase "all things orange": Blüte, Öl, Bitterorangenmarmelade mit kandierter Orangenschale, feine Botrytis, ein Suppsong Rauch, schöne (Schiefer?)Würze. Mit Luft (und Einbildung) kommt eine sehr reife, leicht kandierte Ananas hervor, und auch wenn's nicht tropischer wird: kein Apfel, Hurrah! Am Gaumen ist die sehr aromatische Frucht sehr weich, die Säure sogar enorm weich, das scheint Weingarts Ding zu sein. Mit der Zeit mogelt sich wieder eine leichte Blumigkeit dazwischen. Sehr hohe Süße, deutlich keine Spätlese mehr, das ist schon ganz klar Auslesequalität, allerdings trotz Botrytis völlig ohne Cremigkeit, eher ist das Bienenwachs "hart". Im ordentlichen Abgang wirkt die Botrytis etwas trocknend, was dem Wein eine willkommene und sehr angenehme Unsüße verleiht. Ein sehr hübscher Wein, dem vielleicht etwas dramatischere Säure gut gestanden hätte, aber so will es offenbar der Winzer. Allein das letzte Quäntchen Komplexität fehlt mir für höhere Weihen, aber vielleicht kommt nach ein paar Jahre Reife noch was. Bislang mein schönster Weingart. Für EUR 16.60 fair bepreist. Wegen der geringen Komplexität eher 90, was mir sagt, daß ich die beiden Weine der letzten Verkostung um zwei Punkte zu hoch bewertet hatte. Aber: Wer die 2023er Spätlesen von Carl Ehrhard von umme Ecke mag (auch sehr süß ausgefallen dieses Jahr), sollte auch hier glücklich werden. Diam-10-Korken, im Gegensatz zu Ehrhards (arg kurzem) Naturkorken.

Der Mathias Weingarten wird von der Besitzerfamilie nach Vorgaben von Weingart bewirtschaftet. Offenbar eine kühlere Lage, insofern wundert mich das außerordentliche Resultat nicht im geringsten. Das weckt Interesse an der trockenen und (Fans des alten Heymann-Löwenstein-Stils aufgepasst!) halbtrockenen Interpretation dieses Weinbergs.

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Ollie
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Re: Weingart

Beitrag von Ollie »

2020 Spay In der Zech Spätburgunder Rotwein Qualitätswein trocken
RZ 0,3g/l, GS 5,6g/l, Alk.14,0%

Sehr dunkel für einen Spätburgunder. Unverschämt klassisch-deutsche, dabei sehr intensive und komplexe Nase nach Kirsche, Walderdbeerensirup, Cassislikör und roter Pflaume, sehr ausgeprägtes, dunkles, aber sehr gutes (und absolut unfranzösisches) Holz, anfangs schwelender, dann abgelöschter Hozscheit eines Lagerfeuers (Lagavulin?!), am Ende dann ganz zart der Räucherspeck. Sehr beeindruckend und animierend, deutlich der klassische Typus der "Auslese trocken" mit leichter Wärme (früher sagte man "Feuer" dazu), und eben überhaupt nicht der angepriesene "burgundschische Stil": Der Wein könnte problemlos als Assmannshäuser durchgehen. Am Gaumen dann die Ernüchterung: sehr schlanker Körper, was es etwas schwierig macht, die recht frische Säure und den doch recht deutlichen Alkohol voll einzubinden. Er wärmt und wirkt bisweilen sogar etwas stechend-scharf. Von der tollen Fruchtkomplexität der Nase bleibt nicht viel übrig; allenfalls "überreife Erdbeere mit Druckstellen" mag sich noch aus dem dunklen Aromateppich herauswagen, der in den ordentlichen Abgang trägt.
Ach, es ist ein Kreuz mit dem Wein. Einerseits ist die Nase wirklich betörend, andererseits stellt sie Schecks aus, die der Gaumen platzen lässt. (Hatten wir das nicht neulich schon?) Ich sehe den Wein also nicht ganz so euphorische wie Gaston weiter oben, aber wer will für einen Zwanni und ein paar Groschen schon schimpfen? 87 (Nase 90++).


2023 Bacharacher Mathias Weingarten Riesling Spätlese feinherb
RZ 23,4g/l, GS 8,4g/l, Alk. 13%
Nun als der Heymann-Löwenstein-Ersatz. Und was soll ich sagen außer: ja, aber auch nein. Goldgelb im Glas, tiefe, dunkle Nase mit sauberer, aber sehr ausgeprägter, weihrauchiger Botrytis, so sehr, daß die Frucht fast keinen Stich macht (erinnert mich ein wenig an die hochprozentigen Müllen-Auslese von 2020). Am Gaumen satte, gelbe, reife, cremige Frucht (Mangosmoothie), sehr gut passende Säure und eine Süße, die die leichte Bitterkeit der deutlich vorhandenen Botrytis im ordentlichen Abgang sehr gut einfängt - ganz klassischer Bau einer Rheingauer Auslese (mit 15 Gramm mehr RZ und entsprechend weniger Alkohol wäre der Wein IMO eine instantane Legende geworden). H-Ls Weine waren aromatisch komplexer und etwas weiter gefächert, der hier ist kompakter und dichter, noch(?) etwas im Würgegriff der Botrytis, aber auf seine eigene Art wunderbares Handwerk - und Mathis Weingarten wiederum der Knaller des Jahrgangs bei Weingart. Perfekte Begleitung zu einem Knoblauchhuhn. Diam-10-Korken und die gespannte Neugier, wie sich der Wein über die Jahre entwickelt. Bravo. 90+.

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UlliB
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Re: Weingart

Beitrag von UlliB »

Bopparder Hamm Ohlenberg Riesling Kabinett 2017 (Weingart) 8,5%Vol. Mittleres Gelb. Obwohl die Farbe für das Alter völlig intakt ist, gibt es im Gaumen einen deutlichen Alterungston, der fast schon an Firne erinnert und mich sehr stört. Ansonsten für einen Kabinett recht kräftig, ziemlich süß, aber auch mit ordentlich Säure. Wird jung einigen Spaß gemacht haben, ist aber schlecht gereift und jetzt zumindest für meinen Geschmack deutlich zu alt.

Gruß
Ulli
Bernd Schulz
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Re: Weingart

Beitrag von Bernd Schulz »

Ein 12er Paket von Weingart ist für mich Jahr für Jahr ein absolutes Muss. Heute kam die Lieferung mit größtenteils Rieslingen aus 2024 (zwei Flaschen 23er Spätburgunder sind aber auch dabei) bei mir an, und stante pede musste dieser trockene Kabinett seinen Korken lassen:

Bild#

In seiner Preisliste schreibt Florian Weingart:

"....der leichte Schieferboden des Weinbergs ist prädestiniert für die Stilistik des Kabinetts, hier haben wir aber auch eine schöne Reife der Frucht, etwas hefigen Schmelz und die abschließende Frage, ob er nicht eher als Spätlese hätte angeboten werden sollen, im Kundensinne beantwortet, die Übergänge sind eben fließend...."

Für mich sind diese Aussagen bestens nachvollziehbar - der Wein befindet sich stilistisch irgendwo im Grenzbereich zwischen Kabi und Spätlese, wobei ich mich als Kunde nicht ärgere, wenn ich so etwas zum günstigen Kabipreis erwerben kann. Und auf jeden Fall handelt es sich um einen wunderschönen Rheinriesling, der den Rang seines Erzeugers und zudem meinen bisherigen Verdacht im Hinblick auf die Qualität des Jahrgangs 2024 bestätigt....

Herzliche Grüße

Bernd
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EThC
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Re: Weingart

Beitrag von EThC »

Bernd Schulz hat geschrieben: Di 3. Jun 2025, 23:37 der den Rang seines Erzeugers und zudem meinen bisherigen Verdacht im Hinblick auf die Qualität des Jahrgangs 2024 bestätigt...
...was mich so an Statements erreicht, führt mich aktuell eher zu der Erkenntnis bzw. dem Eindruck, daß es eigentlich keine per se und im weiteren Sinne guten oder schlechten Jahrgänge mehr gibt, da die Jahrgangsererignisse, die die Qualität entsprechend beeinflussen, über D (und natürlich auch drüber hinaus), immer heterogener werden. Alleine wenn man sich mal die Erntemengen ansieht, relativ zu 2023 in Rheinhessen ein deutliches Plus, an der Ahr und im Osten 2/3 Ausfall.
Sinn ergäbe das vielleicht eher noch, wenn man die Jahrgangscharakterisierungen / -einstufungen deutlich feiner geographisch granulieren würde...
Viele Grüße
Erich

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Re: Weingart

Beitrag von Ollie »

EThC hat geschrieben: Mi 4. Jun 2025, 07:48 Sinn ergäbe das vielleicht eher noch, wenn man die Jahrgangscharakterisierungen / -einstufungen deutlich feiner geographisch granulieren würde...
Dazu müsste man freilich die Weine (und zwar hinreichend viele) abwarten, bevor man sich über die "Qualität des Jahrgangs" äußert. Und dann würden wir alle schweigend in der Ecke sitzen und Wein trinken, statt darüber zu schreiben. :mrgreen:

Das eigentliche Problem ist aber, daß die Transferleistung "Jahrgang meteorogisch so, deshalb Weine geschmacklich so" nicht mehr hinreichend zuverlässig leistbar ist und die meisten (alle?) Aussagen nur noch anekdotischen Charakter mit stark eingeschränkter Brauchbarkeit und Relevanz haben.

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Re: Weingart

Beitrag von EThC »

Ollie hat geschrieben: Mi 4. Jun 2025, 08:31 Dazu müsste man freilich die Weine (und zwar hinreichend viele) abwarten, bevor man sich über die "Qualität des Jahrgangs" äußert. Und dann würden wir alle schweigend in der Ecke sitzen und Wein trinken, statt darüber zu schreiben. :mrgreen:
...das Schreiben darüber verbietet sich ja dadurch nicht, höchstens das frühe Schlußfolgern.

Ansonsten: JA
Viele Grüße
Erich

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Re: Weingart

Beitrag von Bernd Schulz »

Natürlich ist es viel zu früh, um etwas Grundsätzliches zur Qualität des Jahrgangs 2024 beim deutschen Riesling sagen zu können. Wenn ich etwas darüber verzapfe, liegt das auf dem Gebiet der Spekulation. Die wenigen 2024er, die ich probiert habe, geben mir halt Anlass, in eine positive Richtung zu spekulieren. Bis auf Weiteres :!: sieht es für mich so aus, als ob der Jahrgang besser ausgefallen sein könnte, als es die Spekulationen anderer bislang vermuten ließen (2008 z.b. lässt grüßen).

Herzliche Grüße

Bernd
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Re: Weingart

Beitrag von Bernd Schulz »

Damit ich nicht sofort wieder eins auf den Deckel kriege, weil ich verfrüht über die Qualität des 24er Jahrgangs schwadroniere, bin ich jetzt auf den 23er Spätburgunder umgeschwenkt (geplant war für heute eigentlich ein weiterer Riesling aus 24 ;)):

Bild

Bei nur 0,6 Gramm Rz/l verfügt der Wein über viel Schmelz und damit Charme und seine 13,5% Alkohol steckt er locker weg. Für Fans burgundischer Burgunder im puristischen Stil ist er eher nichts, aber meinen Geschmack trifft er durchaus. Obwohl er preislich eigentlich schon oberhalb meiner Schmerzgrenze liegt, bereue ich es nicht wirklich, mir noch eine zweite Flasche geleistet zu haben.

Herzliche Grüße

Bernd
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Re: Weingart

Beitrag von EThC »

Bernd Schulz hat geschrieben: Mi 4. Jun 2025, 21:24 Damit ich nicht sofort wieder eins auf den Deckel kriege
...gepflegt eins über den Deckel kriegen geht -denke ich- anders... :D
Viele Grüße
Erich

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