Bordeaux 2022

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
Alba
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Alba »

sehr spannend eure Canon 22 Erfahrung, der steht heuer rund um Pfingsten - wie jedes Jahr zum Arrivagetest an.
Gewisse Primeurfruchtigkeit würde ich zu dem Zeitpunkt, heißer Jahrgang etc. sogar erwarten, das mit strukturellem Defizit, wow, da bin ich mal gespannt.
Dazu passend, ein lokaler Händler (mit langjähriger Bordeauxerfahrung) hielt letztens auch eine Arrivage Probe ab, 2 Bekannte waren dabei (selber leider verhindert), als bester Wein des Abends wurde ... der Canon auserkoren; dabei waren auch andere Größen wie Montrose, LCHB, und ich glaube auch 1 oder 2 Premiers.
So unterschiedlich sind glücklicherweise Geschmäcker, Wahrnehmungen und evtl. (in dem Fall wahrscheinlich weniger) Flaschen. Dann noch Luftdruck, Mondphase :lol:


LG
Manfred
pessac-léognan
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von pessac-léognan »

Château Tronquoy Saint-Estèphe
59% CS / 35% M / 6% PV (14.5% ABV)
P&P bei 15°
Fast schwarze Farbe
Nase: sehr auf der Cassis-Seite, auch Schwarzkirsche
Gaumen: Erst am Gaumen entfaltet sich der Wein so richtig, auch hier zunächst ganz und gar schwarzbeerig, in einem Fruchtkorb von Cassis, sehr reifen Heidelbeeren, Maulbeeren und sehr schwarzen süßen Kirschen (allerdings nicht süß im Sinne von zuckrig, das verhindern allein schon die feinen, aber noch stark aufrauhenden Tannine). Mit der Zeit kommen kühle steinige Noten und Graphit zum Zug, ehe auch ein Hauch Brasiltabak und Spuren schwarzen Pfeffers zum Vorschein kommen, die zusammen mit Blutorangenzesten und ganz wenig Mokka nachhallen - ganz zuletzt auch etwas Zeder und Wacholder, die zusammen den extrem fruchtigen Antrunk beinahe vergessen lassen und gerade dadurch so trinkanimierend sind, um sich gleichsam zu vergewissern, dass auch der nächste Schluck diese fast erschlagende Fruchtigkeit durchhält: tut er!
Fazit: ein Gaumenschmeichler der sehr gehobenen Art, der die sehr hohen Noten en primeur und auch bei der Arrivage nachvollziehbar macht. Allerdings: Die (scheinbar) fast vollständig fehlende Säure lässt mich bezüglich Langlebigkeit doch etwas ratlos zurück. Soll man nun diesen Wein in den nächsten 5-10 Jahren wegtrinken und warten, bis der Montrose aus quasi selbem Haus etwas herangereift ist?
Im Moment ein schier süchtig machendes Trinkerlebnis, das mir zumindest 95 Punkte wert ist, gerade infolge seiner in der Abfolge und im Zusammenspiel von Frucht, Frische und Straffheit für diese Preisklasse beinahe unglaublichen Komplexität bei fast nicht merkbarem Alkohol und nicht einer Spur von Hitzigkeit oder gar Brandigkeit. Für mich bezüglich aktuellem Trinkgenuss klar der beste 22er!
Cirrus
Beiträge: 15
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Cirrus »

pessac-léognan hat geschrieben: Sa 24. Mai 2025, 14:36 Château Tronquoy Saint-Estèphe
59% CS / 35% M / 6% PV (14.5% ABV)
P&P bei 15°
Fast schwarze Farbe
Nase: sehr auf der Cassis-Seite, auch Schwarzkirsche
Gaumen: Erst am Gaumen entfaltet sich der Wein so richtig, auch hier zunächst ganz und gar schwarzbeerig, in einem Fruchtkorb von Cassis, sehr reifen Heidelbeeren, Maulbeeren und sehr schwarzen süßen Kirschen (allerdings nicht süß im Sinne von zuckrig, das verhindern allein schon die feinen, aber noch stark aufrauhenden Tannine). Mit der Zeit kommen kühle steinige Noten und Graphit zum Zug, ehe auch ein Hauch Brasiltabak und Spuren schwarzen Pfeffers zum Vorschein kommen, die zusammen mit Blutorangenzesten und ganz wenig Mokka nachhallen - ganz zuletzt auch etwas Zeder und Wacholder, die zusammen den extrem fruchtigen Antrunk beinahe vergessen lassen und gerade dadurch so trinkanimierend sind, um sich gleichsam zu vergewissern, dass auch der nächste Schluck diese fast erschlagende Fruchtigkeit durchhält: tut er!
Fazit: ein Gaumenschmeichler der sehr gehobenen Art, der die sehr hohen Noten en primeur und auch bei der Arrivage nachvollziehbar macht. Allerdings: Die (scheinbar) fast vollständig fehlende Säure lässt mich bezüglich Langlebigkeit doch etwas ratlos zurück. Soll man nun diesen Wein in den nächsten 5-10 Jahren wegtrinken und warten, bis der Montrose aus quasi selbem Haus etwas herangereift ist?
Im Moment ein schier süchtig machendes Trinkerlebnis, das mir zumindest 95 Punkte wert ist, gerade infolge seiner in der Abfolge und im Zusammenspiel von Frucht, Frische und Straffheit für diese Preisklasse beinahe unglaublichen Komplexität bei fast nicht merkbarem Alkohol und nicht einer Spur von Hitzigkeit oder gar Brandigkeit. Für mich bezüglich aktuellem Trinkgenuss klar der beste 22er!
Danke für deinen Bericht! Tönt sehr spannend 😊 es lohnt sich es somit mal jung zu probieren....die "Nachsubskription" von einem Sixpack 0.75 war somit sicher nicht verkehrt, da bei einigen Händlern die Preise pro Flasche jetzt schon gut 10 EUR/CHF höher sind als ursprünglich.
KlausS98
Beiträge: 41
Registriert: Fr 11. Feb 2022, 22:55

Re: Bordeaux 2022

Beitrag von KlausS98 »

+1 Danke für den Tronqoy Bericht .. warte noch auf meine
Trotzki
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Registriert: Di 19. Jan 2021, 08:57

Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Trotzki »

Kann das Urteil bezüglich Tronquoy 2022 nur bestätigen. Vor 14 Tagen aufgemacht und ja, er ist wirklich sehr gut. Schon kräftiger Bursche - Eleganz und Finesse muss anderswo suchen, aber wie oben angemerkt, super Trinkspass! In der CH noch für knapp 25 CHF zu finden! Werde wohl auch noch nachbestellen.
TOM
Beiträge: 597
Registriert: Do 2. Apr 2015, 09:15

Re: Bordeaux 2022

Beitrag von TOM »

Ich hatte in den letzten Wochen ein paar kleine bzw. mittlere 2022er.
Zunächst muss ich den Vorrednern Recht geben. Die 2022er sind schon alle sehr saftig, haben milde Tannine und es fehlt etwas an Eleganz und Frische. Ich bin mal gespannt, ob sich das in den nächsten Monaten legt und die Frucht etwas in den Hintergrund tritt ohne dass die Weine direkt in den Verschluss gehen.

Im Einzelnen habe ich probiert:
Château Saintayme Saint Emilion Grand Cru: Im Duft Kaffee und Röstnoten. Im Mund Kirsche, gut eingebunden Tannine. Im Nachhall Kreide, Minze, Kirsche, Kaffee, heller Tabak. Trotz der großen Fruchtfülle und Saftigkeit ist dieser Wein recht gut strukturiert und zurzeit gut zu trinken.

Château Belgrave Grand Cru Classé: Duft nach Kirsche und Cassis. Im Mund saftig, gut eingebunde Säure, milde Tannine. Im Nachhall Kreide, Blutorange, Minze. Sehr saftig und voluminös. Fast untypisch für Haut Médoc, hätte den blind eher am rechten Ufer verortet. Sollte man jung trinken. Kein Nachkaufzwang.

Chateau d’Aiguilhe: Leichter Kirschduft. Im Mund intensive Herzkirsche, etwas Rauch, Pinie, gut eingebundene Tannine, gut eingebundene Säure. Im Nachhall etwas Kirschmarmelade von schwarzen Herzkirschen, Heidelbeere, Kreide, mediterrane Kräuter, Oregano, Rosmarin, Minze. Hat mir recht gut gefallen!

Château Laroque Saint Emilion Grand Cru Classé: Dunkles Rot, im Glas schöne Kirchenfenster. Duft nach Amarenakirsche und Rosmarin. Im Mund Nougat, gut eingebundene Tannine, Kaffee, Rosmarin. Im langen Nachhall Kreide, Quitte, wilde Pflaume, Nougat, etwas Zedernholz, Eukalyptus. Schon sehr dicht und konzentriert, etwas balsamisch, die 14,5% Alkohol sind aber gut eingebunden und stechen nicht heraus.
Das ist ein wirklich sehr schöner Wein. Bei dem Reifepotenzial des Weins bin ich allerdings skeptisch. Ich weiß nicht, ob der vielleicht zu balsamisch und alkoholisch wird und dabei seine Frische verliert.
Ich denke, dass ich die meisten Flaschen jung trinke und nur wenige zu Forschungszwecken lagern werde. Warum soll ich das Risiko eingehen, wenn der Wein doch jetzt in dieser Phase so viel Spaß macht...

Château Peymouton Saint Emilion Grand Cru: Duft nach hellem Tabak, Kräuterwürze, etwas Vogelkirsche. Im Mund gut eingebundene Säure, trockene Tannine. Im recht langen Nachhall Leder, Minze, Mandeln, Marzipan, Schwarzkirsche. Dieser Wein war für mich die absolute Überraschung! Sehr frisch und angenehm leicht. Eher knackig/kernig, nicht so dicht, saftig und voluminös wie die anderen 2022er. Den hätte ich blind wahrscheinlich eher am linken Ufer verortet. Sehr schön!

Château Laurence Bordeaux Superieur: Duft nach Sauerkirsche, Metall/Blut. Im Mund Metall, gut eingebundene Säure, trockene Tannine. Im Nachhall, schöne Frische mit Kirsche, viel Minze und schönen Tabaknoten.
Das ist kein außergewöhnlicher, vielschichtiger Wein, aber auch kein überextrahierter, marmeladiger Wein. Es ist ein sehr trinkiger Wein mit schöner Frische, der jung Spaß macht. So wie es bereits beim 2019er war.

Ganz allgemein habe ich die Weine vorher auf ca. 15°C herunter gekühlt und das tat der Weinen wegen ihrer Fruchtfülle eher gut!

Im Fazit bereue ich den 2022er Kauf bzw. die Subs nicht. Dann sind das eben Weine, die jung Spaß machen und gut zum sommerlichen Grillen passen. Es liegen schließlich noch genug Jahrgänge im Keller, die mit Lagerung besser werden und nun geschont werden können. Nachkaufzwang habe ich trotzdem zurzeit bei keinem der Weine. Das Risiko, dass sich die Weine zurückziehen und schlecht altern ist mir zu groß.
Wenn der Vorrat an 2022ern zu Ende geht und die Weine sich noch immer nicht zurückgezogen haben, kann es aber durchaus sein, dass ich beim d’Aiguilhe, Peymouton und vielleicht auch Laroque eine kleine Menge nachbestelle, sofern der Preis stimmt.

Bin gespannt, ob 2023 genauso üppige Weine produziert wurden oder ob diese Weine etwas eleganter sind.
Man muss immer etwas haben, worauf man sich freut. (Eduard Mörike)
Ollie
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Ollie »

Danke für die Notizen, und schön, daß der Laroque offenbar was geworden ist! :)

Gestern gab's Giscours. Gemessen an den Kritiker-Hymnen zur Arrivage war seine Performance dann doch etwas ernüchternd. Recht viel weiche, aber leicht dropsige Cassis-Frucht und - okay, das ist Giscours - ein für die relative Jugend erstaunlich robuster Tannin-Harnisch, der anfangs erst etwas zeitverschoben zuschlägt. Nach einer halben bis Dreiviertel Stunde dann kommt der Wein "in Phase", sehr saftig, sehr kräftig, deutlich am St-Estèphe zugewandten Ortsausgang von Margaux. :lol: Nicht unangenehm, aber z.Zt. noch eher strukturiert als aromatisch komplex, und vielleicht mir nicht ganz der letzten Konzentration, die man bei einem Topwein erwarten darf - vielleicht ist sie aber auch durch die Tannine maskiert, die Struktur ist etwas arg dominant (und nicht so "gut" wie bei Gruaud). In momentaner Verfassung 90-92 und wie immer eher etwas für die Langstrecke. Für mich kein Nachkauf, aber wer ihn hat (und Giscours kennt und mag), wird happy werden. Nur vielleicht nicht einen supersingulären Superjahrgang erwarten, es bleibt alles +/- im Rahmen.

Ein dagegen getrunkener Ferrière wirkte dagegen strukturell wie ein Spätburgunder, nur mit etwas frustrierter und unpräziser Aromatik. Kein Vergleich zu 2019 etwa. Meine erste Wertung von 88 fand ich hier bestätigt, aber diese Flasche war aus der selben Quelle wie die erste, und eine aus einer anderen Quelle habe ich noch, mal sehen, vielleicht bewegt sich da noch etwas. Aber bislang ist Ferrière eine ziemliche Enttäuschung.

Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.

Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.

"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)
Nora
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Nora »

Ollie, kaufst du deine Flaschen bewusst bei unterschiedlichen Quellen oder hat sich das nur so ergeben?

VG Nora
Ollie
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Ollie »

Nora, bei der Bestellung hatte ich verdrängt, daß ich Ferrière schon anderswo gekauft hatte, deswegen der Doppelbestand. :lol:

Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.

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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Nora »

Ach so. Ich hatte vermutet, das sei Taktik. :)

VG Nora
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