Bordeaux 2022

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
Bradetti
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Bradetti »

So hatte ich es auch verstanden.
Viele Grüße
Dirk
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Jochen R.
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Jochen R. »

Giscours 2022:
Fast schwarz mit violetten Reflexen. In der Nase springt einen gleich ein Früchtekorb mit Cassis, Heidelbeeren, Kirschen sowie ein Hauch Zitrone, gefolgt von Leder, Gewürzen und Milchkaffee, an.
Am Gaumen (anfangs) druckvoll mit Sauerkirschen, Cassis, Brombeeren, frische Säure. Schon mit wenig Luftzufuhr wird´s ledrig/tabakig, bisschen Mocca, die Tannine hatte so jung schon heftiger/strukturgebender in Erinnerung. Mittelgewichtig und mittellanger bis langer fruchtiger Abgang.

Das soll ein "überdrüber"-Giscours (wie ich es zumindest teilweise bei den "Profis" rauszulesen meine) sein? Ich mag Giscours ja sehr und kaufe den auch oft, aber aktuell kann ich das nicht erkennen! Zweifellos sehr lecker und hervorragend, vielleicht 91(-92)+ P.

Vielleicht bin ich auch mit der falschen Erwartungshaltung ran? Aber nö, ich warte jetzt noch auf meine ausstehenden Branaire Ducru und Batailley und freue mich, auf Lagrange und Belgrave gesetzt zu haben. Damit ist das Kapitel 2022 für mich erledigt, vielleicht später noch bisschen Le Reysse, Lanessan und/oder so ...

Viele Grüße,
Jochen
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Ollie
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Ollie »

Kurzontizen zu Capbern und Meyney, beide aus der Halbflasche direkt nebeneinandergetrunken.

Capbern in der Nase sehr aromatisch, würzige Frucht allerlei Beeren, allerdings leicht gedünstet (wie beim Röster) und auf Linzertorteboden (die Gewürze im Teig!). Kurioserweise auch sehr reife Orange und Waldmeistersirup. Am Gaumen kräftige Säure, anfangs pudriges Tannin, das schnell verdrängt wird durch eine sehr seidige, merlotgeprägte Frucht (53% Cabernet Sauvignon, 44% Merlot, 2% Petit Verdot, 1% Cabernet Franc). Angesichts der intensiven Aromatik überraschend schlanker - und mir auch für den hohen Alkohol (15 Vol%) etwas zu schlanker Körper. Gute Länge wiederum auf der seidigen Merlot-Frucht. Nach einer Viertelstunde im Glas, während wir uns um den Meyney kümmerten, entwickelte der Capbern Liebstöckelnoten(!). Hmmm. Mir etwas zu unexpected, hat mehr mit Saint-Emilion als mit Saint-Estèphe zu tun, aber 88/89 sind drin. Also alles im Rahmen bei Capberns unterm Sofa.

Ganz anders hingegen der Meyney. Sehr dunkle, edrige, strenge und sehr würzige, pfeffrige Aromatik, anfangs auch mit Blut und Eisen (58% Cabernet Sauvignon, 29% Merlot, 13% Petit Verdot - ich glaube, letzterer schlägt dieses Jahr sehr stark durch). Dann kommen kernige schwarze Johannisbeeren und ganz schwach sahnekaramelliges, aber hervorragend gemanagtes Holz. Mit Luft entwickelt der Wein eine deutliche Note nach Darjeeling-Blättern(!). Deutliche körperreicher als Capbern, steckt seine 14 Vol% also sehr gut weg, und gut durch das robuste, aber nicht unfeine Tannin struktriert. Gute Frische, viel Saft und Kraft, sehr ordentliche Länge. Gefällt mir insgesamt besser als der exotische Capbern, aber braucht noch einige Jahre, denn der Wein macht deutlich, daß er mal was sein will, wenn er groß ist. Trotz gleicher Postleitzahl ganz sicher nicht in der selben Liga wie Montrose, dazu ist der Wein viel zu simpel, das ist deutlich gehobenes Cru-Bourgeois-Exceptionnel-Niveau, mehr nicht. Aber stilistisch perfekt auf der neuen Boissenot-Linie, die Ähnlichkeiten etwa zum 2014er sind schon frappierend. Wer diesen neuen, sehr polierten Stil also mag, wird mit dem 2022er sehr glücklich werden. Wie schon Kelley anmerkte, einer der besten Meyney der letzten Jahre, den sollte man mal direkt gegen einen Sociando und Lilian Ladouys trinken, um hier eine Kaufentscheidung zu finalisieren. Für das Geld echt nicht schlecht. Von mir 90-91 mit Potential bis 93.

Cheers,
Ollie
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amateur des vins
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von amateur des vins »

Ollie hat geschrieben: So 23. Mär 2025, 18:19 Mit Luft entwickelt der Wein eine deutliche Note nach Darjeeling-Blättern(!).
Die noch lebendigen am Strauch, die getrockneten, oder die schon auf- und wieder abgegossenen? :mrgreen:
(Die Frage nach der Pflückiteration besprechen wir dann bei einer frisch gebrühten Tasse Wein.)
Besten Gruß, Karsten
Ollie
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Ollie »

Wie der Duft eines Teestrauchs in Darjeeling an einem warmen Frühjahrsmorgen, vom Taue benetzt, mit Blick auf einem nebelverhangenen Kangchenjunga. - Ein Kranich gleitet vorbei.

Im Ernst: Ich meine das, was man in die Tasse tut, bevor man zum ersten Mal heißes Wasser drübergießt. Vielleicht hätte ich Darjeeling(!)-Blätter statt Darjeeling-Blätter(!) schreiben sollen, mir war der Gegensatz zu Assam(!)-Blättern wichtig. Oder Earl(!)-Grey-Blättern, je nach dem. :mrgreen:

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Ollie
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von amateur des vins »

Ollie hat geschrieben: So 23. Mär 2025, 20:15 Wie der Duft eines Teestrauchs in Darjeeling an einem warmen Frühjahrsmorgen, vom Taue benetzt, mit Blick auf einem nebelverhangenen Kangchenjunga. - Ein Kranich gleitet vorbei.

Im Ernst: Ich meine das, was man in die Tasse tut, bevor man zum ersten Mal heißes Wasser drübergießt. Vielleicht hätte ich Darjeeling(!)-Blätter statt Darjeeling-Blätter(!) schreiben sollen, mir war der Gegensatz zu Assam(!)-Blättern wichtig. Oder Earl(!)-Grey-Blättern, je nach dem. :mrgreen:
Danke, paßt! Abgebrühten Meyney hätte ich mir nicht gut vorstellen können.

Einzig der taubenetzte Kranich, der den Teestrauch teilend den Blick auf den warmen Kanchenjunga-Nebel freigibt, war mir entgangen.
Besten Gruß, Karsten
diogenes
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von diogenes »

Interessante Analyse zu Les Carmes Haut Brion:

https://www.liv-ex.com/2025/04/carmes-h ... deep-dive/
carpe vinum!
Zaccetti
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Zaccetti »

Heute findet die jährliche Gerstl Arrivage Degu in Zürich statt. Unter anderem mit LCHB (das erstmal dabei), Brane-Cantenac, Canon La Gaffelière, Cos d'Estournel, DDC, Figeac (das erstmal dabei), Haut-Bailly, La Conseillante, LB und LP, Montrose, Comtesse, SHL, Troplong Mondot, Pontet-Canet, Lynch Bages und GPL.

Bei all den grossen Namen muss man bei den eher "kleineren" selektiv vorgehen. Ich freue mich u.a auf Figeac den ich noch nie verkosten konnte
Trotzki
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Trotzki »

der Gerstl -Anlass ist immer toll, vor allem wenn man noch etwas mit den VerteterInnen der Châteaux etwas quatschen will. Leider konnte ich heute nicht nach Zürich. Freue mich aber auf ein paar Eindrücke!👍
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harti
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von harti »

kleine Info zu Giscours: Neal Martin gibt dem Wein mit 96 P. die höchste Note aller in einer Vertikale verkosteten 41 Jahrgänge (von 1938 bis 2023):
Der Giscours 2022 ist ein brillanter Wein. In der Nase zeigt er eine Fülle von Aromen, die es wagen, sowohl den 2019er als auch den 2020er in den Schatten zu stellen: Brombeere, Heidelbeere, Schotter, Veilchen und Pfingstrose, die mit der Belüftung aufblühen. Am Gaumen ist er äußerst ausgewogen, mit enormer Substanz und Griffigkeit, kraftvoll und vielleicht nicht ganz so seidig in der Textur, wie er sich im Fass zeigte. Dieser 2022er ist sehr mineralisch und gut strukturiert und erfordert eine lange Lagerzeit.

Grüße
Hartmut
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