Ich hab noch einmal darüber nachgedacht (interessante Diskussion übrigens hier, macht mir Spaß). Für mich muss ein großer Wein zwei Elemente zu bieten haben: 1. Typizität (was Rebsorte und Herkunft anbelangt), 2. Ausgewogenheit (was bei Rotweinen die Balance aus Materie, Säure und Tannin bedeutet). Ein ausgewogener „Weltwein“ hätte dementsprechend genauso wenig Chancen auf 20 Punkte wie ein exzessiver Charakterkopf. Das Priorat besitzt klimatische und hydrologische Verhältnisse, die einen „heißen“ Wein bevorzugen, einen Terroir-Charakterkopf sozusagen, aber immer mit einem Mangel an Ausgewogenheit behaftet.
Aber nur, wenn wir mit der Philosophie des Nordens daran gehen. Du hast ja schon darauf hingewiesen, dass mittlerweile auch Nordhänge bepflanzt werden. Genauso hat es mir Cyril Fhal aus dem Roussillon erklärt (haben ja gewisse Ähnlichkeiten, die beiden Gegenden): Er sei mit der Weinbauphilosophie des Nordens ins Roussillon gekommen und grandios gescheitert. Die universitäre Ausrichtung im Weinbau ist klassischerweise darauf ausgerichtet, möglichst reife Trauben hinzubekommen. Deshalb Terrassen, Südlagen, Laubausdünnung etc. Cyril meint hingegen, die geeignete Anbauweise für den Süden stecke ausbildungsmäßig erst in den Kinderschuhen. „Auf Kraft brauche ich bei meinen Reben nicht zu achten, die ist von alleine da, sondern auf Ausgewogenheit“, sagt er. Konsequenz: Seinen größten Wein holt er aus einem steilen Nordhang mit dichter Bestockung.
Nordexponierung, dichte Bestockung, Laubdach, nicht zu späte Lese, kein Entrappen – und höchstwahrscheinlich auch eher jüngere als alte Reben (nur so ein Gefühl meinerseits), das sind Voraussetzungen, unter denen ich persönlich glaube, dass ein großer Wein im Priorat dabei entstehen kann. Denn das Terroir ist großartig. Und der Lokalcharakter würde dabei garantiert nicht verloren gehen.
Ich glaube nämlich letztlich doch nicht, dass man Prioratweine entweder mag oder nicht. Wenn ich prinzipiell eher Loireweine mag, bin ich deshalb mit grünen, unreifen Noten oder dünnen Weinchen noch lange nicht einverstanden.
Priorat
- Markus Vahlefeld
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Re: Priorat
Hi Matze,
interessante Punkte, die Du da anführst. Ich sehe das ganz genauso. Nur ist das Konzept der "Ausgewogenheit" IMHO bereits ein erlerntes oder konditioniertes und nicht ein absolutes. Weinregionen mit extremen klimatischen Bedingungen bilden andere Idealbilder aus als "ausgewogene" Regionen. So sind Weintrinker aus Deutschland gegen Säure und Süße viel weniger empfindlich als südfranzösische. Ein weisser Ch9dP erntet unter Rieslingtrinkern eher Kopfschütteln. Und ein die 12g Restsüsse ausschöpfendes Grosses Gewächs vom Riesling wird sicher in Frankreich eher auf Verhaltenheit stossen.
Ob mit den von Dir angeführten Anbau- und Erntemethoden ausgewogene Weine im Priorat möglich sein werden, kann ich nicht sagen. Ich denke eher, dass man mit einer bestimmten Art der Hitze im Wein bei so extremen Regionen wie dem Priorat, La Mancha oder Griechenland einfach leben muss. Oft habe ich den Eindruck, dass Versuche, die Hitze und Fleischigkeit einem Wein auszutreiben (auch natürlich auszutreiben) zu einer Undefinierbarkeit führt. Dieses Ungewohnte lässt dann Weine hervorstechen (wie Gaubys Weine), aber wird auch immer polarisieren. Das müssen Winzer dann in Kauf nehmen, was jedoch meist auch zu einer Veränderung der Kundenstruktur und der Absatzkanäle führt. Also ein Unterfangen, das nicht eben mal schnell realisiert werden kann.
interessante Punkte, die Du da anführst. Ich sehe das ganz genauso. Nur ist das Konzept der "Ausgewogenheit" IMHO bereits ein erlerntes oder konditioniertes und nicht ein absolutes. Weinregionen mit extremen klimatischen Bedingungen bilden andere Idealbilder aus als "ausgewogene" Regionen. So sind Weintrinker aus Deutschland gegen Säure und Süße viel weniger empfindlich als südfranzösische. Ein weisser Ch9dP erntet unter Rieslingtrinkern eher Kopfschütteln. Und ein die 12g Restsüsse ausschöpfendes Grosses Gewächs vom Riesling wird sicher in Frankreich eher auf Verhaltenheit stossen.
Ob mit den von Dir angeführten Anbau- und Erntemethoden ausgewogene Weine im Priorat möglich sein werden, kann ich nicht sagen. Ich denke eher, dass man mit einer bestimmten Art der Hitze im Wein bei so extremen Regionen wie dem Priorat, La Mancha oder Griechenland einfach leben muss. Oft habe ich den Eindruck, dass Versuche, die Hitze und Fleischigkeit einem Wein auszutreiben (auch natürlich auszutreiben) zu einer Undefinierbarkeit führt. Dieses Ungewohnte lässt dann Weine hervorstechen (wie Gaubys Weine), aber wird auch immer polarisieren. Das müssen Winzer dann in Kauf nehmen, was jedoch meist auch zu einer Veränderung der Kundenstruktur und der Absatzkanäle führt. Also ein Unterfangen, das nicht eben mal schnell realisiert werden kann.
Re: Priorat
Das ist das Spagat was der Winzer beherrschen muss. Auf der einen Seite sollte er die Authenzität der Region bewaren und auf der anderen Seite seine eigene Stilistik/Personality mitbringen.Markus Vahlefeld hat geschrieben:Oft habe ich den Eindruck, dass Versuche, die Hitze und Fleischigkeit einem Wein auszutreiben (auch natürlich auszutreiben) zu einer Undefinierbarkeit führt. Dieses Ungewohnte lässt dann Weine hervorstechen (wie Gaubys Weine), aber wird auch immer polarisieren.
Nordausrichtung ist ein natürliches Instrumentarium welches der Winzer wählen kann um den Wein einen etwas anderen Charakter zu geben, ohne das er aufwändige und teils auch fragwürdige Kellertechniken anwendet. Auch bei der Zusammenstellung der Cuvee kann man in heissen Jahren mehr aus der Nordlage einbringen, um so ein wenig Frische in den Wein zu bringen. Natürlich nur sofern dies gewollt ist. Es gibt ja auch Winzer die mit Ihren marmeladigen und konzentrierten Weinen sehr zufrieden sind. Jeder Wein hat seine eigene Zielgruppe.
@Matze
Zum Montsalvat 2001. Wir hatten diesen auf dem Senioren/Gründertreffen in Bodenheim. Der Wein präsentierte sich dort nicht so, wie ich ihn normalerweise kenne. Ähnlich auch der Clos Figueras 2001, der normalerweise mit dem Montsalvat zu den Spitzen des ohnehin schon guten Jahrgangs 2001 gehört. Ich werde der Sache demnächst aber mit einem Selbstversuch auf den Grund gehen

Grüße, Chris
Re: Priorat
Hallo Markus,Markus Vahlefeld hat geschrieben:Nur ist das Konzept der "Ausgewogenheit" IMHO bereits ein erlerntes oder konditioniertes und nicht ein absolutes. Weinregionen mit extremen klimatischen Bedingungen bilden andere Idealbilder aus als "ausgewogene" Regionen.
das sind wahre Worte. Wir leben ja alle mitsamt unseren Geschmacksempfindungen (um nur mal diesen einen Punkt aufzugreifen) nicht im sensorischen Vakuum. Alles eine Frage der Konditionierung, völlig klar.
Wir hatten mal eine ganz ähnliche Diskussion bei einer Probe "schwefelfreier" Weine. Gemäß unserem erlernten Muster war das alles seltsames Zeug. Gesetzt aber den Fall, wir würden ein Jahr lang (das genügt wahrscheinlich) ausschließlich schwefelfreie Weine trinken, hätte sich wahrscheinlich nicht nur die subjektive Wahrnehmung extrem verschoben (die sowieso), sondern vermutlich auch die Fähigkeit des objektiven Beschreibens.
Und die Evolution ist ja eine permanente. Bis vor ein paar Jahren habe ich ganz wenig deutsche Weine getrunken, weil meine Weinsozialisation einfach anders aussah. Vermutlich hätte ich damals meinen idealtypischen Wein anders beschrieben. Vielleicht, weil ich wirklich andere Empfindungen hatte. Vielleicht aber auch, weil mir viele Erfahrungen fehlten, die ich heute habe. Und so Gott will, werde ich in zehn Jahren wiederum auf einen größeren Erfahrungsschatz zurückblicken können.
Was dabei ganz interessant ist: Diejenigen mit der geringsten (konventionellen) Weinerfahrung hatten bei der erwähnten Probe die geringsten Probleme, die schwefelfreien Weine zu goutieren. Muster sind meistens wertvolle Orientierungshilfen, können gelegentlich aber auch eine Art Gefängnis sein... Andererseits die alte Goethe-Leier "Man sieht nur, was man weiß."
Und um den Bogen zum Priorat bzw. "heißen" Weinen wieder zu bekommen: Bei Gérard Gauby und Hervé Bizeul treffen genau diese beiden Schulen wieder aufeinander: diejenige auf der Suche nach dem Idealtyp "ausgewogener Wein" und diejenige auf der Suche nach dem für jede Anbauregion unterschiedlichen Idealtyp. Mal ganz grob gesprochen. Faszinierend finde ich beides. Prioratweine sollen auch meiner subjektiven Meinung nach kraftvoll sein. Ich frage mich nur, ob ein klein bisschen mehr Frische zusätzlich nicht noch besser wäre.
Re: Priorat
Hallo Jens,moc hat geschrieben:
Unter dem Vorbehalt, dass die eingeschenkte Menge eine seriöse Beurteilung nicht zulies, würde ich mich vorsichtig dahingehend äußern, dass zwischen elegant und dünn eine Trennlinie besteht, die von den den angestellten Weinen (in Rot) in beide Richtungen gekreuzt wurde.
das hast Du sehr schön geschrieben, genauso ging es mir in diesem Jahr in Torroja bei der Verkostung auch, deshalb habe ich bei der 09er Jahrgangsprobe gleich darauf verzichtet die Zunge zu benetzen, werde mir aber wohl zumindest die 3 normalbepreisten Weine kaufen und ganz in Ruhe zuhause probieren.
Ich hatte aber vor 2 Jahren das Glück zusammen mit Torsten und Chris die komplette Range aus ganzen Flaschen zu verkosten. Eine Flasche war zwar fehlerhaft, aber die verbliebenen 4 Weine (einen Weisen gab es damals noch nicht) haben mich schon sehr überzeugt - zu diesem Zeitpunkt eine völlig neue Interpretation des Priorat.
Inzwischen gibt es jede Menge neuer Ansätze und Experimente, gerade das macht das Priorat für mich so spannend - es wird sicher in den nächsten Jahren noch viele interessante Weine (zumindest für mich

Beste Grüße
Klaus-Peter
Klaus-Peter
- Markus Vahlefeld
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Re: Priorat
Ich habe mal den hier begonnen Diskussionsfaden, wie die Sinneswahrnehmung gerne durch Urteile und Erlerntes überlagert wird, in einen neuen Thread kopiert.
http://www.dasweinforum.de/viewtopic.ph ... 85&p=17360
Freue mich auf rege Teilnahme...
http://www.dasweinforum.de/viewtopic.ph ... 85&p=17360
Freue mich auf rege Teilnahme...
Re: Priorat
Der Vollständigkeit halber hier eine weitere Verkostung von Priorat Weinen durch Elmundovino
Auch hier wieder sehr fragwürdige Bewertungen von einigen Weinen.
Auch hier wieder sehr fragwürdige Bewertungen von einigen Weinen.

Grüße, Chris
- Jürgen
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Re: Priorat
Der war vor eineinhalb Wochen fast unterirdisch - total verschlossen 90++Chris hat geschrieben: Auf alle Fälle hat mich die Erfahrung gelehrt einen Wein nicht nach dem ersten Eindruck zu verteufeln. Ich denke nur an den Mogador 2005, der sich weit unter Gebühr präsentierte.



Re: Priorat
Hallo Jürgen,
ähnlich hatten wir den bei einer Probe bei mir auch gesehen. Ich weiss noch gut das wir damals von einigen TAWlern dafür belächelt wurden, weil andere vermeintlich Kleinere Weine über dem Mogador bewertet wurden. Aber so ist es nun einmal mit einer Blindprobe.
Daraufhin hatte ich meine Mogador 2005* für den Konsum 2015+ umgeschrieben. Vorher gehe ich da nicht dran und selbst das kann noch zu früh sein. Nur jeder sollte sich jetzt mal fragen, was wäre, wenn es kein Mogador wäre. Viele würden so einen Wein unbeachtet lassen und wahrscheinlich nicht wieder kaufen.
*Ähnliches gilt auch für meine Vinya del Vuit 2005
ähnlich hatten wir den bei einer Probe bei mir auch gesehen. Ich weiss noch gut das wir damals von einigen TAWlern dafür belächelt wurden, weil andere vermeintlich Kleinere Weine über dem Mogador bewertet wurden. Aber so ist es nun einmal mit einer Blindprobe.
Daraufhin hatte ich meine Mogador 2005* für den Konsum 2015+ umgeschrieben. Vorher gehe ich da nicht dran und selbst das kann noch zu früh sein. Nur jeder sollte sich jetzt mal fragen, was wäre, wenn es kein Mogador wäre. Viele würden so einen Wein unbeachtet lassen und wahrscheinlich nicht wieder kaufen.
*Ähnliches gilt auch für meine Vinya del Vuit 2005
Grüße, Chris
- thvins
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Re: Priorat
Naja... Einmal Trio Infernal, Mogador und Consorten für den Ausguss bitte...Chris hat geschrieben:Der Vollständigkeit halber hier eine weitere Verkostung von Priorat Weinen durch Elmundovino
Auch hier wieder sehr fragwürdige Bewertungen von einigen Weinen.


Wenn ich mitunter die Reihung noch nachvollziehen könnte, aber die Punktzahlen und vor allem deren Übersetzung


Ich frag mich manchmal wirklich wie die Jungs das machen...

Etliche dieser Weine stehen auch bei mir auf dem Tablett für die eine oder andere kommende Probe. Schaun wir mal, was wir da blind fischen...
Dass Creu Alta erst nach Tagen am Basseta vorbei ziehen kann, dass kenn ich ja auch, aber einen Mogador, der dann übersetzt ca. 60 Punkte haben müßte, hatte ich bei aller Verschlossenheit noch nicht im Glas. Und der 2008er sollte so verschlossen nicht sein.