Champagner aus den vergessenen Rebsorten

Ole
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Registriert: Mi 15. Dez 2010, 13:56

Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

Beitrag von Ole »

Wieder einmal hieß es: Seltene Sachen!
Daniel Petré: Les 7 Cépages 2020
Der war sehr hell, bot lediglich zart gelbe und grünliche Reflexe, dazu eine sehr feine, sehr muntere, sehr ausdauernde Perlage. In der Nase zurückhaltend, lediglich ein Hauch von heller Frucht.
Am Gaumen dann deutlich gelbe Früchte, reifer Apfel, Zitrusaromen, weißer Pfeffer, ein Anflug von Heu, frisches Laub, Mineralisches, ein schwer zu bestimmender interessanter pflanzlicher Akzent, auch erdige Noten. Das war harmonisch, das war elegant, das war frisch, das bot Spannung und – das machte großen Spaß. Obwohl ohne Dosage war der Champagner nicht ausgezehrt, geschweige denn aggressiv, sondern angenehm, man meinte einen Hauch von Süße zu spüren, der sich mit der großen Länge so herrlich verbündete. Das war tolles Zeug, das war großartig!
Dieser Champagner wurde 2020 erstmals von Daniel Petré erzeugt. Er besteht aus 10% Arbanne, 20% Petit Meslier, 15% Pinot Blanc, 15% Pinot Gris, 10% Chardonnay, 20% Pinot Noir sowie 10% Meunier. Dosage 0g. Von dem gibt es nur 592 Flaschen, wir hatten die Flasche 533.
So wie oben beschrieben präsentierte er sich in einem Glas von Lehmann, und zwar aus der ‚Collection Signature Jamesse: Grand Champagne 45‘!
Ein deutlich anderes Gesicht zeigte er in einem weiteren Lehmann-Glas, und zwar in ‚Basset: Hommage 45‘. Das hatte das gleiche Fassungsvermögen, war aber breiter und bot eine zweifellos gröbere und längst nicht so ausdauernde Perlage; wirkte am Gaumen kräftiger, rauer, fast könnte man sagen derber. Im Jamesse-Glas war derselbe Champagner deutlich feiner, fokussierter, präsenter. Eine Zwischenposition nahm er in einen Glas von Sydonios ein, im ,Empreinte‘. Das ist sehr fein, sieht sehr elegant aus und wird, wie die Firma behauptet, von über 100 Champagnerherstellern als bevorzugtes Glas genutzt. Was Feinheit und Fokussierung betrifft, konnte es dem ‚Grand Champagne 45‘ nicht das Wasser reichen.
Bilanz: Drei Gläser – drei Champagner!

Furdyna: Ètincelles 2018

Der war okay, reichte aber an den Pétrè überhaupt nicht heran. Er erschien im ‚Grand Champagne 45‘ als zupackend, frisch und fruchtig, im Hommage 45 eher eindimensional, im Sydonios kräftig, aber wenig elegant.
Er besteht aus 26% Chardonnay, 37% Petit Meslier, 24% Pinot Blanc, 13% Arbanne, ist 36 Monate in Holz ausgebaut und mit 4g dosiert.

Aubry: Sablé 2014 Rosé
Der konnte am wenigsten gefallen und überzeugte auch in keinem Glas so recht; er kam mit einer recht strengen Säure daher, war breit und bot außer einer sehr schönen Perlage im ‚Grand Champagne 45‘ wenig Attraktives. Er besteht aus 40% Chardonnay, 25% Petit Meslier, 25% Arbanne sowie 15% Pinot Noir – und ist nicht dosiert.
Ole
Kle
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Registriert: Fr 10. Dez 2010, 17:18
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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

Beitrag von Kle »

…. da geistern alle möglichen Vorstellungen durch den Kopf und dann kommt ein Champagner wie von Petré und begeistert durch einen Stil, der nicht ins vermeintliche Beuteschema passt. Er hatte eine so freundliche, vergleichsweise sanfte, aber nie schwammige Art, dass ich vermutete und fragen musste, ob die Winzer auch so sympathische Menschen sind (sind sie). Die von Ole beschriebene Aromatik war dezent und trotzdem deutlich. Frucht und Co erfreuten, ohne immer klar ihren Namen zu sagen. So auch die Säure, die wie Gewürze in guten Eintöpfen pikant war, ohne auf sich abzulenken. Faszinierend wie dieser „zarte“ Champagner -einer, der es schafft, trotz seiner höchst individuellen Art das Klischee-Ideal von diesem Getränk voll zu erfüllen – mit etwas Luft festere Strukturen aufbaute. Mit den von Ole erwähnten erdigen Noten und dann auch Assoziationen an Rotbeeriges. Um welchen Stil und welchen Charakter es sich handelte, war aber eigentlich egal. Fürs Wesentliche, dass dieser Champagner bei jedem Schluck ein neues Türchen öffnet, hätten es auch ganz andere Aromen sein können.
Bei einer Blindprobe aus den verschiedenen Gläsern hätten wir wahrscheinlich drei unterschiedliche Champagner vermutet. Die Überlegenheit gegenüber Furdyna: Ètincelles 2018 und Aubry: Sablé 2014 Rosé wäre trotzdem gewahrt geblieben.
Die Gläserexperimente können in Verzweiflung und ins Nichts stoßen. SIe zeigen, wie relativ und umstößlich Wahrnehmungen von Wein sind. Allerdings hoffe ich, durchs eifrige Sammeln weiterer Erfahrungen allmählich mehr Ordnung ins Chaos bringen und das Wesentliche auch im Spiegel einer unendlichen Anzahl Gläser erfassen zu können. Zum Schluss des langen Abends (für Preisbewusste: Der Genuss einer Flasche aus drei Gläsern entspricht praktisch drei Flaschen) machte es mich sehr glücklich, Furdyna: Ètincelles 2018 in allen (vorerst drei) Gläsern wiederzuerkennen.
Das Schema der Wirklichkeit ist das Dasein in einer bestimmten Zeit
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EThC
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Re: Champagner aus den vergessenen Rebsorten

Beitrag von EThC »

...ist in den letzten zwei Jahren ein bißchen eleganter geworden, für den einen womöglich ein Plus, für mich ein kleines Minus:

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Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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