Studien zum Thema Wein und Gesundheit

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Gerald
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Re: Studien zum Thema Wein und Gesundheit

Beitrag von Gerald »

Hallo Björn,

danke für deine Einschätzung. Also wenn man die Tabelle richtig interpretiert, gilt für die Generation 50+ doch nicht "am besten gar kein Alkohol", sondern am besten 1/16 l täglich. Und selbst das früher empfohlene tägliche Achterl wäre noch gesundheitlich vorteilhafter als gar kein Wein. :?

Vielleicht kommt diese Diskrepanz dadurch zustanden, dass hier zwischen Abstinenz und geringem Konsum die Auswirkungen auf die Gesundheit so gering sind, dass sie statistisch nicht signifikant sind und je nach Studienansatz etwas Anderes herauskommt?

Grüße
Gerald
Kle
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Re: Studien zum Thema Wein und Gesundheit

Beitrag von Kle »

... dass auch im Speziellen alles etwas kompliziert ist, zeigt auch dieser Artikel...
https://www.gelbe-liste.de/rheumatologi ... icht-gicht

Auszug:
Insgesamt bestätigt die Studie zwar die zuvor beobachtete Assoziation des Alkoholkonsums mit der Serum-Harnsäure. Jedoch scheint die Effektstärke viel geringer zu sein als manche vorherigen Studien suggerierten. Interessant ist auch, dass der mediane Patient mit einem Konsum von 1,4 Getränken jeden Tag ein laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) riskantes Trinkverhalten aufweist.

Selbst diese vergleichsweise vieltrinkenden Patienten können also nur auf eine geringe Reduktion ihrer Serum-Harnsäure hoffen. Auf der anderen Seite ist jeder positive Effekt einer sowieso gesundheitsfördernden Maßnahme wie dem Verzicht auf Alkohol ein Gewinn. Zumal der Effekt in der deutschen Population möglicherweise größer sein könnte, da hierzulande etwa doppelt so viel Alkohol pro Person konsumiert wird wie in Japan.

Grundsätzlich ist es aus gesundheitlicher Sicht eine gute Idee, auf Alkohol zu verzichten. So teilte kürzlich die DGE mit, dass es – anders als früher vermutet – keinen potenziell gesundheitsfördernden oder unbedenklichen Alkoholkonsum gebe.
Das Schema der Wirklichkeit ist das Dasein in einer bestimmten Zeit
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Gecko
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Re: Studien zum Thema Wein und Gesundheit

Beitrag von Gecko »

Es gibt dazu auch einen Bericht von Jens Priewe:

https://www.weinkenner.de/neue-studie-z ... -verdreht/

Ich denke, daß Alkohol als "Nervengift" auch in kleinen Mengen nicht gerade förderlich sind. Ab wann es anfängt "schädlich" zu werden, sei dahingestellt. Wir setzen uns täglich auch anderen Giftstoffen aus der Umwelt aus, essen hochverarbeitete Lebensmittel etc.

Ich selbst trinke nach einem gesundheitlichen Rückschlag weniger und genieße den Genuss um so mehr....

Grüße, Chris
Viele Grüße,
Chris
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Gerald
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Re: Studien zum Thema Wein und Gesundheit

Beitrag von Gerald »

Schön, bin ich also mit meiner Skepsis bezüglich der Widersprüche zwischen Studienergebnissen und Handlungsempfehlungen in guter Gesellschaft. ;)

Wobei es eben offenbar stark von der Lebensphase abhängt - für einen 80-jährigen wird es relativ egal sein, ob er in ein paar Jahrzehnten einen durch Alkohol ausgelösten Tumor entwickelt. Aber wenn ihn sein tägliches Achterl ein bisschen vor dem Herzinfarkt schützt, ist es das wohl wert. Bei Kindern und Jugendlichen sieht es natürlich komplett anders aus.

Mich wundert aber, dass die Weinwirtschaft noch keine Pressekonferenz o.Ä. abgehalten hat, um auf die Probleme dieser Aussagen aufmerksam zu machen. Schließlich ist ihre Existenz dadurch ja in Frage gestellt. Schockstarre oder bereits Resignation?

Grüße
Gerald
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EThC
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Re: Studien zum Thema Wein und Gesundheit

Beitrag von EThC »

...ein Artikel in Wein.plus zum Thema:

https://magazin.wein.plus/wie-eine-abst ... _medium=DE
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

https://ec1962.wordpress.com/
Pointless
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Re: Studien zum Thema Wein und Gesundheit

Beitrag von Pointless »

Am Wochenende hab ich den "Blindfug" podcast "Der tödliche Tropfen" (Folge 122) gehört in dem es auch um die Gefahren von Alkohol ging. Was mich dann doch umgehauen hat: Die Lancet Studie 2018, die in der Folge zur Neubewertung von Alkohol durch WHO und DGE geführt hat, wurde überwiegend völlig tendenziös bewertet, d.h. die Studie gibt es nicht her beim Konsum von geringen Mengen Alkohol von größeren Gesundheitsgefahren zu sprechen. Das wurde in der Folge in den Medien, auch in denen weiter oben im Faden, falsch dargestellt.

"Verwechselt" wurden wieder mal "absolute" und "relative" Risiken.
Gerd Gigerenzer, ein Risikoforscher m MAx- Planck Institut führt die Website "Unstatistik", in der das gut dargestellt ist
https://www.mpib-berlin.mpg.de/unstatis ... on-alkohol
"Die absoluten Zahlen zeigen folgendes: Von je 100.000 Personen, welche keinerlei Drinks konsumierten, hatten 914 im folgenden Jahr ein Gesundheitsproblem. Bei Personen mit einem Drink pro Tag stieg diese Zahl auf 918. Das heißt, der absolute Risikoanstieg war 4 Personen von 100.000 oder 0,004 Prozent. (Bei zwei Drinks pro Tag war es dann schon mehr, 63 von 100.000 oder 0,063 Prozent.)"

Diese Studie scheint die Basis aller Artikel und der WHO und DGE Empfehlungen zu sein, die uns klar machen, dass schon die geringste Menge Alkohol schädlich ist. :shock:

Heute ist in der FAZ (hinter der paywall) ein Interview mit Dr. Seitz, ein Alkoholforscher. Ich hab mal gesucht was der in frei zugänglichen Artikeln so sagt:
https://www.ndr.de/ratgeber/gesundheit/ ... ol632.html
"Wie viel Alkohol darf man denn trinken?
Seitz: Wir wissen heute: Auch bei geringen Trinkmengen besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Krankheiten und vorzeitigen Tod im Vergleich zu Menschen, die ohne Alkohol leben.....
Wer ein oder zwei Mal die Woche ein Glas Bier oder Wein trinkt, braucht sich in der Regel zwar keine Sorgen zu machen...."

Für mich sieht es so aus, dass der Risikoanstieg bei geringen Mengen Alkohol minimal (wenn überhaupt Statistisch relevant) ist. Gegenüber andern Gefahren die wir eingehen (Autofahren!) völlig vertretbar. Klar, bei erhöhtem Konsum oder vorliegen weiterer Risikofaktoren sieht es anders aus.

Den Blindflug podcast anzuhören lohnt sich. Da geht es auch darum, wer da dahinter steckt/stecken könnte und wie man sich (nicht) dagegen wehrt....

Grüße

Jochen
maxilian7
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Re: Studien zum Thema Wein und Gesundheit

Beitrag von maxilian7 »

Pointless hat geschrieben: Mo 4. Nov 2024, 11:21 "Wie viel Alkohol darf man denn trinken?
Seitz: Wir wissen heute: Auch bei geringen Trinkmengen besteht eine erhöhte Wahrscheinlichkeit für Krankheiten und vorzeitigen Tod im Vergleich zu Menschen, die ohne Alkohol leben.....
Wer ein oder zwei Mal die Woche ein Glas Bier oder Wein trinkt, braucht sich in der Regel zwar keine Sorgen zu machen...."

Für mich sieht es so aus, dass der Risikoanstieg bei geringen Mengen Alkohol minimal (wenn überhaupt Statistisch relevant) ist. Gegenüber andern Gefahren die wir eingehen (Autofahren!) völlig vertretbar. Klar, bei erhöhtem Konsum oder vorliegen weiterer Risikofaktoren sieht es anders aus.
Hallo Jochen,

ich gebe dir mit deinem Beitrag absolut recht. Auch und insbesondere darin, was die Datenbasis betrifft, auf die WHO und DGE ihre Handlungsempfehlungen (vermeidlich) stützen.
Und die Blindflugfolge lege ich ebenso jedem/jeder Interessierten ans Herz.

Aber seien wir doch mal ehrlich: Das Konsumlevel der User hier ist vermutlich in den allermeisten Fällen gesundheitlich bedenklich. Da sprechen wir nicht über "ein oder zwei Mal die Woche ein Glas Bier oder Wein" - da sprechen wir sicher in nicht seltenen Fällen von einer Flasche Wein - jeden Tag. Und darauf hinzuweisen, dass das ggf. nicht ohne gesundheitliche Folgen bleibt, finde ich ehrlich gesagt wichtig und richtig.
Ja, die Datenlage wird verzerrt widergegeben. Und ja, die Studien wurden von Abstinenzlerbewegungen finanziert. Ich bin da selbst schockiert, wie wenig Gegenwehr von den diversen Winzervereinigungen kommt.
Und ich trinke ja selbst mit viel Leidenschaft Wein. Ich wäge also für mich ab, dass diese Genussmomente so viel zu meiner Lebensqualität beitragen, dass sie mir das potentielle Gesundheitsrisiko wert sind.

Es ist absolut legitim, auf Studienmängel hinzuweisen und Handlungsempfehlungen in Frage zu stellen.
Aber der "kritische" Alkoholkonsum, der in diesen Studien untersucht wird, hat ein ganz anderes Niveau als das, was wir uns tagtäglich genehmigen.
Anders gesagt: mich interessiert ziemlich wenig, ob es einen Unterschied macht, ob ich gar nichts trinke oder "ein oder zwei Mal die Woche ein Glas Bier oder Wein". Dafür sind wir hier im Weinforum nicht die Zielgruppe, da liegen wir alle drüber.
Aber mich interessiert schon, ab wann das gesundheitliche Risiko signifikant(!) ansteigt. Spoiler: auch da werden die meisten von uns drüber liegen.
Und sich damit bewusst auseinander zu setzen, finde ich wichtig.

Ich habe den Eindruck, dass viele die jetzt aufgedeckten Studienmängel erleichtert als Vorwand nutzen, ihr Konsumverhalten nicht ändern zu müssen.
Ein Konsumniveau, bei dem ein Gesundheitsrisiko auch statistisch relevant wird.

Jochen, du schreibst es ganz richtig:
Pointless hat geschrieben: Mo 4. Nov 2024, 11:21 Für mich sieht es so aus, dass der Risikoanstieg bei geringen Mengen Alkohol minimal (wenn überhaupt Statistisch relevant) ist. Gegenüber andern Gefahren die wir eingehen (Autofahren!) völlig vertretbar. Klar, bei erhöhtem Konsum oder vorliegen weiterer Risikofaktoren sieht es anders aus.
Man muss sich halt bewusst sein, dass wir die mit dem erhöhten Konsum sind.

Das ist meine Sicht der Dinge.

Viele Grüße,
Max
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Gerald
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Re: Studien zum Thema Wein und Gesundheit

Beitrag von Gerald »

Wie schon früher geschrieben: man kann ja auch nicht alle Konsumenten über einen Kamm scheren. Wenn ein 70-jähriger aufgrund seines Alkoholkonsums in 30 Jahren eine Tumorerkrankung bekommt, wird das ihm vermutlich relativ egal sein können, die vermutliche Reduktion von Herz-Kreislauf-Erkrankungen bei mäßigem Konsum wird das Risiko wohl mehr als wettmachen. Bei einem 20-jährigen sieht es natürlich ganz anders aus. Das sagt ja auch die Tabelle im DGE-Dokument aus und widerspricht damit der Kernaussage komplett ...
Das Konsumlevel der User hier ist vermutlich in den allermeisten Fällen gesundheitlich bedenklich.
Das habe ich mich bisher nicht zu schreiben getraut, trifft die Sache aber vermutlich ganz gut. Ich bin immer wieder überrascht, wie viele Weine manche hier im Forum in kurzer Zeit probiert haben und kann persönlich da nicht im mindesten mithalten. Aber vermutlich sind es ja immer nur Probeschlucke bei einer gemeinsamen Verkostung. :?

Ich denke, die vor einiger Zeit genannte Menge von maximal 100 g Alkohol pro Woche - wo man seine Lebenserwartung noch nicht statistisch signifikant reduziert - ist ein guter Anhaltspunkt und ich versuche, mich daran zu halten. Die Weinwirtschaft wird damit aber keine Freude haben. ;)

Grüße
Gerald
JPO
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Re: Studien zum Thema Wein und Gesundheit

Beitrag von JPO »

ist es dann nicht mal wieder an der Zeit, eine Umfrage zum Weinkonsum in diesem Forum zu starten? Die letzte und bisher einzige Umfrage ist aus 2010, und seitdem haben die Mitglieder sicherlich mehrfach gewechselt, so dass das Ergebnis aus 2010 nicht mehr repräsentativ für den derzeitigen Mitgliederbestand sein dürfte.
Pointless
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Re: Studien zum Thema Wein und Gesundheit

Beitrag von Pointless »

maxilian7 hat geschrieben: Mo 4. Nov 2024, 14:04 Aber seien wir doch mal ehrlich: Das Konsumlevel der User hier ist vermutlich in den allermeisten Fällen gesundheitlich bedenklich. Da sprechen wir nicht über "ein oder zwei Mal die Woche ein Glas Bier oder Wein" - da sprechen wir sicher in nicht seltenen Fällen von einer Flasche Wein - jeden Tag. Und darauf hinzuweisen, dass das ggf. nicht ohne gesundheitliche Folgen bleibt, finde ich ehrlich gesagt wichtig und richtig.
Ja, die Datenlage wird verzerrt widergegeben. Und ja, die Studien wurden von Abstinenzlerbewegungen finanziert. Ich bin da selbst schockiert, wie wenig Gegenwehr von den diversen Winzervereinigungen kommt.
Und ich trinke ja selbst mit viel Leidenschaft Wein. Ich wäge also für mich ab, dass diese Genussmomente so viel zu meiner Lebensqualität beitragen, dass sie mir das potentielle Gesundheitsrisiko wert sind.
So sehe und mache ich das auch. Ich denke man sollte sich da nicht in die Tasche lügen. Im Kern geht es mir aber um das Recht auf eine freie Entscheidung, die zumindest vor dem Suchtlevel möglich sein sollte. Frei heißt aber auch auf Basis einer objektiven Faktenlage, d.h. bei der Abwägungsentscheidung muss ich wissen welche Gefahr ich auf welchem Level eingehe und ob mir das der Genuss wert ist. Da ärgert mich diese Propaganda. Ich für mich ziehe da die Grenze auch relativ früh (1 Fl/Woche), ich will aber niemandes Entscheidung bewerten da mehr ins Risiko zu gehen. Genauso wenig will ich bewerten ob es eine vernünftige Entscheidung ist Ski zu fahren, zu kiffen oder zu klettern, geht mich doch gar nichts an! Steht doch nirgends geschrieben, dass man seine "health span" maximieren muss. Meine Leber gehört mir! Drum stößt mich dieser missionarische Ansatz auch ab!
LG
Jochen
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