Interview: Weinhändler Luca Lobenberg

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Ollie
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Re: Interview: Weinhändler Luca Lobenberg

Beitrag von Ollie »

Naja, die Statistiken sind eher für das gesamte Anbaugebiet zählen und nicht so sehr für die Kategorie Winzer, die wir hier diskutieren. Aber sei es mal so. Ich habe kein Problem damit anzuerkennen, daß die trockenen Weine volumenmäßig deutlich weniger wichtig sind als die untrockenen. Und wertmäßig wohl auch noch, wenn auch vielleicht weniger deutlich. Aber das tut dem Problem ja keinen Abbruch.
ehaupten, daß die GG von der Mosel großflächig katastrophal seien. Mir jedenfalls ist außer von der genannten Ikone Clemens Busch noch nichts untergekommen, das auch nur ansatzweise mit denen aus Rheinhessen oder von der Nahe mithalten konnte
Fair enough. Dann siehst du also ein Qualitätsproblem beim Mosel-GG? Nota bene: Lobenberg spricht ja genau davon, daß die Weine zwar super seien, aber dennoch nicht flögen. Also ist seine Beobachtung falsch?

Oder doch nur ein Wahrnehmungsproblem, so nach dem Politikermotto "Unsere Weine sind super, wir müssen sie nur besser erklären"?

Cheers,
Ollie
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Bernd Schulz
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Re: Interview: Weinhändler Luca Lobenberg

Beitrag von Bernd Schulz »

Ollie hat geschrieben: Mi 16. Okt 2024, 13:14 Meiner Meinung nach konnten die Moselwinzer ihre süßen Weine nur deshalb deutlich verteuern, weil im Kielwasser des VDP-GGs die Preise für trockene Rieslinge explodiert sind
Viele Moselwinzer haben ihre süßen Weine überhaupt nicht deutlich verteuert. Ich habe gerade mal im alten GM nachgeschaut: Ein 2008er Juffer-Kabi von Haag hat seinerzeit 12,50 gekostet. Ein 23er kostet 17,90. Ich war immer schlecht in Mathe, aber grob über den Daumen gepeilt sieht mir das nach einer Preissteigerung von knapp 50% in 15 Jahren (!) aus, was noch nicht einmal der Inflationsrate entsprechen dürfte.

Für entsprechend substanzschwach halte ich auch manches andere vom dem, was du vorbringst.... ;)

Beste Grüße

Bernd
Ollie
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Re: Interview: Weinhändler Luca Lobenberg

Beitrag von Ollie »

Ich glaube, du bist nur in Mathe noch schlechter als im Argumentieren, aber danke für deinen Beitrag, Bernd. ;)
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glauer
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Re: Interview: Weinhändler Luca Lobenberg

Beitrag von glauer »

Ollie hat geschrieben: Mi 16. Okt 2024, 14:06
Fair enough. Dann siehst du also ein Qualitätsproblem beim Mosel-GG? Nota bene: Lobenberg spricht ja genau davon, daß die Weine zwar super seien, aber dennoch nicht flögen. Also ist seine Beobachtung falsch?

Oder doch nur ein Wahrnehmungsproblem, so nach dem Politikermotto "Unsere Weine sind super, wir müssen sie nur besser erklären"?

Cheers,
Ollie
Ich könnte mir vorstellen, dass es manchen wie mir geht, gerade im Lobenbergschen Kundenkreis. GGs kaufe ich seit es sie gibt und schon vor gut 15 Jahren hatten sich dann eine Reihe von Lieblingsweinen herauskristallisiert von denen ich jedes Jahr ein sixpack gekauft habe. Dazu noch regelmäßig ordentlich Beifang je nach Jahrgang bzw. der sich zufällig ergebenden Winzerbesuche. Die letzten Jahre ist mir dann klargeworden, dass ich deutlich zu viel Wein habe und immer noch kaufe. Daraufhin habe ich einige GGs aus der jährlichen Bestellung genommen und vor allem auch die eher zufälligen Bestellungen aufgrund irgendwelcher Empfehlungen reduziert. Dass in dieser Zeit trockene MSR Weine einen deutlichen Aufschwung genommen haben ist mir nicht entgangen. Ich habe aber ganz bewusst noch nicht einmal Einzelflaschen gekauft weil ich dringend weniger und nicht mehr Riesling im Keller brauche.
Dazu kommt noch, dass GGs generell inzwischen ein Preisniveau haben das mich zu deutlich gezielterem Einkaufen veranlasst.
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harti
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Re: Interview: Weinhändler Luca Lobenberg

Beitrag von harti »

Soweit ich Lobenberg verstanden habe, handelt es sich um aktuelle Entwicklungen. Wenn der Verkauf von Mosel-Weinen aktuell schwächelt und insbesondere der der Großen Gewächse, dann kann es wohl nicht der Qualität liegen - zumindest wenn man unterstellt, dass sich diese nicht verschlechtert hat.

Ich versuche mal zwei andere Erklärungsansätze.

Nummer 1: GG von der Mosel haben ein Image-Problem, wohl auch deswegen, weil es in der Vergangenheit zuviele weniger gelungene gab. So habe ich z.B. von 2 Kartons 2016er GG von Fritze Haag (im Sonderangebot geschnappert) immer noch 9 oder 10 Flaschen liegen, einfach weil ich diesen Wein nicht runter kriege (nicht wirklich trocken und mit fieser Botrytis-Note).

Nummer 2: Mosel-GG haben ein schlechtes Reifevermögen, so z.B. erlebt bei der Verkostung eines 18er Abtsberg GG in diesem Jahr, das sich schon in der fortgeschrittenen Verwesungsphase befand.

Für mich als (ehemaliger) GG-Mosel-Käufer heißt dies: Lieber die Finger davon lassen und die richtigen Weine, u.a. von der Nahe oder aus Rheinhessen und Pfalz, kaufen.

Grüße

Hartmut
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UlliB
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Re: Interview: Weinhändler Luca Lobenberg

Beitrag von UlliB »

harti hat geschrieben: Mi 16. Okt 2024, 15:42 So habe ich z.B. von 2 Kartons 2016er GG von Fritze Haag (im Sonderangebot geschnappert) immer noch 9 oder 10 Flaschen liegen, einfach weil ich diesen Wein nicht runter kriege (nicht wirklich trocken und mit fieser Botrytis-Note).
Ha! Ganz genau an Fritz Haag habe ich gedacht, als ich diesen Thread las. Juffer GG 2015 und 2016: nicht nur schwach, sondern fast schon unterirdisch. Gleichzeitig macht der Winzer in restsüß grandiose Sachen, und das auch aus diesen beiden Jahrgängen. Jetzt darf man es sich aussuchen: entweder kann er GGs nicht besser, oder es interessiert ihn nicht wirklich. Werbung für die Kategorie "Mosel-GG" ist das jedenfalls nicht.

Noch zu einem Punkt weiter oben:
Ollie hat geschrieben: Ich weiß gar nicht, ob JJ Prüm überhaupt ein trockenes GG macht,
Nein. Es gab hin und wieder mal eine trockene Spätlese, aber auch das nur selten. Die letzte, die ich kenne, stammt aus 2011. Und die ist auch nur legistisch trocken.

Egon Müller / Scharzhof macht auch nur restsüße Weine. Wenn man weitersucht, wird man wahrscheinlich noch ein paar VDP-Betriebe von der Mosel finden, die (fast) nur in restsüß unterwegs sind. Der Schwerpunkt liegt ganz eindeutig (noch?) da.

Gruß
Ulli
jessesmaria
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Re: Interview: Weinhändler Luca Lobenberg

Beitrag von jessesmaria »

UlliB hat geschrieben: Mi 16. Okt 2024, 16:10
harti hat geschrieben: Mi 16. Okt 2024, 15:42 So habe ich z.B. von 2 Kartons 2016er GG von Fritze Haag (im Sonderangebot geschnappert) immer noch 9 oder 10 Flaschen liegen, einfach weil ich diesen Wein nicht runter kriege (nicht wirklich trocken und mit fieser Botrytis-Note).
Ha! Ganz genau an Fritz Haag habe ich gedacht, als ich diesen Thread las. Juffer GG 2015 und 2016: nicht nur schwach, sondern fast schon unterirdisch.
Komisch – immerhin zur Sonnenuhr schreibt Parker über 2016: "Probably the best 'Grosses Gewächs' I have ever had from this domaine." Weinwisser: "Meiner bescheidenen Meinung nach können die Grossen Gewächse aus dem Jahrgang 2016 die neuen 2008er werden. Damit soll gesagt sein, dass sie nicht nur eine grosse, sondern auch lange Zukunft vor sich haben, besonders, wenn sie mit einer mineralischen Substanz ausgestattet sind, wie man sie bei Oliver Haags Juffer Sonnenuhr vorfindet.", Gerstl: "Der ist ganz einfach unfassbar gut, das ist wohl der grösste trockene Wein in der Geschichte dieses Weinguts, so sagenhaft leichtfüssig war er noch nie – und auch in Sachen Aromatik geht die Post ab, Konzentration und Komplexität sind enorm, das ist ein wahres Meisterwerk des Rieslings. Falls es noch einen Beweis braucht, dass die Mosel trockenen Riesling von absoluter Weltspitzenklasse produzieren kann: Hiermit ist er auf eindrücklichste Art und Weise erbracht."

Ja, ich weiß, Gerstl muss seine Weine verkaufen, liebt wie Lobenberg Superlative und überhaupt ist es cool, auf Kritikermeinungen zu pfeifen, aber dass derart gepriesene Weine ungenießbar und unterirdisch sein sollen: beweist das nur mal wieder, wie absolut subjektiv die Urteile sind, oder welche Schlüsse soll man als Leser daraus ziehen? Selbst ausprobieren kann ich leider nicht, hab erst ab Jahrgang 2020 Fritz Haag GGs und hoffe, sie sind besser.

Eine andere Beobachtung von Luca finde ich interessant: Viele Bestandskunden haben ihre Weinkeller bereits so prall gefüllt, dass sie kaum hinterherkommen mit dem Trinken und deshalb nur wenig hinzukaufen. Das deckt sich mit meiner persönlichen Beobachtung im Bekanntenkreis und auch bei mir selbst. Aber warum sollte das eigentlich jetzt mehr zutreffen als etwa vor 5 oder 10 Jahren? Müsste es das Phänomen der zu vollen Keller nicht schon immer gegeben haben? Oder gab es etwa im vergangenen Jahrzehnt einen besonderen Weinhype, bei dem so viel gekauft wurde, dass nun jeder zu viel hat?
Ollie
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Re: Interview: Weinhändler Luca Lobenberg

Beitrag von Ollie »

UlliB hat geschrieben: Mi 16. Okt 2024, 16:10 Ha! Ganz genau an Fritz Haag habe ich gedacht, als ich diesen Thread las. Juffer GG 2015 und 2016: nicht nur schwach, sondern fast schon unterirdisch. Gleichzeitig macht der Winzer in restsüß grandiose Sachen, und das auch aus diesen beiden Jahrgängen. Jetzt darf man es sich aussuchen: entweder kann er GGs nicht besser, oder es interessiert ihn nicht wirklich. Werbung für die Kategorie "Mosel-GG" ist das jedenfalls nicht.
Guter Punkt von euch beiden. Tatsächlich war 2016 der letzte Jahrgang, in dem ich noch systematisch GGs verkostet habe, und damals gab's noch ziemlich viele weniger gut oder gar furchtbar ungelungene Sachen aus der Mosel. Ich glaube, neben dem fehlenden "Wollen" war auch ganz deutlich das fehlende "Können" ein Problem (deswegen schrieb ich oben "unterbelichtet"), zumindest bei denen, die erst sehr spät auf die Lernkurve aufgesprungen waren. Mittlerweile aber sollten die Mosel-GGs derjenigen Winzer, die sich wirklich "committed" haben, gegen das allgemeine Qualitätsniveau der Restrepublik konvergiert sein, oder nicht? Das wäre dann also das von harti angesprochene "Imageproblem".
UlliB hat geschrieben: Mi 16. Okt 2024, 16:10 Nein. Es gab hin und wieder mal eine trockene Spätlese, aber auch das nur selten. Die letzte, die ich kenne, stammt aus 2011. Und die ist auch nur legistisch trocken.
Okay, ich hätte sogar vermutet, daß Prüm noch nie etwas Trockenes gemacht hätte.

(Während ich diese Zeilen schreibe, versuche ich mich zu erinnern, ob Prüm überhaupt im VDP ist - so wenig Relevanz hat der VDP für mich an der Mosel, daß ich es mir gar nicht erst merke. - Sogar Heymann-Löwenstein hat den VDP-Adler auf der Halskrause - in Schwarz auf schwarzem Grund, als ob er sich genieren würde. :lol: )

Cheers,
Ollie
Zuletzt geändert von Ollie am Mi 16. Okt 2024, 16:36, insgesamt 1-mal geändert.
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maha
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Re: Interview: Weinhändler Luca Lobenberg

Beitrag von maha »

jessesmaria hat geschrieben: Mi 16. Okt 2024, 16:24 Eine andere Beobachtung von Luca finde ich interessant: Viele Bestandskunden haben ihre Weinkeller bereits so prall gefüllt, dass sie kaum hinterherkommen mit dem Trinken und deshalb nur wenig hinzukaufen. Das deckt sich mit meiner persönlichen Beobachtung im Bekanntenkreis und auch bei mir selbst. Aber warum sollte das eigentlich jetzt mehr zutreffen als etwa vor 5 oder 10 Jahren? Müsste es das Phänomen der zu vollen Keller nicht schon immer gegeben haben? Oder gab es etwa im vergangenen Jahrzehnt einen besonderen Weinhype, bei dem so viel gekauft wurde, dass nun jeder zu viel hat?
Sicher, volle Keller gab es sicher schon immer. Aber aufgrund der (allgemeinen) Preissteigerungen der letzten Jahre, nicht nur bei Wein, fällt die Kaufentscheidung bei vielen (inklusive mir) in punkto Replenishment eher zugunsten anderer Waren des täglichen Bedarfs aus, und nicht eben mehr so viel pro Wein.
Auch mein Keller ist traditionell schon sehr voll, was mich aber vor Corona nicht davon abgehalten hat, mehr nachzukaufen als ich konsumiert habe. Das ist seit ca 5 Jahren deutlich weniger geworden. Bei LOB hab ich schon ewig nichts mehr gekauft.
Der schönste Sport ist der Weintransport!
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UlliB
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Re: Interview: Weinhändler Luca Lobenberg

Beitrag von UlliB »

jessesmaria hat geschrieben: Mi 16. Okt 2024, 16:24 Komisch – immerhin zur Sonnenuhr schreibt Parker über 2016: [...]
Bei mir war's beides mal das Juffer-GG und nicht die Juffer-Sonnenuhr. Mag sein, dass es da relevante Unterschiede gibt.

Bei der 16er Variante geht es mir jedenfalls genau so wie Hartmut: ich kriege die kaum runter. Und ich bin sonst in einer großen stilistischen Bandbreite unterwegs und insofern, was Normabweichungen betrifft, recht tolerant.
Ja, ich weiß, Gerstl muss seine Weine verkaufen, liebt wie Lobenberg Superlative und überhaupt ist es cool, auf Kritikermeinungen zu pfeifen, aber dass derart gepriesene Weine ungenießbar und unterirdisch sein sollen: beweist das nur mal wieder, wie absolut subjektiv die Urteile sind, oder welche Schlüsse soll man als Leser daraus ziehen?
Ich sehe ein Hauptproblem darin, dass die Händler und auch die meisten Kritiker Jungweine beurteilen und ihre Bewertungen später in aller Regel nicht mehr verifizieren (oder jedenfalls nicht mehr darüber berichten). Ausnahme vielleicht bei Bordeaux, da gibt es die groß angelegten "10-year-after"-Verkostungen, über die berichtet wird, und zumindest bei Parker wurde durch ihn selber oder seine Mitarbeiter auch im Verlauf immer mal wieder eine Flasche geöffnet und dabei gelegentlich das anfängliche Urteil gründlich revidiert. Aber sonst: da gilt in aller Regel "fire and forget", was aus den Weinen wird, wird nicht berichtet. Dass es Kandidaten gibt, die notorisch schlecht haltbar sind und wenige Jahre nach der Abfüllung nur noch ein Schatten ihrer selbst sind, ist kein Thema.

Gruß
Ulli
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