Trockener Riesling: Frucht vs. Stein

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octopussy
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Trockener Riesling: Frucht vs. Stein

Beitrag von octopussy »

Ich möchte an dieser Stelle mal ein Winzer- und Gegend-übergreifendes Thema anschneiden, trockenen Riesling betreffend. Anlass ist der bereits hier diskutierte Artikel von H.O. Spanier in der WELT. Mir fällt in dem Artikel, aber auch darüber hinaus auf, dass in Weinbeschreibungen gelbe Fruchtaromen in trockenem Riesling zunehmend negativ beurteilt werden, wobei unfruchtige und mit Steinen assoziierte Aromen (nasser Stein/Kiesel/Schiefer, Rauchigkeit, Salz, Mineralien) zunehmend positiv und als Ausdruck von Anspruch aufgefasst werden.

Provokant und natürlich leicht überspitzt gefragt: Hat Frucht (v.a. die berüchtigte "Gelbfrucht", mit der wahrscheinlich hauptsächlich gelber Pfirsich und Aprikose gemeint ist) im gehobenen trockenen Riesling generell nichts zu suchen? Ist ihre Präsenz ein Ausdruck von Anspruchslosigkeit und Gefälligkeit und daher dem Gutsriesling vorbehalten? Und bei welchen trockenen Rieslingen (d.h. von welchem Boden) kann die Frucht noch akzeptiert werden?
Beste Grüße, Stephan
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Birte
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Re: Trockener Riesling: Frucht vs. Stein

Beitrag von Birte »

Nach meiner subjektiven Wahrnehmung wurde man eine Zeit lang mit Gelbfrucht überschüttet. Und alles, was nicht mehr rar ist, wird eben schnell gewöhnlich. Vor ca 15 Jahren habe ich verzweifelt bei meinem Stammweinhändler nach steinigen Rieslingen gesucht, was in der Preisklasse, in der ich damals einkaufte, aussichtslos war. Der Weinhändler erklärte mir damals, dass gerade die Gelbfrucht die Auszeichnung des Rieslings sei. Soll man wirklich den persönlichen Geschmack dem Mode Diktat unterwerfen? Ich finde diesen Welt Artikel nicht. Wo ist er?
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octopussy
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Re: Trockener Riesling: Frucht vs. Stein

Beitrag von octopussy »

Birte hat geschrieben: Ich finde diesen Welt Artikel nicht. Wo ist er?
http://www.welt.de/print/wams/lifestyle ... rroir.html
Beste Grüße, Stephan
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innauen
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Re: Trockener Riesling: Frucht vs. Stein

Beitrag von innauen »

Die letzte Vinum teilte bei der grossen Brunelli Verkostung die Vielzahl der Erzeuger nach ihrer Charkteristik auf. Klassische Brunelli wurden zB getrennt von modernen gewertet. So eine Kategorisierung bietet sich erst Recht bei so einer vielseitigen Rebsorte wie Riesling an. Man kann schon die Weine von Wittmann und Keller schwer miteinander vergleichen, auch wenn sie zB beide aus dem Morstein stammen und trockene Auslesen repräsentieren. Keller interpretiert den Morstein streng mineralisch, während bei Wittmann die Fruchtaromen strahlen und sich an tabakigen und mineralischen Noten brechen. Wie soll man diesen Unterschieden mit Punkten gerecht werden? Persönliche Vorlieben scheinen mir hier eher den Ausschlag zu geben. Ein unlängst getrunkener Riesling von Falstaff "Winzer des Jahres 2011" Johannes Hirsch war mit seiner Kühle, seiner Puristik und seinen vordringlich tabakigen Noten nichts für mich. Andere finden es offenbar spannend.

Ich werde jedenfalls Aprikosen im Wein weiter positiv bewerten :twisted:

Grüße,

wolf
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Bernd Schulz
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Re: Trockener Riesling: Frucht vs. Stein

Beitrag von Bernd Schulz »

Hat Frucht (v.a. die berüchtigte "Gelbfrucht", mit der wahrscheinlich hauptsächlich gelber Pfirsich und Aprikose gemeint ist) im gehobenen trockenen Riesling generell nichts zu suchen?
Das ist eine Frage, die sich ganz gewiss nicht pauschal beantworten lässt.

Frucht im Riesling finde ich grundsätzlich sehr attraktiv. Nur ist Frucht eben nicht gleich Frucht. In der Form, in der sie oft mittels Enzymen, Reinzuchthefen und/oder moderner Kaltvergärungstechnik dem Wein aufgedrückt wird, wirkt sie seltsam gesichtslos und geschmacksnivellierend, zumal ihr dann oft das mineralische Gegengewicht fehlt.

Für meine Begriffe kommt es also stark darauf an, wie die Fruchtkomponenten in den Wein gekommen sind.

Beste Grüße

Bernd
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Birte
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Re: Trockener Riesling: Frucht vs. Stein

Beitrag von Birte »

Für meine Begriffe kommt es also stark darauf an, wie die Fruchtkomponenten in den Wein gekommen sind.
Finde ich auch wichtig. Allerdings fand ich auch schon Frucht in spontanvergorenen Weinen je nach Phase aufdringlich zum Beispiel bei Alexander Laible, obwohl ich seine Weine sonst schätze. Mag aber auch daran liegen, dass meine Geschmacksnerven schon immer Stein fixiert waren
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Charlie
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Re: Trockener Riesling: Frucht vs. Stein

Beitrag von Charlie »

Konzepte wie Terroir und Mineralität gehen Hand in Hand auch wenn sie streng genommen nichts miteinander zu tun haben. Hier weht der Zeitgeist und läßt die Jünger in Zungen sprechen. Falls es Zeitgeist (also etwas mehr als Mode) sein sollte, dann passt er zu der Tendenz, auf Ornamente zu verzichten, sich auf die Substanz, die klare Linie oder so ähnlich zu konzentrieren.

Charlie (Feuilletonist 3. Grades)
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Birte
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Re: Trockener Riesling: Frucht vs. Stein

Beitrag von Birte »

Konzepte wie Terroir und Mineralität gehen Hand in Hand auch wenn sie streng genommen nichts miteinander zu tun haben
Warum haben sie streng genommen nichts miteinander zu tun???
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Weinzelmännchen
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Re: Trockener Riesling: Frucht vs. Stein

Beitrag von Weinzelmännchen »

Weinereben, die auf Sand oder Lehmböden stocken, haben sicher ein spezifischesTerroir aber keine Mineralität :geek: .
MvG
(Mit vinophilen Grüssen)

Daniel
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Birte
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Re: Trockener Riesling: Frucht vs. Stein

Beitrag von Birte »

Weinereben, die auf Sand oder Lehmböden stocken, haben sicher ein spezifischesTerroir aber keine Mineralität
Weil Sand, weil Lehm daraus folgt keine Mineralität, daraus folgt Abhängigkeit Boden, Mineralität. Logik Seminar Teil 1. ;)
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