Bordeaux 2021

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
Chrysostomus
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Re: Bordeaux 2021

Beitrag von Chrysostomus »

Hallo Jochen!

Hab gerade noch einmal meine Kurznotizen (nur Punkte) durchgesehen, soweit ich sie noch gefunden habe. Alles natürlich sehr subjektiv (Mai 24):

Capbern 88
Meyney 90
Malartic-Lagraviere 90
Laroque 89
Lassegue 89
Petit Gravet Aine 90
Clinet 93
L'If 91
Pavie Macquin 92
Leoville Poyferre 90
Lynch Bages 91
Grand Puy Lacoste 92

Die Gruppe war sich im Großen und Ganzen relativ einig. L'If und Petit Gravet Aine hat die Mehrheit der Teilnehmer höher bewertet, als ich, soweit ich das noch in Erinnerung habe.
.....
Die Weine wurden verdeckt in 3er-Flights eingeschenkt und die Punktevergabe kam vor der Auflösung, also relativ (!) vorbehaltslos
Insgesamt hatte ich einen besseren Eindruck vom Jahrgang 2021, als ich mir vor der Verkostung erwartet hätte. Im Nachhinein betrachtet ist eine 89-Punkte-Bewertung für den Phelan Segur in Ansehung der damaligen Noten noch sehr schmeichelhaft, Capbern war zB sicher nicht schlechter, allerdings auch nicht viel besser. Wie gesagt, alles Momentanaufnahmen, stimmungsabhängig, Flaschenqualität, Verschluss ja/nein, Mondphasen, Blutdruck, ;)
...
Enttäuscht war ich von Capbern (den ich eigentlich als P/L-Wein die letzten Jahre sehr gut fand), von Laroque (ist aber auch der einzige 2019er, der mich bis jetzt nicht überzeugt hat) und ein wenig von Leo Poyferre. Durchaus positiv habe ich GPL und Clinet (den ich allerdings in besseren Jahren nicht oft im Glas hatte) und Pavie Macquin in Erinnerung.
Es war für mich die dritte derartige Arrivage-Verkostung mit Weinen im oben geschilderten Rahmen und ähnlichen Kategorien und für mich siegt eindeutig Jahrgang 2019 vor 2020 und 2021. Im Schnitt war für mich 2019 bei gleichen Weinen ca. 3-4 Punkte über 2021 (zur Kalibrierung), 2020 irgendwo dazwischen. Wobei Ausreißer nach oben und unten dabei waren (Leo Poyferre war für mich zB 2019 ein 97er, GPL "nur" ein 93er). Die Komplexität, den vertikalen Druck, die perfekte Tanninstruktur und Reife, aber dennoch Frische im Jahrgang 2019 habe ich in dieser Breite in anderen Jahrgängen (noch) nicht gefunden...

Punkte sind immer subjektiv, genauere Notizen konnte ich mir leider nicht machen. Ich hoffe, es gibt zumindest meine Eindrücke ein wenig wieder, auch wenn Geschmäcker sehr verschieden sind...
Schöne Grüße, Markus
Ollie
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Re: Bordeaux 2021

Beitrag von Ollie »

Hi Chrysostomus,

vielen Dank für deinen Beitrag, endlich gibt's etwas im Forum zu lesen, bei dem nicht viele Neurônen sterben. :mrgreen:

Chrysostomus hat geschrieben: Do 1. Aug 2024, 16:52 Insgesamt hatte ich einen besseren Eindruck vom Jahrgang 2021, als ich mir vor der Verkostung erwartet hätte.
Überrascht mich nicht. :mrgreen: Wie habt ihr (oder wie hast du) denn das Entwicklungspotential der Weine gesehen? Also: eher jung trinken oder durchaus was für die Langstrecke? Ich bin mir noch nicht ganz sicher, was ich denken soll.

Chrysostomus hat geschrieben: Do 1. Aug 2024, 16:52 Grand Puy Lacoste 92 [2019 "nur" ein 93er]
Auch das überrascht mich nicht. Die Gleichmäßigkeit von GPL ist echt ein bißchen shocking. Gerade in kühlen Jahren sind die mit ihrem ausgereiften Cabernet immer sehr gut beinander.

Chrysostomus hat geschrieben: Do 1. Aug 2024, 16:52 Enttäuscht war ich von (...) Laroque (ist aber auch der einzige 2019er, der mich bis jetzt nicht überzeugt hat)
Das wiederum finde ich sehr bemerkenswert. Bislang hat es Laroque nämlich in keinem Jahrgang geschafft, mich irgendwie zu beeindrucken, dabei wird der Wein seit dem 2018er ja nun wirklich abgefeiert, als ob's nur wenig Besseres gäbe. Beruhigt mich ein wenig, daß ich nicht alleine dastehe mit dieser Enttäuschung.

Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.

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Sauternes
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Re: Bordeaux 2021

Beitrag von Sauternes »

Hallo Markus,

auch von mir vielen Dank für deine Bewertungen, schon sehr aufschlussreich.
GPL und Phelan Segur kenne ich aus 2019 und 2020, gefallen mir beide sehr gut, beim Phelan Segur gefällt vor allem das tolle Preis- Genuss Verhältnis.
Das da nun 2021 nicht so gut gelungen ist, überrascht schon etwas, gleichzeitig fühle ich mich bestätigt, aus 2021 nur sehr selektiv gekauft zu haben, praktisch analog zu 2023 ist es tatsächlich nur Les Carmes Haut Brion gewesen, eine Probeflasche ist für den Herbst anvisiert.

Grüße Heiko
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Jochen R.
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Re: Bordeaux 2021

Beitrag von Jochen R. »

Danke Markus für das Feedback, sehr informativ!

@Ollie,
was überrascht dich nicht, wenn ich fragen darf? Welche 21er sind denn für dich (besonders) gut gelungen? Und - um einen Kalauer auf meine Kosten nicht nötig zu machen :mrgreen: : GPL habe ich gelesen.

Viele Grüße,
Jochen
"Viele haben eine Meinung, aber keine Ahnung." (Franz Müntefering)
pessac-léognan
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Re: Bordeaux 2021

Beitrag von pessac-léognan »

Auch von meiner Seite, Markus, vielen Dank für deine Ausführungen zu 2019 - 2021.
Ich bin über die zurückhaltende Bewertung der meisten 21er nicht sehr überrascht. Ich denke halt schon, dass entgegen einigen sehr wohlwollenden Benotungen en primeur durch gewisse Profiverkoster, unter dem euphemistischen Nenner "klassisch", 2021 in der Masse enttäuscht, obwohl einige große Güter sicher gute Weine "ablieferten".
(Bei Denner in der Schweiz werden manche übrigens zu 50% des Arrivage-Preises verhökert.)
Interessanter finde ich jedoch deine Äußerungen zu Laroque 2019. Auch mir, wie offenbar auch Ollie, sind die teils extrem hohen Bewertungen damals ein Rätsel. Petit Gravet-Aîné wiederum, den du auch erwähnst, ist oft bereits kurz nach der Arrivage bereits extrem verschlossen. Die en-primeur-Fruchtbombe braucht einfach viel Geduld, mit seinen 80, neuerdings 90-95% CF. Der 2010er hat erst gerade begonnen, in sein Trinkfenster zu treten. Und der wird noch besser. Seine 15% ABV sind nicht bemerkbar, so frisch und leicht hüpft er über Zunge und Gaumen, dabei irre komplex, ein Wahnsinnswein (95 Punkte) angesichts seines Preises (40/50 €/CHF).
Gruß
Jean
Chrysostomus
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Re: Bordeaux 2021

Beitrag von Chrysostomus »

Danke für die vielen Rückmeldungen!

Für meinen Geschmack und mit meiner eher kurzen Erfahrung (<10 Jahre) mit jungen Bdxs. würde ich eher vermuten, dass 2021 früh am Höhepunkt sein könnte und keine 10-20 Jahre im Keller bleiben muss. Ich denke sogar (das ist aber wirklich mein persönlicher, unprofessioneller Eindruck), dass die Weine nicht mehr zulegen werden. Einige können jung Freude machen (siehe Bericht oben), weil sie in einer schönen, eleganten Fruchtphase sind; einige wohl überhaupt nie, weil, wie bei Phelan Segur, nahezu keine Frucht vorhanden ist . Nur zur Orientierung: derzeit trinke ich sehr gerne 2002 und 2004, auch diese Weine wurden anfangs ja nicht gerade in den Himmel gehoben. Auch in diesen Jahrgängen muss man sich durchkosten, da sie sehr heterogen sind. Ich erkenne nur im Jahrgang 2021 schlichtweg nichts, was einer Langlebigkeit das Rückgrat bilden könnte. Für mich mangelt es an Tanninstruktur und Säure, an Vollmundigkeit/vertikalem Druck und sogar an Primärfrucht.
Ich habe mich für meine Verhältnisse 2021 auch zurückgehalten, nur jeweils 3 Flaschen einiger Weingüter gekauft, wogegen ich 2019 "in die Vollen" gegangen bin und von vielen Weingütern OHKs bestellt habe - auch angesichts der damaligen Preise eine gute Entscheidung!

Phelan Segur im Speziellen ist für mich so etwas wie eine "Hassliebe": 2018 war bei der Arrivage großartig, aber relativ schnell im Verschluss. 2019 bei der Arrivage sehr gut, bleibt konstant. 2015 und vor allem 2016 sehr gut. Alte Jahrgänge wie 1989 für mich großartig, 2000, 2005 und vor allem 2003 aber gegenüber Vergleichbarem, wie Lafon Rochet, der 2003 großartig ist, eher bescheiden bis schlecht. 2003 für mich besonders schade, da die Weingüter in St.Estephe aus meiner Sicht die Herausforderungen des Jahrgangs verhältnismäßig am besten meistern. Lafon Rochet im P/L-Bereich und Cos, sowie vor allem Montrose haben für mich in diesem Jahrgang Referenzen abgeliefert, die allen Unkenrufen zum Trotz die Schönheit des 2003ers verdeutlichen (der Abgang des Montrose 2003 ist endlos und die Struktur flüssige Seide...ein stiller Wein zum Niederknien, kein Rockstar!)

Laroque lässt mich halt auch sehr ratlos zurück, weil so oft gehypt. Vielleicht ist es der fast nicht vorhandene Cabernet, vielleicht einfach die Grundstilistik, die mich nicht so recht abholt.

GPL ist für mich auch nicht die große Konstante, wenn auch in guten Jahren mit hervorragendem Preis/Leistungsverhältnis (auf hohem Niveau, versteht sich). 2021 hat mich positiv überrascht - das mit dem Cabernet in "kühleren" Jahren ist durchaus möglich, Ollie!

Zurück zu 2021 generell: ich habe mir für mich notiert, dass ich die Weine schnell trinken werde und eventuell nur einzelne Flaschen reifen lassen will. Vielleicht erlebt der Jahrgang ja doch noch eine unerwartete Renaissance - aus jetziger Sicht glaube ich nicht daran. Und wenn: sie werden sicher noch sehr sehr günstig nach zu kaufen sein, davon gehe ich aus!
Übrigens war für mich die Erfahrung mit 2021 und die Bewertungen der Profis Grund dafür, 2023 praktisch gar nichts zu subskribieren, da ich mir bei der Arrivage selbst einen Eindruck machen möchte. Ich kann nämlich mit Bewertungen und Beschreibungen einiger "Profis" für mich in Hinblick auf die von mir schon verkosteten 2021er wenig anfangen...

PS: vielleicht für manche ein nicht unwichtiges Detail habe ich noch nicht erwähnt: bei unserer Verkostungs-Runde heben wir Reste in den Flaschen stets zur Nachverkostung (meist 2-4 Stunden) nach der eigentlichen Verkostung auf. Bei der Verkostung selbst werden die Weine rund 3 Stunden vorher geöffnet bzw. in eine Karaffe gegossen. Bei der Nachverkostung der 2021er war deutlich zu erkennen, dass kaum ein Wein zulegen konnte (was 2019 und 2020 eben in der Regel schon der Fall war). Das ist für mich eines der "objektivsten" Argumente gegen eine Langlebigkeit des Jahrgangs
Schöne Grüße, Markus
pessac-léognan
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Re: Bordeaux 2021

Beitrag von pessac-léognan »

Chrysostomus hat geschrieben: Do 1. Aug 2024, 21:05 Übrigens war für mich die Erfahrung mit 2021 und die Bewertungen der Profis Grund dafür, 2023 praktisch gar nichts zu subskribieren.
Ich denke (und hoffe )(aufgrund der Beschreibungen und Bewertungen der Profis) nicht, dass der 23er vergleichbar sein wird mit dem 21er, hier musste nicht das euphemistische und misstrauisch stimmende Etikett "klassisch" dafür herhalten, einen insgesamt wohl schwächeren JG zu beschönigen. Hier wurde eher die Heterogenität innerhalb eines klimatisch warmen, aber für die Winzer eher schwierigen Jahres herausgestrichen. Zusätzlich sind in der 2023er Sub auch die meisten Preise attraktiv (ganz i.U. zu 21). Beides zusammen hat mich veranlasst, wider alle Vernunft (Keller, Alter) doch ordentlich 23 zu subskribieren, bei Weitem nicht im großen Stil wie 2019), aber selektiv. Weine wie Montrose, LCHB oder La Conseillante waren immerhin, gemessen an der ihnen zugemessenen durchschnittlichen Qualität oder an der (wahrscheinlichen, erhofften [?]) Qualitatssteigerung der letzten Jahre, seit 2015 nur 2019 noch günstiger zu haben...
Aber klar: Erst die Zukunft wird die (erst noch subjektive) Wahrheit weisen.
Gruß
Jean
Chrysostomus
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Re: Bordeaux 2021

Beitrag von Chrysostomus »

Da stimme ich dir auf jeden Fall zu. Ich habe auch nicht den Jahrgang 2023 in Frage gestellt (ist nämlich sicherlich besser als 2021) - ich werde mir nur ganz einfach selbst ein Urteil bilden, da bei der Arrivage die Weine seit 2019 nicht mehr teurer als in der Sub waren und man daher entspannt warten kann. Sonderformate habe ich (wie auch Standardformate) aus anderen Jahrgängen genug (eigentlich mehr als genug) im Keller, um zu warten. Nur bei den Sonderformaten halte ich persönlich die Sub noch für sinnvoll - aber Wein ist ja Genuss und Erlebnis, keine Vernunftangelegenheit :)
Schöne Grüße, Markus
TOM
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Re: Bordeaux 2021

Beitrag von TOM »

pessac-léognan hat geschrieben: Sa 16. Mär 2024, 15:09 ... großer Weinhändler hier verramscht ... sämtliche 21er Bdx und bringt sie offenbar trotzdem oder gerade deshalb nicht los...
Ja,
ich glaube, der 21er wird noch sehr günstig zu haben sein...
Vor kurzem hatte ich ein Angebot eines Weinhändlers gelesen, der mehrere Jahrgänge des gleichen Bordeaux anbot: "Kaufe 5 Flaschen egal welcher Jahrgang und als 6. Flasche schenke ich Dir eine Flasche 2021er" :lol:
Man muss immer etwas haben, worauf man sich freut. (Eduard Mörike)
Nora
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Re: Bordeaux 2021

Beitrag von Nora »

Aufgrund der Diskussion hier öffnete ich gestern den

Chateau Brane-Cantenac.


In der Nase ein reichhaltiger Früchtekorb mit vielen dunklen Beeren und Cassis; elegante, leicht vanillige Holztöne, Graphit und Lakritz. Ganz am Anfang war die Nase recht primärfruchtig mit Veilchen, das entwickelte sich im Laufe des Abends etwas zurück und war dann wirklich schön.

Auch am Gaumen sehr volle, dunkle Früchte mit einer schönen Holzwürze und etwas Schokolade; in der Mitte war der Wein dann aber nur mittelkräftig, weniger tiefgründig und mit nur mittlerer Substanz; die Tannine waren feinkörnig und erlauben es, den Wein jetzt mit Genuss zu trinken; am Ende kam eine sehr prägnante Säure

Der Wein trinkt sich derzeit wirklich schön, besticht durch seine schöne Fruchtigkeit, die jetzt gut mit der deutlichen Säure harmoniert.

Ich habe allerdings auch Sorgen, ob der Wein gut altern wird. Was wird bleiben, wenn die Primärfruchtigkeit, die den Wein jetzt trägt, geht und übrig bleibt lediglich ein mittlerer bis leichter Körper mit einem deutlichen Säureüberhang?

VG, Nora
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