Dass 2021 nur im Top-Segment "interessant" sein soll: Ja, damit kann ich leben. Aber nicht mit was hier der eine oder andere "Profi" zum Besten gegeben hat. Und sich jetzt nicht mehr erinnern kann

Viele Grüße,
Jochen
Zunächst möchte ich vorausschicken, dass ich keinerlei Erfahrung im LEH habe - und überdies nur aus meiner persönlichen Perspektive antworten kann. Denn die Regeln, die für AUX FINS GOUMRETS gelten, sind möglicherweise andere als die für z.B. HAWESKO.UlliB hat geschrieben: ↑Fr 7. Jun 2024, 16:14Da sollte am besten der hier gelegentlich schreibende Händler etwas dazu sagen. Nach meinem Verständnis trägt der Händler, der den Wein gekauft und bezahlt hat, das volle Risiko des Nichtverkaufs. Aber ich mag mich irren.JPO hat geschrieben: ↑Fr 7. Jun 2024, 16:01 wer trägt eigenttlich das Risiko des Abverkaufs wenn die Weine bereits im Weinhandel angekommen sind - das Chateau, die Negociants, der Weinhändler? Zumindest aus dem Nonfood-Einzelhandel kenne ich das so, dass selbst wenn nicht vertraglich abgesichert, dass der Einzelhandel die unverkäufliche Ware zurückgibt oder mit dem Hersteller Preisnachlässe zulasten des Herstellers abgesprochen werden. Beide Seiten wollen ja auch in Zukunft weiter zusammenarbeiten. Wie läuft das im Weinhandel, wenn ein Jahrgang nicht wie gewünscht läuft?
Z.B. hat Lobenberg, aber auch andere Online-Händler immer wieder Angebote - ist das mit den Chateaus abgesprochen? Ein Chateau hat ja auch eine Preispolitik und will sicherlich nicht sehen, dass seine Weine "unter Wert" verscherbelt werden. Wer trägt solch einen Preisnachlass?
Gruß
Ulli
Matthias Hilse hat geschrieben: ↑Fr 7. Jun 2024, 21:20Zunächst möchte ich vorausschicken, dass ich keinerlei Erfahrung im LEH habe - und überdies nur aus meiner persönlichen Perspektive antworten kann. Denn die Regeln, die für AUX FINS GOUMRETS gelten, sind möglicherweise andere als die für z.B. HAWESKO.UlliB hat geschrieben: ↑Fr 7. Jun 2024, 16:14Da sollte am besten der hier gelegentlich schreibende Händler etwas dazu sagen. Nach meinem Verständnis trägt der Händler, der den Wein gekauft und bezahlt hat, das volle Risiko des Nichtverkaufs. Aber ich mag mich irren.JPO hat geschrieben: ↑Fr 7. Jun 2024, 16:01 wer trägt eigenttlich das Risiko des Abverkaufs wenn die Weine bereits im Weinhandel angekommen sind - das Chateau, die Negociants, der Weinhändler? Zumindest aus dem Nonfood-Einzelhandel kenne ich das so, dass selbst wenn nicht vertraglich abgesichert, dass der Einzelhandel die unverkäufliche Ware zurückgibt oder mit dem Hersteller Preisnachlässe zulasten des Herstellers abgesprochen werden. Beide Seiten wollen ja auch in Zukunft weiter zusammenarbeiten. Wie läuft das im Weinhandel, wenn ein Jahrgang nicht wie gewünscht läuft?
Z.B. hat Lobenberg, aber auch andere Online-Händler immer wieder Angebote - ist das mit den Chateaus abgesprochen? Ein Chateau hat ja auch eine Preispolitik und will sicherlich nicht sehen, dass seine Weine "unter Wert" verscherbelt werden. Wer trägt solch einen Preisnachlass?
Gruß
Ulli
Der Subskriptionskauf ist nicht nur auf der "Kundenseite", sondern auch im Walten zwischen dem Negociant (die Châteaux sind hier als Erzeuger völlig aussen vor, selbst wenn sie, wie z.B. bei Clos du Clocher, gleichzeitig Negociant sind) und dem Händler (hier gemeint als direkter Kunde eines an der Place de Bordeaux "akkreditierten" Negociant) ein Warentermingeschäft.
Die Erzeuger, aktuell z.B. Francois Mitjaville vom legendären Tertre Roteboeuf, aber auch zuvor bereits LCHB, versuchen Druck auf den Händler auszuüben, indem sie Preise vorgeben, zu denen sie gerne die Briefseiten im Markt gesehen hätten. Implizit steht dabei die "Drohung" im Raum, zukünftig den Händler vom Zugang zu den Weinen auszuschließen.
Wenn nun umgekehrt ein Händler seinen "Positionsexit" darin sieht, Weine stark zu rabattieren, liegt dies ganz in seinem Ermessenspektrum - es sei denn, evtl. Rechnungen wären noch nicht beglichen. Wenn wir auch diesen Sonderfall unbeachtet lassen, liegt es einzig im Ermessensspielraum des Händlers, den Preis eines Weins den je individuellen Marktgegebenheiten anzupassen. Schließlich ist er der Eigentümer der Ware.
Momentan beobachte ich - insbes. mit dem Hintergrund "aus einer früheren Lebensphase" eine zunehmende "Einmischung" seitens der Erzeuger in das Marktgeschehen. Das wäre nicht besonders erwähnenswert, wenn es dabei schlicht um "Marktbereinigung" ginge. Diese würde ja so funktionieren, dass der Erzeuger die Briefseiten, die er für zu niedrig hält, "bedient". Genau das passiert aber nicht.
Bitte erlauben Sie mir einen kurzen Verweis auf Andreas Reckwitz und "Die Moderne"; das Leistungsversprechen der Moderne war, simplifiziert, dass alles besser werde. In Bezug auf Bordeaux hieß dies: die Erzeuger, die Obwalter der Knappheit, konnten unwidersprochen Bedingungen diktieren. Nun möchten sie weiter bestimmen, sie sehen sich auch noch als Obwalter - es gibt aber keine Knappheit mehr.
Da die Erzeuger zunehmend, nicht anders, als dies in Deutschland eben auch zu beobachten ist, zu "Webshopanbietern" werden, treten sie als direkter Konkurrent zum Händler (also z.B. AUX FINS GOURMETS) auf. Die nach meiner Einschätzung einzig korrekte Antwort auf die Beobachtung, dass ein Marktpreis ggf. zu niedrig sei (aufgrund eines Sonderverkaufs z.B.), wäre die Eliminierung des Angebots durch Aufkauf. Dazu sind aber selbst sehr renommierte Erzeuger wie LCHB nicht willens.
Fazit: es ist, wie Ulli dies schreibt, Risiko des Händlers. Er ist der Eigentümer und haftet für die materiellen Nachwirkungen.
Herzliche Grüße,
Matthias Hilse, "der gelegentlich hier schreibende Händler"
Es ist m.E. zu kurz gegriffen, einen Jahrgang isoliert zu betrachten. In Bordeaux gilt bisher das "Allokationsprinzip". Dies ist ein implizites Optionsmodell, das den Einkäufer des Vorjahrgangs bevorzugt. Ich selbst habe z.B. 2021 als strategische Chance begriffen, die wirklich relevanten Weine einzukaufen. Was bedeutet dies? In solchen Jahren wie z.B. 2016 oder auch 2020, war es kaum möglich, den Montrose ohne die La Dame zu kaufen, ebenso wie den Canon ohne den Berliquet.
Vielen Dank für diesen Einblick, der mich doch sehr überrascht. Wenn ich auf 2013 blicke und da in den klassifizierten Bereich, erscheint mir das Wort "günstig" doch ziemlich gewagt. Noch viel weniger würde "preiswert" passen - denn genau das sind die Weine auch dann nicht, wenn sie kräftig rabattiert werden.Matthias Hilse hat geschrieben: ↑Fr 7. Jun 2024, 21:53 Die langjährige Erfahrung zeigt: der 2021er wird im Preis reduziert, die anderen Jahrgänge ziehen relativ an. Irgendwann ist 2021 der günstigste im Markt. Man darf eines nicht vergessen: nicht überall in der Welt ist die Nachfrage so fixiert auf die Jahrgänge. Sobald 2021 der günstigste im Markt ist, wird er ach gekauft. Das hat schon bei 2013 funktioniert.
Da hast du wohl recht, Ulli. Ich erinnere mich allerdings zurück an Zeiten, in denen ich sehr jung (wohl so Anfang 20) und knapp bei Kasse war und tatsächlich in völligem Unwissen über die Jahrgangsqualitäten z.B. La Conseillante, Cheval Blanc, Haut Brion oder Margaux aus wirklich schlechten Jahren für ein paar Franken gekauft hatte, einer der Gründe, weshalb mir für Jahre Bordeaux verleidet war. Diese totale Ignoranz, gepaart mit einer gewissen Ambition fürs Renommé, gibt's heute, wo im Netz alles mit allem vergleichbar ist, wahrscheinlich so nicht mehr... Heute sieht ja jeder allein schon mit dem Bordeaux-Kompass, dass z.B. Labégorce 2016 ein besserer Kauf sein dürfte als Palmer 2013, zu einem Bruchteil des Preises und unbesehen der Tatsache, dass bei ziemlich allen Verkostern (falls nicht blind verkostet) berühmte Weine einen (unbewussten oder zumindest uneingestandenen) Bonus genießen, falls die Güter es nicht gerade mit einem solchen Verkoster verscherzt haben, wie es etwa bei Pontet-Canet und William Kelley der Fall zu sein scheint, wobei dann hier zum Glück ein weniger vorbelasteter Kollege wie Johann Castaing in die Bresche springen kann...UlliB hat geschrieben: ↑Sa 8. Jun 2024, 09:56Vielen Dank für diesen Einblick, der mich doch sehr überrascht. Wenn ich auf 2013 blicke und da in den klassifizierten Bereich, erscheint mir das Wort "günstig" doch ziemlich gewagt. Noch viel weniger würde "preiswert" passen - denn genau das sind die Weine auch dann nicht, wenn sie kräftig rabattiert werden.Matthias Hilse hat geschrieben: ↑Fr 7. Jun 2024, 21:53 Die langjährige Erfahrung zeigt: der 2021er wird im Preis reduziert, die anderen Jahrgänge ziehen relativ an. Irgendwann ist 2021 der günstigste im Markt. Man darf eines nicht vergessen: nicht überall in der Welt ist die Nachfrage so fixiert auf die Jahrgänge. Sobald 2021 der günstigste im Markt ist, wird er ach gekauft. Das hat schon bei 2013 funktioniert.
Ich hatte im entsprechenden Thread etwas zu Léo Barton 2013 geschrieben. Der Wein ist nicht wirklich schlecht, aber selbst wenn der gegenüber dem Ausgabepreis um 50% rabattiert worden wäre (was in Deutschland nicht passiert ist, und anderswo vermutlich auch nicht), wäre der für das Gebotene dann immer noch viel zu teuer. Denn auch dann würde man immer noch besser mit einem anständigen Cru bourgeois aus einem guten Jahr fahren, der nochmals für die Hälfte des rabattierten Preises vom Léo zu bekommen wäre und bei sorgfältiger Auswahl dann auch noch mehr Spaß machen würde. Und Léoville Barton ist bei den 13ern noch einer der qualitativ besseren Weine, da geht es auch im klassifizierten Bereich noch wesentlich schwächer.
Der Gedanke, einen immer noch sehr teuren Wein nur deswegen zu kaufen, weil das gerade einmal der billigste Jahrgang von dem im Markt ist, ist mir völlig fremd - und vermutlich allen anderen Bordeaux-affinen Foristen auch. Aber irgendwo scheint das tatsächlich zu passieren. Wieder was gelernt.
Gruß
Ulli