Bordeaux 2022

Medoc und seine Appellationen, Bourg und Umgebung, Fronsac, Pomerol, Saint Emilion und Umgebung, Entre Deux Mers, Graves und Pessac-Leognan, Sauternes und Co.
Ollie
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Ollie »

500-Liter-Tonneaux sind jetzt nicht sooo exotisch; La Mauriane wird schon seit Ewigkeiten (seit immer? zumindest seit 2010) vollständig in solch großen Fässern ausgebaut. Ich denke also mal, daß der Einsatz dieses Formats durchaus verbreitet ist.

Aber mal eben was Anderes: Im Rahmen der Aufklärung Fremde Kritiker Ost bin auf der Suche nach denjenigen chinesischen Weinkritikern. Ich will mal sehen, ob die aufgrund ihrer von uns verschiedenen Geschmackssozialisation zu anderen Einschätzungen kommen als westliche Kritiker.

Eine schnelle Google-Suche ergab zwar eine Seite bei Meinunger über die "10 einflussreichsten Weinkritiker", aber die sind wohl alle in den chinesischen sozialen Medien unterwegs und also nicht lesbar. (Zumindest wüsste ich nicht wie.)

Bis auf eine Ausnahme: Liu Lin, die erste chinesische MW, hat eine eigene Webseite. Dort hat sie auch prompt einen Artikel zu BDX 2022 veröffentlicht. An dessen Ende kann man das PDF mit all ihren Bewertungen herunterladen (aufs Bildchen klicken, nicht auf den Text), und ganz oben gibt's auch eine Suchmaske, um die detaillierten VKN zu sehen. Das ist, gelinde gesagt, mal was ganz was Anderes. Und das, obwohl(?) sie durch ein WSET-Programm gelaufen ist, das sie eigentlich hätte anständig indoktrinieren sollen.

Kennt hier jemand andere chinesische Kritiker mit Reichweite? I(ch kannte bislang nur Jeanni Cho Lee MW, aber sie ist ja nun Koreanerin, hatte allerdings auch sehr abweichende Meinungen zu diversen Weinen.)

Cheers,
Ollie
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amateur des vins
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von amateur des vins »

Ollie hat geschrieben:Liu Lin, die erste chinesische MW
[...]
Das ist, gelinde gesagt, mal was ganz was Anderes.
Stimmt, lauter Exoten auf den ersten Plätzen! :mrgreen:
Besten Gruß, Karsten
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UlliB
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von UlliB »

amateur des vins hat geschrieben:
Ollie hat geschrieben:Liu Lin, die erste chinesische MW
[...]
Das ist, gelinde gesagt, mal was ganz was Anderes.
Stimmt, lauter Exoten auf den ersten Plätzen! :mrgreen:
Ja, sollte man es nicht denken, aber der chinesische Geschmack ist eben doch völlig anders als unserer :lol:

Tatsächlich sehr viel interessanter fand ich einen Absatz im Artikel:
Acidification

All the consultants I interviewed mentioned that very little acidification was done. This was a firm “no” from two consultants (Duclos and Boissenot), and in other cases it was only used very sparingly for specific cases where the pH was too high and volatile acidity risked exposing the stability of the wine. However, acidification was not used for this vintage for the grands vins, as previous experience shows that it stresses the wines.
Das widerspricht allerdings völlig meinen Erwartungen. Aber wer weiß, ob es tatsächlich stimmt....

Gruß
Ulli

Ach, übrigens finde ich den Artikel insgesamt sehr informativ und gut geschrieben. Da könnte sich mancher etablierte Kritiker eine Scheibe von abschneiden.
The obsessions with finding similar years in the past is a little like comparing one’s former partners. No matter how rigorous the logic is, the results cannot be taken seriously.
Klasse.
Ollie
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Ollie »

amateur des vins hat geschrieben:Stimmt, lauter Exoten auf den ersten Plätzen! :mrgreen:
Ich dachte eher daran, wer nicht auf den ersten Plätzen (oder auch nur in den oberen Rängen) ist.

Cheers,
Ollie
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UlliB
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von UlliB »

Ollie hat geschrieben: Ich dachte eher daran, wer nicht auf den ersten Plätzen (oder auch nur in den oberen Rängen) ist.
Wer fehlt dir denn da in dieser durchaus illustren Aufzählung? Léo Barton? Oder sonst einer deiner Lieblinge?

Gruß
Ulli
Matthias Hilse
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Matthias Hilse »

ad rem

Verkostungsnotiz Château La Gaffelière 2022

"Der großartige La Gaffeliere 2022 ist in gewisser Weise eine Hommage an die goldene Zeit des Weinguts vor dem großen Frost 1956. Nachdem nun die Neuanpflanzungen, die in den letzten Jahren konsequent erfolgt sind, mit einer deutlich verbesserten Genetik das Potential dieses vorzüglichen Terroirs besser ausschöpfen, ist das Weingut mit seiner Kernlage direkt unterhalb von Château Ausone der geborene Anwärter auf den Saint-Emilion mit der dezentesten Zurückhaltung.

Château La Gaffeliere hat in 2022 einen Grenzgänger von allerhöchster Anmut und Finesse erzeugt, der einerseits so leise daherkommt, als würde er nicht auf Füßen stehen, sondern fliegen, um mit seiner schwerkraftenthobenen kühlen Frische den Inbegriff vinophilen Understatements zu assoziieren. Insofern unterschätzt man ihn leicht.

Andererseits gründet die paradigmatische Reinheit seines Gaumendefilées, die erhabene Balance seiner Audienz, die er dem Verkoster gewährt, in der Sublimation seiner in jeder seiner Facetten inhärenten muskulären Autorität in eine Aufwallung an hauchzarter Bestimmtheit.

Das ansatzlose Moment seiner inneren Dynamik macht ihn zu einem Virtuosen der hohen Kunst, auch in den entlegensten Winkeln der Distinktion bis ins fast Unvernehmbare ausdrucksstark, präzise und akkurat zu sein.

Wer den Reichtum zunächst verborgener intelligibler Schönheit exemplarisch am bisher besten La Gaffelière erfahren möchte, dem sei dieses Wunder an multipler Exzellenz sehr zur Subskription empfohlen."

97-98 Punkte

Herzliche Grüße,
Matthias Hilse
diogenes
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von diogenes »

Matthias Hilse hat geschrieben:ad rem

Verkostungsnotiz Château La Gaffelière 2022

"Der großartige La Gaffeliere 2022 ist in gewisser Weise eine Hommage an die goldene Zeit des Weinguts vor dem großen Frost 1956. Nachdem nun die Neuanpflanzungen, die in den letzten Jahren konsequent erfolgt sind, mit einer deutlich verbesserten Genetik das Potential dieses vorzüglichen Terroirs besser ausschöpfen, ist das Weingut mit seiner Kernlage direkt unterhalb von Château Ausone der geborene Anwärter auf den Saint-Emilion mit der dezentesten Zurückhaltung.

Château La Gaffeliere hat in 2022 einen Grenzgänger von allerhöchster Anmut und Finesse erzeugt, der einerseits so leise daherkommt, als würde er nicht auf Füßen stehen, sondern fliegen, um mit seiner schwerkraftenthobenen kühlen Frische den Inbegriff vinophilen Understatements zu assoziieren. Insofern unterschätzt man ihn leicht.

Andererseits gründet die paradigmatische Reinheit seines Gaumendefilées, die erhabene Balance seiner Audienz, die er dem Verkoster gewährt, in der Sublimation seiner in jeder seiner Facetten inhärenten muskulären Autorität in eine Aufwallung an hauchzarter Bestimmtheit.

Das ansatzlose Moment seiner inneren Dynamik macht ihn zu einem Virtuosen der hohen Kunst, auch in den entlegensten Winkeln der Distinktion bis ins fast Unvernehmbare ausdrucksstark, präzise und akkurat zu sein.

Wer den Reichtum zunächst verborgener intelligibler Schönheit exemplarisch am bisher besten La Gaffelière erfahren möchte, dem sei dieses Wunder an multipler Exzellenz sehr zur Subskription empfohlen."

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Matthias Hilse
Vielen Dank, Matthias... für diesen Höhenflug in die Seele der deutschen Sprache.
carpe vinum!
Zaccetti
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Registriert: Do 20. Mai 2021, 10:39

Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Zaccetti »

Wenn sogar die Chinesen den Mangot so gut bewerten dann muss ich den halt doch blind suben :)
Cirrus
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Registriert: So 14. Mai 2017, 18:35

Re: Bordeaux 2022

Beitrag von Cirrus »

Wow... Mangot besser als der Leo Barton...interessante Liste bzw. Bewertung.
Habe zumindest bisher bei Mangot, Tronquoy und Cantemerle zugeschlagen (ich mag nunmal die demi-bouteilles...und die gib es später kaum im Handel..), suche noch einen im bezahlbaren Bereich mit möglichst hohen CS oder CF bzw. möglichst niedrigen Merlot Anteil. Irgendwelche Ideen, Vorschläge?
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UlliB
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Re: Bordeaux 2022

Beitrag von UlliB »

Cirrus hat geschrieben:[...] suche noch einen im bezahlbaren Bereich mit möglichst hohen CS oder CF bzw. möglichst niedrigen Merlot Anteil. Irgendwelche Ideen, Vorschläge?
"Bezahlbar" ist auch so ein Modewort... selbstverständlich ist auch eine 12er Kiste Lafite bezahlbar, und manche Leute merken das nicht einmal an ihrem Kontostand. Übrigens dieses Jahr mit 94% CS und nur 5% Merlot, und damit voll in deinem Beutespektrum :lol:

In Ermangelung einer harten finanziellen Grenze kann ich nur vermuten, was du meinen könntest. Es dürfte sich lohnen, auf Haut Bages Liberal zu warten, dieses Jahr mit 87% CS und 13% M. Das Gut ist klar im Aufwind, und der Wein ist ausgezeichnet bewertet. Es gibt noch keinen Release, den Preis würde ich irgendwo bei 45 € EVP erwarten - falls das noch bezahlbar ist.

Gruß
Ulli
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