vanvelsen hat geschrieben:Für alle, denen die Suche nach 2022er Tasting Notes auf meiner Webseite zu kompliziert war: Seit heute sind meine aktuellsten Primeur-Bewertungen auch auf Wine-Searcher online...
https://www.wine-searcher.com/find/bord ... g_site=VWN
Übrigens recht vielen Dank dafür und fürs Excel, Adrian!
Worin Jane Anson schreibt: "
One thing for sure is that 2022 is a vintage that will be referenced for many years to come (...)"
Wow, man hat dann doch recht schnell aufgehört, vom 2016er zu reden! Was natürlich weniger am Jahrgang selbst liegt als an der Aufmerksamkeitsspanne des Marktes, denn sicherlich war 2016 der letzte "nach klassischer Lesart hervorragende" Jahrgang. Jetzt kommen Jahrgänge, die ihre Klassifizierung "nur noch" in der neuzeitlichen Auslegung des Bordelais haben werden, und momentan sind wir in (oder schon am Ende) einer Art Übergangsphase, und das hat nicht mehr nur mit dem Ende der Parker-Ära zu tun. Deshalb mal ein paar Gedanken zu 2022
und folgende.
Wenn man die Kritikerstimmen übereinanderlegt, dann wird 2022 bei den gelungenen Weinen als eine Mischung aus 2018 (Frucht) und 2019 (Saft) mit gelegentlich einem Schuss 2020 (Struktur) dargestellt. Linksufrig liegen die meisten Weine bei über 14 Vol%, der von Jane Anson angeführte La Gaffelière, laut William Kelley und Jean-Marc Quarin besser als sogar 2019 (uff!) und 2020, dreht 15.1 Vol%, trotz der 40% Cabernet-Franc-Anteil.
Nehmen wir an, in der gelungenen Spitze seien die Wein wirklich
best ever. Stellt sich folgende Frage: Wie viele solcher Jahrgänge glauben wir (glauben die Erzeuger) werden in den zwölf Jahren zwischen 2023 und 2035 noch möglich sein. Jeder zweite? Zwei Drittel (also acht)? Sind die übrigen Jahrgänge dann "Katastrophenjahre" wie 2017 oder 2021, oder eher sowas wie "2022 auf Steroiden" (will man wirklich Calon Ségur mit 16 Vol% trinken)?
Ich habe das Jahr 2035 deshalb gewählt, weil ich persönlich glaube, daß Bordeaux (der Wein), so wie wir ihn heute kennen, ab so etwa 2035 aufhört zu existieren, plus/minus. Klar, es wird auch danach noch Spitzenweine geben, aber sehr viel weniger als heute und zu entsprechend veränderten Preisen. Denn wieviel Wein kann man noch machen, wenn selbst Toperzeuger heute schon Parzellen massiv ausselektieren müssen und die Saftausbeute wegen immer kleiner werdenden Beeren in den Keller geht? Wir haben alle den super Artikel von William Kelley über die modernen Methoden im Bordelais gelesen (soviel zum Thema "jede Flasche Wein hat höchstens 30 Euro Gestehungskosten"), aber sehr bald wird den Winzern die Natur schneller weglaufen, als sie vitikulturtechnisch hinterheragieren können.
Wird 2022 also wirklich als Jahrgang lange in Erinnerung bleiben, oder ist es lediglich der erste einer Reihe vieler (oder zumindest noch einiger) solchen Jahre? Wird 2022 in stark einem Jahrzehnt als "noch am kühlen Ende befindlich" bezeichnet werden? Oder als "Jahr, in dem die Menge noch stimmte"? (Das Argument der unterdurchschnittlichen Ernte wird sich auch verbrauchen, erst recht, wenn die Selektion - nur ein Drittel schafft es in den Grand Vin - eingerechnet wird.)
Wieviel Wein auf dem Niveau des 2022ers wird bis dahin noch noch produziert werden? Ausgehend von meiner in den letzten (Post-Parker-)Jahren aufgestellten These, nicht mehr der (Pool der) Kritiker bestimme via Marktakzeptanz/Nachfrage über den Preis, sondern der Erzeuger reihe den Wein ein in die Gesamtheit der Jahrgänge und lege anhand dieser eigenen Einschätzung (und der verfügbaren Menge) den Preis fest (Ausnahmen: Hype-Weine à la LCHB mit quasi-burgundischen Quantitäten), werden diese Überlegungen in die Preisgestaltung für den 2022er einfließen.
Und natürlich in unsere Entscheidungsfindung, ob wir 2022 unbedingt haben müssen. Immerhin ist die typischen Zeitskala, auf der ein großer BDX reift (15-20 Jahre), vergleichbar mit der Zeitskala, auf der ein nach meiner Annahme ein solcher Wein nicht wiederbeschaffbar wird. (Eventuell vielleicht noch: Der 2026er kann den 2016er ersetzen und vielleicht noch der besonders feuchte 2032er den 2022er, aber dann ist wohl Schicht.)
Für die berühmten Enkel: Vielleicht sollten wir lieber alle 2021er kaufen, es gibt ja genug gelungene Weine. (Beispiel: Léoville Barton, kein Frost, so gut wie kein Mehltau, gut ausgereift, 13.5 Vol%; oder Montrose, mit 13.1 Vol%. In 40 Jahren werden solche Weine nicht mehr gemacht werden, dieser Weinstil wird schlicht aufhören zu existieren.)
Cheers,
Ollie
PS: Hat jemand nachgeschaut, ob die Niederschläge seit der Lese 2022 (ein Jahr, daß durch 2021 gerettet wurde) die Wasserreserven aufgefüllt haben oder ob 2023 erneut ein trockenes Jahr dräut?
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)