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Hallo zusammen,
vor knapp 2 Wochen konnte ich an einer Weinprobe des örtlichen Wein-Dealers teilnehmen, die unter dem Motto "Ü-30" stand. Die Zahl 30 stand dabei natürlich nicht für das Mindestalter der Teilnehmer, sondern das der Weine. Insgesamt 12 Teilnehmer, die auch mit reichlich Wasser, Brot, Wurst und Käse versorgt wurden, konnten in ungezwungener Atmosphäre insgesamt 12 "Oldie-Weine" verkosten. Als ich das "line-up" der angebotenen Weine (Jahrgänge zwischen 1937 und 1993) studiert hatte, machte ich mich auf eine Probe mit einigen Ausfällen gefasst, da auch teilweise vermeintlich einfachere Weine auf dem Programm standen. Wie hatte ich mich da geirrt ! Alle 12 Weine standen noch erstaunlich vital im Glase und machten durch die Bank auch ohne Altersbonus viel Spass.
Folgende Weine kamen ins Glas:
1992er Riesling Brut Reserve (Peter Lauer, Ayl)-Saar-
dieser nach knapp 30 Jahren Hefelager im Juni 2022 degorgierte Riesling-Sekt ist alles andere als müde. Dezente Rieslingfrucht, Brioche, zarthefig, saftig und glasklar, das wirkt alles noch sehr stimmig und lebendig. Lediglich die Perlage ist naturgemäss etwas dezenter, aber ansonsten käme man im entferntesten nicht auf das Alter dieses Schäumers. Ein sehr gelungener Einstieg!
Als nächstes kam ein in jeder Hinsicht überraschend stimmiger Rotwein ins Glas, der sicherlich zu seiner Zeit nicht die Spitze des Winzersortiments darstellte:
1989er Spätburgunder Qualitätswein trocken (Dr. Pauly-Bergweiler)- Mosel-Saar-Ruwer
sehr ehrliche Pinot-Farbe, aber ohne jegliche Brauntöne, eher ein hellrot mit Ziegelrot-Reflexen, hat tatsächlich gut erkennbare Pinot-Stilistik (Walderdbeere, Himbeere), sehr sauber und klar, ein sehr lebendiges Leichtgewicht. Erstaunlich, wie sich solch ein "kleiner" Wein in dieser Verfassung halten konnte.
Es ging aber alles mit rechten Dingen zu, was an den altersgemäßen Korken gut zu sehen waren. Alle Weine stammten aus einem sehr kalten Keller, was den Reifeprozess deutlich verlangsamt hat.
Als nächstes stand Burgund auf dem Programm, genauer gesagt das Beaujolais:
1976er Moulin-a-Vent a.c. (Chateau des Jacques, Thorin) -Beaujolais-
der Korken war zwar ziemlich "hinüber", der Wein aber nicht. Sehr typischer Gamay mit immer noch guter Struktur und dezenten hellfruchtigen Noten. Im Kontext aller Weine vielleicht der am meisten entwickelste Wein der Probe, wobei man bei jeder Altweinprobe mit diesem Wein sehr zufrieden sein dürfte.
Dann ging es wieder zurück nach Deutschland mit einem Rotwein, der in mehrerlei Hinsicht überraschte und gleichzeitig Rätsel aufgab:
1946er Dürkheimer Feuerberg Spätburgunder Rotwein (Weingroßhandlung Hans Felten) -Rheinpfalz-
schon die Farbe überraschte: durchaus vitales, etwas durchscheinendes Rubinrot, durchaus noch Frucht, dezentes Tannin, sehr vital und mit viel Vergnügen zu trinken. Der für die Nachkriegszeit durchaus hochwertige Korken war brüchig und sehr authentisch. Insofern kein Fake, zumal es sich sicherlich nicht lohnt, in dieser "einfachen"Liga zu tricksen. Allerdings war dieser wirklich gute Rotwein nicht unbedingt pinot-typisch. Ich vermute, dass hier auch mit farbstärkeren Weinen nachgeholfen wurde, was dem Wein aber nicht geschadet hat. Die heute nicht mehr existierende Weingroßhandlung hatte übrigens ihren Sitz an der Mosel. Egal, was drin war... well done.
Wo wir schon einmal beim Pinot waren, kam jetzt das Original:
1964er Gevrey-Chambertin a. c. (E. Couturier)
wieder ein sehr rüstiger Old-Timer: intakte Farbe, etwas reduzierte, aber gut erkennbare Pinot-Frucht, fleischig mit guter Struktur, ordentliche Länge, ein perfekt gereifter Gevrey-Village.
Nun war Bordeaux an der Reihe mit einem guten Beispiel, dass auch nicht so große Jahre viel zu bieten haben:
1993er Chateau Canon La Gaffeliere Grand Cru Classe St. Emilion (Comtes Neipperg)
perfekte Flasche mit sehr gutem Füllstand und perfektem Korken, sehr klassisch mit nur 12,5 Umdrehungen, ein merlotbetonter old-school- St. Emilion mit eleganter Frucht und feiner Würze (Tabak und altes Leder), durchaus komplex, kein Gramm zu viel Fleisch an den Knochen, die Kernkompetenz liegt hier in der Delikatesse und Feinheit und nicht in der Fruchtdichte. Für 49 EURO ein klarer Nachkaufkandidat. Jetzt perfekt zu trinken.
Jetzt natürlich noch einmal Bordeaux, noch mehr merlotbetont, aus Pomerol und aus einem "großen" Jahrgang:
1982er Chateau Clinet Pomerol a. c. (Georges Audy)
deutlicher Unterschied zum Vorgänger, verführerische Dunkelfrucht, einem Top-Bourgogne gar nicht unähnlich, sehr dicht,kräftige Extraktsüsse, Tannin weitgehend abgeschmolzen,ein Hauch Bret, Top-Länge, jetzt voll auf dem Höhepunkt. Großartiger Gebiets- und Jahrgangsvertreter. Zum "drin Baden"
Fortsetzung mit den letzten 5 Weinen folgt!
LG
Bodo
vor knapp 2 Wochen konnte ich an einer Weinprobe des örtlichen Wein-Dealers teilnehmen, die unter dem Motto "Ü-30" stand. Die Zahl 30 stand dabei natürlich nicht für das Mindestalter der Teilnehmer, sondern das der Weine. Insgesamt 12 Teilnehmer, die auch mit reichlich Wasser, Brot, Wurst und Käse versorgt wurden, konnten in ungezwungener Atmosphäre insgesamt 12 "Oldie-Weine" verkosten. Als ich das "line-up" der angebotenen Weine (Jahrgänge zwischen 1937 und 1993) studiert hatte, machte ich mich auf eine Probe mit einigen Ausfällen gefasst, da auch teilweise vermeintlich einfachere Weine auf dem Programm standen. Wie hatte ich mich da geirrt ! Alle 12 Weine standen noch erstaunlich vital im Glase und machten durch die Bank auch ohne Altersbonus viel Spass.
Folgende Weine kamen ins Glas:
1992er Riesling Brut Reserve (Peter Lauer, Ayl)-Saar-
dieser nach knapp 30 Jahren Hefelager im Juni 2022 degorgierte Riesling-Sekt ist alles andere als müde. Dezente Rieslingfrucht, Brioche, zarthefig, saftig und glasklar, das wirkt alles noch sehr stimmig und lebendig. Lediglich die Perlage ist naturgemäss etwas dezenter, aber ansonsten käme man im entferntesten nicht auf das Alter dieses Schäumers. Ein sehr gelungener Einstieg!
Als nächstes kam ein in jeder Hinsicht überraschend stimmiger Rotwein ins Glas, der sicherlich zu seiner Zeit nicht die Spitze des Winzersortiments darstellte:
1989er Spätburgunder Qualitätswein trocken (Dr. Pauly-Bergweiler)- Mosel-Saar-Ruwer
sehr ehrliche Pinot-Farbe, aber ohne jegliche Brauntöne, eher ein hellrot mit Ziegelrot-Reflexen, hat tatsächlich gut erkennbare Pinot-Stilistik (Walderdbeere, Himbeere), sehr sauber und klar, ein sehr lebendiges Leichtgewicht. Erstaunlich, wie sich solch ein "kleiner" Wein in dieser Verfassung halten konnte.
Es ging aber alles mit rechten Dingen zu, was an den altersgemäßen Korken gut zu sehen waren. Alle Weine stammten aus einem sehr kalten Keller, was den Reifeprozess deutlich verlangsamt hat.
Als nächstes stand Burgund auf dem Programm, genauer gesagt das Beaujolais:
1976er Moulin-a-Vent a.c. (Chateau des Jacques, Thorin) -Beaujolais-
der Korken war zwar ziemlich "hinüber", der Wein aber nicht. Sehr typischer Gamay mit immer noch guter Struktur und dezenten hellfruchtigen Noten. Im Kontext aller Weine vielleicht der am meisten entwickelste Wein der Probe, wobei man bei jeder Altweinprobe mit diesem Wein sehr zufrieden sein dürfte.
Dann ging es wieder zurück nach Deutschland mit einem Rotwein, der in mehrerlei Hinsicht überraschte und gleichzeitig Rätsel aufgab:
1946er Dürkheimer Feuerberg Spätburgunder Rotwein (Weingroßhandlung Hans Felten) -Rheinpfalz-
schon die Farbe überraschte: durchaus vitales, etwas durchscheinendes Rubinrot, durchaus noch Frucht, dezentes Tannin, sehr vital und mit viel Vergnügen zu trinken. Der für die Nachkriegszeit durchaus hochwertige Korken war brüchig und sehr authentisch. Insofern kein Fake, zumal es sich sicherlich nicht lohnt, in dieser "einfachen"Liga zu tricksen. Allerdings war dieser wirklich gute Rotwein nicht unbedingt pinot-typisch. Ich vermute, dass hier auch mit farbstärkeren Weinen nachgeholfen wurde, was dem Wein aber nicht geschadet hat. Die heute nicht mehr existierende Weingroßhandlung hatte übrigens ihren Sitz an der Mosel. Egal, was drin war... well done.
Wo wir schon einmal beim Pinot waren, kam jetzt das Original:
1964er Gevrey-Chambertin a. c. (E. Couturier)
wieder ein sehr rüstiger Old-Timer: intakte Farbe, etwas reduzierte, aber gut erkennbare Pinot-Frucht, fleischig mit guter Struktur, ordentliche Länge, ein perfekt gereifter Gevrey-Village.
Nun war Bordeaux an der Reihe mit einem guten Beispiel, dass auch nicht so große Jahre viel zu bieten haben:
1993er Chateau Canon La Gaffeliere Grand Cru Classe St. Emilion (Comtes Neipperg)
perfekte Flasche mit sehr gutem Füllstand und perfektem Korken, sehr klassisch mit nur 12,5 Umdrehungen, ein merlotbetonter old-school- St. Emilion mit eleganter Frucht und feiner Würze (Tabak und altes Leder), durchaus komplex, kein Gramm zu viel Fleisch an den Knochen, die Kernkompetenz liegt hier in der Delikatesse und Feinheit und nicht in der Fruchtdichte. Für 49 EURO ein klarer Nachkaufkandidat. Jetzt perfekt zu trinken.
Jetzt natürlich noch einmal Bordeaux, noch mehr merlotbetont, aus Pomerol und aus einem "großen" Jahrgang:
1982er Chateau Clinet Pomerol a. c. (Georges Audy)
deutlicher Unterschied zum Vorgänger, verführerische Dunkelfrucht, einem Top-Bourgogne gar nicht unähnlich, sehr dicht,kräftige Extraktsüsse, Tannin weitgehend abgeschmolzen,ein Hauch Bret, Top-Länge, jetzt voll auf dem Höhepunkt. Großartiger Gebiets- und Jahrgangsvertreter. Zum "drin Baden"
Fortsetzung mit den letzten 5 Weinen folgt!
LG
Bodo