Was macht einen großen Wein aus!

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
niers_runner
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Re: Was macht einen großen Wein aus!

Beitrag von niers_runner »

amateur des vins hat geschrieben: Klar kann man Kriterien für die Qualität eines Weines mit dem Versuch der Objektivierung aufstellen. Letztlich ist unser ganzer Austausch hier darin begründet, und dennoch zum Scheitern verurteilt - ein Koan! :D Überhaupt sind das immer Momentaufnahmen: Kein Wein ist über sein ganzes Leben groß oder auch nur gleich gut.
Diese Erfahrung habe ich leider auch schon einige Male machen müssen. Heute groß und 12 Monate später keine Ahnung wie es zu dieser Klassifizierung kommen konnte.

Beste Grüße

Peter
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(Voltaire)
Mahatma Chianti
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Re: Was macht einen großen Wein aus!

Beitrag von Mahatma Chianti »

Ich sehe das so ähnlich.
Im aussichtslosen Unterfangen einer Objektivierung wird ja häufig nach dem BLIK-Schema verfahren:
BLIK = Balance, Länge, Intensität, Komplexität

Alleine die Frage, was als balanciert empfunden wird, stellt sich natürlich als hochgradig subjektiv dar.
Der eine findet die Säure eines Weines zu dominant, während der andere sie noch als viel zu lasch empfindet.

Doch dazu kommen noch andere Faktoren, wie Set und Setting.
Weshalb ich vielleicht eher von Großen Weinmomenten sprechen würde.

Für mich vielleicht zu definieren durch:

GROSSE WEINMOMENTE

pseudo-objektiv:
  • LIK: die Weinqualität im Glas, nach (einigermaßen) objektivierbaren Gesichtspunkten (Länge, Intensität, Komplexität)
  • regionaltypische Authentizität: wenn ein Sancerre AOC wie friulischer Pinot Grigio schmeckt, hat er leider das Thema verfehlt ;)
subjektiv:
  • Balance: der subjektive Faktor bei der Weinanalyse (Tannin, Süße, Säure, Alkohol, Gesamtextrakt...)
  • Stilistik: wie sehr sagt mir die Interpretation dieser Herkunft durch den Winzer, seine Handschrift, zu? (Zuckerlevel, Spontangärung, BSA, Holzbetonung...)
kontextuell:
  • Situation: Bei welcher Gelegenheit verkoste ich den Wein? Zum passenden Essen bei einem gemütlichen Dinner? Auf einer Weinmesse? Einer Party? Aus was für einem Glas trinke ich den Wein?
  • Timing: In welchem Stadium seiner Entwicklung erwische ich den Wein gerade? Wie viel Flaschenreife hat er genossen? Wie viel Zeit und Sauerstoff habe ich ihm gegönnt? Hat er die richtige Temperatur?
  • Tagesform: Wie ist mein aktuelles Wohlbefinden, mental und gesundheitlich? Bin ich achtsam, oder abgelenkt und gestresst? Bin ich entspannt, geradezu euphorisch? Oder fühle ich mich eigentlich leicht grippig und habe schon wieder zu viel geraucht? ;)
und letztlich:
  • Singularität: Wie viele Weine dieser Herkunft, dieser Stilistik und dieser Güte sind mir bei vergleichbarem Set und Setting schon ins Glas gekommen?
Letztlich bleibt diese Einschätzung natürlich immer eine subjektive und emergente - und somit intuitiv zu treffende - Abwägung, die notwendigerweise von individueller Tagesform beeinflusst werden kann. ;)
Ralf Gundlach
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Re: Was macht einen großen Wein aus!

Beitrag von Ralf Gundlach »

Bei einem großen Wein gibt es für mich nichts zu analysieren. Wenn ich dem im Glas habe bin ich weg auf dem Planet Genuss. Den Rest drumherum bekomme ich dann meistens nicht mit. Und das kann nur passieren bei einem Wein, der genau auf dem perfekten Punkt gereift ist. Also: reine Gefühlssache. Ich käme niemals auf die Idee, das in irgendein Schema, außer in Punkten einzuordnen ( wobei das dem Genußfaktor und vor allem den Gefühlsfaktor nicht gerecht wird). Dient nur als Meßlatte.

Gruß

Ralf
Bernd Schulz
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Re: Was macht einen großen Wein aus!

Beitrag von Bernd Schulz »

Ralf Gundlach hat geschrieben:Also: reine Gefühlssache. Ich käme niemals auf die Idee, das in irgendein Schema, außer in Punkten einzuordnen ( wobei das dem Genußfaktor und vor allem den Gefühlsfaktor nicht gerecht wird). Dient nur als Meßlatte.
Genau so sehe ich das auch.

"Groß" ist ein sehr vages, vergleichsweise abstraktes Attribut. Harte allgemeingültige Kriterien für seine Verwendung lassen sich nicht festlegen. Wenn dieses Attribut schon mal in einer meiner Weinbeschreibungen auftaucht, handelt es sich in der Tat um nichts anderes als eine Gefühlssache.

Die Frage "Was macht einen großen Wein aus!" (ich setze übrigens an das Ende von Fragesätzen kein Ausrufezeichen :mrgreen:) kann also als grundsätzliche Frage nicht wirklich vernünftig beantwortet werden. Wenn ich weniger höflich wäre, als ich es bin, würde ich dazu tendieren, sie als ziemlich sinnfrei zu betrachten.... :oops: :lol:

Herzliche Grüße

Bernd
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OsCor
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Re: Was macht einen großen Wein aus!

Beitrag von OsCor »

Trotz des falschen Zeichens am Satzende ( :D ) bin ich beim Durchlesen des Fadens für mich auf eine ganz andere Frage gestoßen: Bin ich als Wein-Novize mit sehr wenig Erfahrung überhaupt in der Lage, einen Wein als groß zu erkennen? Da braucht es doch auch ordentlich Weinkenntnis und langjähriges Trinken - oder sehe ich das falsch?
Ich hoffe, dass mir noch keiner unerkannt (quasi versehentlich) durch die Gurgel gerauscht ist…

Gruß
Oswald
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EThC
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Re: Was macht einen großen Wein aus!

Beitrag von EThC »

OsCor hat geschrieben:Ich hoffe, dass mir noch keiner unerkannt (quasi versehentlich) durch die Gurgel gerauscht ist…
...wahrscheinlich ist es doch eher so, daß einem als "Wein-Novize" viele Weine als "groß" vorkommen, welche die echten oder vermeintlichen Cracks nur müde belächeln (und man selber mit mehr Erlebnishintergrund später auch), man trinkt sich ja in der Regel von unten nach oben... :lol:
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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puschel
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Re: Was macht einen großen Wein aus!

Beitrag von puschel »

EThC hat geschrieben:....man trinkt sich ja in der Regel von unten nach oben :lol:
So ist das - auch unabhängig der Regel :D

Ein großer Wein muss dem Verkoster, Trinker als Ganzes faszinieren, beeindrucken.
D.h. ein großer Wein muss mich betören, egal ob laut oder leise.
Ohne Komplexität, Feingliedrigkeit, Spannung und Tiefgang wird dies nicht gelingen.
Ein großer Wein sollte meiner Meinung nach auch ewig am Gaumen haften ....
und über eine enorme ( große ) Lagerfähigkeit verfügen. :roll:

Gruß Adi
Save water, drink riesling
Zweifel
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Re: Was macht einen großen Wein aus!

Beitrag von Zweifel »

OsCor hat geschrieben: ...
Ich hoffe, dass mir noch keiner unerkannt (quasi versehentlich) durch die Gurgel gerauscht ist…

Gruß
Oswald
Hallo Oswald

Keine Angst: genau DAS wird Dir ganz sicher nie passieren!

Ich sehe das wie Ralf und Bernd, siehe oben.

Lieber Gruss
Hans-Rudolf
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small talk
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Re: Was macht einen großen Wein aus!

Beitrag von small talk »

Wein ist Genuss!
Ein großer Wein ist großer Genuss.
Großer Genuß braucht jemanden der auch großartig genießen kann und dazu bereit ist. Insofern ist auch der Genuss eines Weines auf die genießende Person ‚zugeschnitten‘.
Für jemanden der Weine genießen kann sind große Weine eine Herausforderung und zugleich eine Offenbarung der eigenen Genussfähigkeiten – ein Erlebnis.

Was einen gossen Wein nun ausmacht?
Ein großer Wein führt den Weingenießer/die Weingenießerin an seine/ihre Grenzen
und mit etwas Glück noch darüber hinaus.
Die Wahrheit liebt es, sich zu verstecken. (Heraklit - Interpretation)
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EThC
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Re: Was macht einen großen Wein aus!

Beitrag von EThC »

small talk hat geschrieben:Ein großer Wein führt den Weingenießer/die Weingenießerin an seine/ihre Grenzen
und mit etwas Glück noch darüber hinaus.
Im Prinzip ok, aber Vorsicht: es gibt auch Grenzen, die ich z.B. mit einem Grauburgunder etc. vom Aldi für 1,99 erreiche bzw. weit überschreite und das ist dann nicht wirklich angenehm... :twisted: :lol:
Viele Grüße
Erich

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