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Korkschmecker und Lagerbedingungen

Was Sie schon immer über Wein wissen wollten, aber nie zu fragen wagten
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amateur des vins

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Korkschmecker und Lagerbedingungen

BeitragFr 28. Jul 2017, 11:44

Im Bordeaux-2010-Thread bin ich über diese Aussagen gestolpert:
olifant hat geschrieben:
UlliB hat geschrieben:... Die Auffassung, dass Korkschmecker etwas mit den Lagerbedingungen zu tun haben, gehört in die Kategorie "grober Unfug"...
Dies ist in der Sache 100% richtig. Nur bakteriell verseuchter Kork führt zur TCA-Belastung - ganz unabhängig von der Lagertemperatur. Wo keine Kontamination des Korks vorliegt entwickelt sich keine TCA-Belastung.
Ist das wirklich so, auch mittelbar?

Nun weiß man ja, daß das Wachstum von Bakterienpopulationen von den Umweltbedingungen abhängt. Und Wikipedia schreibt, daß TCA auch bei Schimmelbefall von Papier entsteht. Und, daß es als Luftschadstoff (in der Raumluft von Fertighäusern) nachgewiesen wurde.

Ist es wirklich ausgeschlossen, daß Korken über die Raumluft kontaminiert werden können? Daß eine etwaige Belastung der Raumluft von Temperatur, Luftfeuchtigkeit etc., eben den Umweltbedingungen, abhängt, scheint mir offensichtlich.

Gibt es dazu Untersuchungen? Bitte gerne verlinken!
Besten Gruß, Karsten
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UlliB

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Re: Korkschmecker und Lagerbedingungen

BeitragFr 28. Jul 2017, 12:11

Nach allen vorliegenden Untersuchungen sind die Korken, die einen Korkschmecker verursachen, bereits mit TCA verseucht, bevor sie in die Flasche kommen. Das ist auch logisch, denn zur Bildung von TCA sind zwei Voraussetzungen nötig:

- die Suberin-Struktur des Korkens muss partiell auf niedermolekulare Strukturen depolymerisiert werden, das geschieht durch mikrobiologische Prozesse, die sehr hohe Feuchtigkeit und auch hohe Temperaturen voraussetzen;
- es muss eine reaktive Chlorquelle vorliegen. Sowohl bei Kork als auch bei Papier ist das die Hypochlorit-Bleiche, der beide Produkte unterworfen werden.

Während Schritt 1 rein hypothetisch auch noch im Keller passieren könnte (aber unter normalen Lagerbedingungen schon eher nicht), fehlt für Schritt zwei schlicht die Voraussetzung. Im fertigen Korken liegt kein reaktives Hypochlorit mehr vor (und auch keine andere extrem stark oxidative Spezies, die reaktives Chlor auf einem Umweg erzeugen könnte), sonst gäbe es mit der Weinstabilität massive Schwierigkeiten.

Übrigens lässt sich TCA schon in den frisch hergestellten Korken analytisch nachweisen, nur war das vor nicht allzu langer Zeit ein zeit- und arbeitsaufwendiger Prozess, der sich deshalb nicht zur Inprozesskontrolle geeignet hat. Das hat sich aber jetzt geändert: https://www.thedrinksbusiness.com/2016/ ... guarantee/

Ob es zu einer Kreuzkontamination durch TCA über die Raumluft kommen kann, ist eine andere Frage. Vermutlich müsste dazu aber die Konzentration in der Luft ganz erheblich sein, d.h., man würde das sofort riechen, wenn man den Raum betritt oder den Weinkühlschrank öffnet. Ansonsten dürfte die Konzentration kaum hoch genug sein, um erst den Korken und dann den Flaschenihnalt wirksam zu kontaminieren. Das müsste dann am Ende auch noch alle Flaschen am betreffenden Lagerort erwischen, und dazu fehlt jede praktische Evidenz.

Gruß
Ulli
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amateur des vins

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Re: Korkschmecker und Lagerbedingungen

BeitragFr 28. Jul 2017, 12:40

Einmal mehr danke, Ulli!
UlliB hat geschrieben:Nach allen vorliegenden Untersuchungen sind die Korken, die einen Korkschmecker verursachen, bereits mit TCA verseucht, bevor sie in die Flasche kommen. [...]
Ich hatte das so abgespeichert, aber nicht hinterfragt. Für die Erzeugung durch Mikroorganismen ist Deine Argumentation plausibel.

UlliB hat geschrieben:Ob es zu einer Kreuzkontamination durch TCA über die Raumluft kommen kann, ist eine andere Frage. Vermutlich müsste dazu aber die Konzentration in der Luft ganz erheblich sein, d.h., man würde das sofort riechen, wenn man den Raum betritt oder den Weinkühlschrank öffnet. Ansonsten dürfte die Konzentration kaum hoch genug sein, um erst den Korken und dann den Flaschenihnalt wirksam zu kontaminieren. Das müsste dann am Ende auch noch alle Flaschen am betreffenden Lagerort erwischen, und dazu fehlt jede praktische Evidenz.
Ich halt's ja auch für unwahrscheinlich, war mir aber nicht sicher, ob das für kategorischen Ausschluß reicht. Deine Argumente halte ich alle für valide; hätte ich mit etwas mehr Nachdenken auch drauf kommen können (sry).

Schön, daß das hier jetzt mal nachvollziehbar aufgeschrieben steht. :)
Besten Gruß, Karsten
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maha

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Re: Korkschmecker und Lagerbedingungen

BeitragFr 28. Jul 2017, 14:42

Vielen Dank für die Ausführungen.
Ich würde jedenfalls nicht auf die Idee kommen den Rest einer 12er OHK zu verkaufen, nur weil 2-3 Flaschen davon korken.
Gut für die Ebay Schnäppchenjäger :D

Ich führe zwar keine genaue Statistik, aber meine Korkschmecker halten sich generell in Grenzen (zum Glück). Und ich sehe bis jetzt keine signifikante Erhöhung bei Ebay oder anderen Sekundärmarkt Quellen (z.B. Facebook Weintauschbörse)

Gruß Marko
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graves

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Re: Korkschmecker und Lagerbedingungen

BeitragFr 28. Jul 2017, 18:55

maha hat geschrieben:Vielen Dank für die Ausführungen.
Ich würde jedenfalls nicht auf die Idee kommen den Rest einer 12er OHK zu verkaufen, nur weil 2-3 Flaschen davon korken.
Gut für die Ebay Schnäppchenjäger :D

Ich führe zwar keine genaue Statistik, aber meine Korkschmecker halten sich generell in Grenzen (zum Glück). Und ich sehe bis jetzt keine signifikante Erhöhung bei Ebay oder anderen Sekundärmarkt Quellen (z.B. Facebook Weintauschbörse)

Gruß Marko


Empirisch belegen kann ich das nicht, dazu habe ich zu wenig über ebay gekauft, aber ich halte die Aussage, dass schlechte Flaschen dort häufiger sind und die Motivation, die Restflaschen aus Kisten mit hoher Fehlerquote dort zu versilbern, schon für recht schlüssig.

@maha: Hoffe auf der Insel geht's Dir gut und das einzige, was in Strömen fließt, ist der Wein....
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maha

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Re: Korkschmecker und Lagerbedingungen

BeitragSa 29. Jul 2017, 12:12

Ich kenn mich jetzt im Abfüll- / Packprozess bei Weingütern nicht so gut aus, und ich kann mir auch vorstellen dass es hier große Unterschiede zwischen kleinen Familienbetrieben und riesen Châteaus gibt, vielleicht kann jemand mehr dazu sagen.
Werden Flaschen nach dem Abfüllen direkt anschließend hintereinander auch in Kisten verpackt?
Evtl passiert das in einem kleinen Betrieb so, aber bei den meisten werden die Flaschen doch wahrscheinlich erst irgendwo zwischen gelagert und erst später verpackt, so daß man nicht von in sich geschlossenen "Chargen" sprechen kann. Sprich die Ansammlung in den Kartons ist doch eher zufällig.

Genauso das Verkorken. Ich kann mir vorstellen dass ein ganzer Sack Korken in die Maschine geschüttet wird und welcher Korken auf welcher Flasche landet ist genauso Zufall, so daß man die Flaschen nicht exakt einer Kork Charge zuordnen kann.
Oder bin ich da komplett auf dem Holzweg?

@graves, danke der Nachfrage, das Wetter passt im Großen und Ganzen. Die großen Wassermassen sind im südlichen Niedersachsen runter gekommen. Hier sind wir verschont worden. Ein paar warme Sonnentage waren auch schon dabei. Nur meine Weinreserven gehen langsam zur Neige und ich muß neue Quellen auftun :-)

Grüße Marko
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UlliB

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Re: Korkschmecker und Lagerbedingungen

BeitragSa 29. Jul 2017, 16:50

maha hat geschrieben:Ich kenn mich jetzt im Abfüll- / Packprozess bei Weingütern nicht so gut aus, und ich kann mir auch vorstellen dass es hier große Unterschiede zwischen kleinen Familienbetrieben und riesen Châteaus gibt, vielleicht kann jemand mehr dazu sagen.
Werden Flaschen nach dem Abfüllen direkt anschließend hintereinander auch in Kisten verpackt?
Evtl passiert das in einem kleinen Betrieb so, aber bei den meisten werden die Flaschen doch wahrscheinlich erst irgendwo zwischen gelagert und erst später verpackt, so daß man nicht von in sich geschlossenen "Chargen" sprechen kann. Sprich die Ansammlung in den Kartons ist doch eher zufällig.

Genauso das Verkorken. Ich kann mir vorstellen dass ein ganzer Sack Korken in die Maschine geschüttet wird und welcher Korken auf welcher Flasche landet ist genauso Zufall, so daß man die Flaschen nicht exakt einer Kork Charge zuordnen kann.
Oder bin ich da komplett auf dem Holzweg?

Ich nehme an, das bezieht sich auf die Frage, ob es für die restlichen neun Flaschen ein erhöhtes Risiko gibt, wenn aus einer 12er-Kiste schon zwei der drei zuerst entnommenen Flaschen gekorkt haben - und man die dann besser auf ebay oder sonstwo vertickt?

In der Vergangenheit hat es Fälle gegeben, in denen komplette Korklieferungen an einen Abnehmer kontaminiert waren und in der Folge komplette Jahrgänge dieser Erzeuger praktisch vollständig "erwischt" wurden. Ein bekannter Fall in Deutschland war Loch / Herrenberg, wo man anschließend komplett auf Kronkorken umgestelt hat; es hat ähnliche Fälle nach meiner Erinnerung auch in Frankreich und in Italien gegeben, die dann auch vor Gericht gelandet waren - die Namen der damals betroffenen Erzeuger habe ich aber nicht mehr parat.

Es scheint, dass die Korkindustrie zumindest dieses Problem mittlerweile im Griff hat, das heißt, das Problem ist mittlerweile mehr oder minder sporadisch geworden. Und hier stellt sich dann die oben genannte Frage: gibt es so etwas wie ein "Klumpenrisiko"?

Im ersten Schritt der Produktion ist das vermutlich so. Es ist unwahrscheinlich, dass nur ein kleines Stück einer Korkplatte, aus der die Korken ausgestanzt werden, kontaminiert ist - vermutlich sind das größere Bereiche oder gleich die ganze Platte, so dass viele oder alle Korken, die aus dieser einen Platte gestanzt werden (das sind etliche Dutzend) betroffen sind.

Danach gibt es aber weitere Prozessschritte, und hier dürfte es zu einer gründlichen Durchmischung kontaminierter mit unkontaminierten Korken kommen. Die Korken werden erzeugerspezifisch bedruckt, sie werden silikonisiert oder kunststoffbeschichtet, sie werden abgepackt - all das ist zwangsläufig mit Vermischung verbunden, und schließlich kommt es auf der Abfüllmaschine selbst zu einer Art Randomisierung.

Am Ende bleibt es nur bei der stochastischen Wahrscheinlichkeit, dass es einen bei einer Gesamt-Korker-Quote von x% gleich mehrfach hintereinander erwischt. Aber auch beim Roulette kommt manchmal 6 oder 7 mal hintereinander rot, obwohl die Wahrscheinlichkeit für schwarz bei fast 50% liegt...

Soweit zur Theorie. Die Praxis kann mitunter schmerzhaft sein. Ein Extremfall ist bei mir eine 12er-OHK Pichon Baron 1989, bei der 5 der bislang 7 entnommenen Flaschen verkorkst waren. An und für sich ist das ein genial guter Wein, und über hohe Korkschmeckerquoten ist da nichts berichtet worden, und eine zeitgleich von einem Freund erworbene Kiste hat bisher bei 6 Flaschen null Ausfall gezeigt... vermutlich nur Pech...

Gruß
Ulli
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amateur des vins

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Re: Korkschmecker und Lagerbedingungen

BeitragSa 29. Jul 2017, 17:31

UlliB hat geschrieben:Ein Extremfall ist bei mir eine 12er-OHK Pichon Baron 1989, bei der 5 der bislang 7 entnommenen Flaschen verkorkst waren.
Oje! :cry: Du kannst Dir von meinem Mitleid nix kaufen, schon gar keinen Pichon Baron '89, aber Du hast es trotzdem...
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maha

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Re: Korkschmecker und Lagerbedingungen

BeitragSa 29. Jul 2017, 17:38

Danke Ulli,

Das beantwortet meine Frage hinreichend. So ähnlich hatte ich mir das gedacht.
Eine weitere Randomisierung findet dann ja auch noch beim verpacken der Flaschen in Kartons bzw. Kisten statt.

Ich hatte bei meiner Überraschungskiste von WineSavesLive auch erhebliches Pech. Die ersten 3 von 6 waren hinüber. Und hier waren es wahllos zusammen gestellte Einzelflaschen

Gruß Marko
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amateur des vins

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Re: Korkschmecker und Lagerbedingungen

BeitragSa 29. Jul 2017, 19:20

Ich hab jetzt nochmal eine Weile recherchiert, und was mich an der ganzen Geschichte wundert:

Es gibt ja durchaus Berichte, daß Wein über die Raumluft TCA-kontaminiert wurde. Und das betrifft eben nicht nur Naturkorken, in denen dann eingelagertes (geruchsloses) PCP in TCA umgewandelt wurde, wenngleich auch das vorkam. Sondern es betrifft auch Betriebe, die seit "Ewigkeiten" keine Naturkorken verwenden. Verursacher war dann zumeist irgendein PCP-haltiger Anstrich von Gebälk, Paletten, Wänden oder sogar Fässern in Verbindung mit Pilzbefall in feuchten und/oder schlecht belüfteten Räumen. Es wird dann bspw. von "extrem hohen TCA-Werten in der Raumluft von 20ng/l" berichtet.

Wenn doch aber die Geruchsschwelle in der Raumluft "wenige ng/l" (Wasser: 0,3 ng/l, Wein: 1,4 ng/l) beträgt - müßten dann nicht sämtliche Alarmglocken klingeln? Also, daß ein Spediteur den Geruch wahrnimmt, aber als üblich abtut, kann ich verstehen. Aber Winzer?

Die Kontamination organischen Materials mit TCA über die Raumluft scheint nachgewiesen zu sein. Ich habe die Quellen so verstanden, daß dadurch allenfalls Korken, Stopfen, Filter etc. und somit Weine vor der Abfüllung betroffen waren. Über eine nachträgliche Kontamination bereits abgefüllter Weine habe ich nichts gefunden.
Besten Gruß, Karsten
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