vor einer guten Woche trafen sich in der örtlichen VHS wieder einige Weininteressierte, die den krankheitsbedingt verschobenen Termin zum Thema "autochthone Rebsorten" jetzt wahrnehmen wollten.
Nach klassischer Definition sind autochthone Rebsorten solche Sortenvertreter, die in einem bestimmten Gebiet durch Zufallskreuzung entstanden sind und idealerweise heute möglichst nur dort angebaut werden. In einer globalisierten Weinwelt ist ein solcher Weintyp aber nur höchst selten anzutreffen. Ausserdem ist auch mit Hilfe wissenschaftlicher Methoden heute nicht immer der genaue Ursprungsort einer Rebsorte zu lokalisieren. Aus diesem Grunde habe ich die ursprüngliche Definition doch ein ganzes Stück aufgeweicht

Eines war aber klar: es wird ein Abend werden, wo Cabernet, Merlot, Syrah, Pinot noir, Chardonnay, Riesling und der eine oder andere "Global-Player" durch Abwesenheit glänzen

Insgesamt wurden 15 Weine (7x weiss, 8x rot) präsentiert, was zu einem bunten Mix aus durchaus bekannten und ziemlich unbekannten Rebsorten führte.
Langer Vorrede, kurzer Sinn, hier sind die 15 Weine, die wie immer "blind" verkostet wurden, mit kurzen Kommentaren meinerseits:
2021er Sulzfelder Roter Silvaner QW trocken (Zehnthof Luckert, Sulzfeld)
Silvaner mit seinen insgesamt 4 Spielarten (grün, gelb, blau und rot) ist seit 1665 in Franken urkundlich nachweisbar, auch wenn seine ursprüngliche Entstehungsheimat wohl im Donauraum (Österreich/Ungarn) liegt, dort aber praktisch von der Bildfläche verschwunden ist.
hier nun die wohl seltenste Spielart des Silvaners, die meines Wissens nur von den Luckerts reinsortig ausgebaut wird:
helles Gelbgold, sehr einladende, ultraklare und feine Nase nach Reineclauden, etwas Mirabelle und Quitte, zarte Nussaromatik, am Gaumen komplett trocken, saftige Säure, nur mittlerer Körper (12,5 Vol%), aber mit einigem Extrakt, sehr geradlinig und trinkfreudig, der Wein bleibt gut haften und klingt fruchtig-saftig aus. Ein toller Sortenvertreter, der das Potential dieser Rebsorte andeutet, wenn die Reben etwas älter sind. Sollte jeder einmal probiert haben, fairer Preis (im Handel ca. 15 EURO).
2020er Gumpoldskirchner Ried Hofbreite Zierfandler QW trocken (Leo Aumann, Tribuswinkel)
hier jetzt ein definitionsgetreues Beispiel einer autochthonen Rebsorte. Der Zierfandler ist wohl im Donauraum entstanden und wird praktisch exklusiv nur noch in der Thermenregion angebaut.
In der Nase eine eher dezente Frucht, reifer Apfel, etwas Birne, sehr klare Stilistik, am Gaumen dezente Restsüsse( ca. 6 Gr.), die aber durch eine lebendige Säure (7 Promill) sehr gut austariert wird, angenehmer Gelbfrucht, deutlich kräftiger als der Vorgänger (13,5 Vol%), Alkohol aber gut eingebunden, angenehmer, nicht zu wuchtiger Sortenvertreter mit mittlerer Länge und angenehmer Frische. Ca. 12 EURO im Handel.
2020er "Arenas de Santyuste" Verdejo Vino de Mesa (Esmeralda Garcia, Segovia)
ein zu 70% in Edelstahl und 30% in der Tonamphore ausgebauter Einzellagenwein (Vallejo) aus einem "Garagenweingut" mit 5ha Rebfläche, uralter Rebbestand (Pflanzungen zwischen 1810 und 1877 !!), der auch heute noch überwiegend im Ertrag ist,unfiltriert und ungeschönt mit wenig SO2 abgefüllt. Da das Weingut ausserhalb der Rueda DO liegt, ist das formell unterste Schublade (Vino de Mesa -Tafelwein). Aber was für eine Untertreibung: ultraspannende Nase, sehr komplex, die Frucht wird in der Nase klar von Würze und Mineralität überlagert, etwas Cassis, Stachelbeere, aber sehr dezent, deutliche Curry-Note, die etwas an das Jura erinnert, grüner Tee, Piment, etwas Pfeffer,komplett saubere Nase, keine Oxidation oder flüchtige Säure, total spannender Wein, der durchaus Elemente des "Naturweines" besitzt, aber auch traditionellen Weintrinkern gefallen dürfte, am Gaumen furztrocken, aber mit moderater Säure, ein Hauch Gerbstoff-Grip, die 13, 5 Volt sind bestens eingebunden, tolle Würze und Mineralität, jetzt merkt man auch etwas die reife Gelbfrucht, die aber alles andere als plakativ auftritt, sehr stimmig und in sich ruhend, langer, ebenmässiger Abgang. Vielleicht nicht ganz der typische Verdejo mit Cassis, Stachelbeere und leichter Exotik, aber ein spannender, hochklassiger Vertreter dieser Rebsorte. Eine echte Überraschung und ein klarer Nachkaufs-Kandidat. Gefiel allgemein sehr gut. Ca. 24 EURO im Fachhandel.
2018er "La Fresnaye" Anjou blanc (Patrick Baudoin, Chaudefonds)
reinsortiger Chenin blanc aus diesem nicht ganz unbekannten 14 ha-Bioweingut. Der Chenin blanc ist wohl ein Kind der Loire, hat aber in Südafrika seine zweite Heimat gefunden und ist dort die führende Weißweinsorte. Somit kein "astreines" Beispiel für das Autochthone. Der Wein macht aber sehr viel Spass:
in der Nase reifer Apfel, deutlich Quitte, etwas Birne, vereint mit eleganter (Altholz-)Würze, sehr klar und sortenaffin, aber ohne jeglichen Honignoten und Nuancen nasser Wolle, die leider oftmals als typisch für diese Rebsorte erachtet werden, kraftvoller Typ, aber sehr ausgewogen, am Gaumen komplett trocken, feinstrahlige Säure, konterkariert durch den Holzeinsatz, der viel Kraft und Würze beisteuert, gut verpackter Alkohol (13,5 Vol%), aber auch die Frucht kommt nicht zu kurz, Quitte, reife Birne,Apfel, sehr stimmiger Chenin blanc, der Fülle mit Frische und Trinkigkeit verbindet. Gutes Preis-Leistungsverhältnis für einen Wein dieser Kathegorie (ca. 21 EURO im Fachhandel).
2018er "Sacabeira" Albarino Rias Beixas DO (Iria Otero Mazoy, Ribaduna)
eine Cuvee aus 3 Weinbergen des Val do Salnes mit Granitböden, 30-50 Jahre alte Reben, reiner Stahltank-Ausbau.
Schon wieder ein weisser "Spanier" aus "Frauenhand", der mich voll überzeugen kann:
auch hier nasal keine Fruchtbombe, etwas Marille, Agrumen, Hauch Birne, deutet aber schon im Duft einige Tiefe an, am Gaumen ohne jeglichen Süsseeindruck, saftige Säure, die ein gute Struktur verleiht, bestens integrierter Alkohol (13 Vol%), feine, elegante Gelbfrucht, die gegen den Abgang immer mehr von einer immens steinigen Mineralität begleitet wird, die den Wein äusserst lange im Abgang hält. Faszinierender Albarino, der sowohl solo als auch als Essensbegleiter viel Spass macht. Klarer Nachkaufskanditat mit für diese Klasse durchaus moderaten Handelspreis (ca.24 EURO).
2019er Nagy-Somloi feher szaraz bor (Tamas Kis, Somloienö)
ein Wein aus dem "Hidden Treasure-Projekt" von Roland Velich (Moric), ein Wein aus Westungarn (Somloer Berg) von dem Quereinsteiger Tamas Kis (übersetzt: Thomas Klein), eine Cuvee aus den beiden ungarischen autochthonen Rebsorten Furmit und Harslevelü (Lindenblättriger) zu gleichen Teilen, ergänzt mit einem Hauch Olasz-Rizling (Welschriesling).
Sehr eigene Nase, deutlich floral, grüner Tee, wirkt sehr stoffig und intensiv, aber sehr ausgewogener und feiner Naseneindruck, am Gaumen knalltrocken, aber mit relativ milder Säure, kräftiger Eindruck trotz nur 12 Vol% laut Etikett,auch am Gaumen dezent floral, Tee, Kardamon, ein Hauch Rhabarber, Hauch Honig, sehr eigenständig mit hohem Wiedererkennungswert, sehr harmonisch, gute Länge. Ca. 21 EURO im Fachhandel. Vor allem der Furmint gerät auch im Burgenland immer mehr in den Fokus und bringt dort auch hochinteressante trockene und edelsüsse Weine.
Zum Abschluss der Weißweinrunde noch einen eigenen Vinifikationstyp aus einer äusserst seltenen, autochthonen Rebsorte:
---- Terrantez 20 years medium dry (Henriques & Henriques, Camara de Lobos)
ein aufgespriteter, mindestens 20 Jahre im Canteiro-Verfahren gereifter Madeira aus der seltenen Rebsorte Terrantez, die nur noch auf wenigen Hektar angebaut wird.
Was für eine komplexe Nase: eine Mixtur aus 1000 und 1 Nacht, Dörrpflaumen, Rosinen, Kardamon, etwas Ingwer, Kandis, Karamell, sehr komplex und dicht, ohne überladen zu sein, man könnte hier stundenlang schnüffeln, ein echter Meditationswein, am Gaumen angenehme Restsüsse, die aufgrund der kräftigen Säure nicht auf die tatsächlich vorhandenen 75 Gramm Restzucker schliessen lässt, kraftvoll und dicht, trotz 20 Vol% nicht alkoholisch oder spritig, unheimlich komplex auch am Gaumen, der Wein muss in kleinen Schlückchen genossen werden, Trockenfrüchte, Rosinen, Kandis, orientalische Gewürze, eine leicht rauchige Note mit zartbitterem Einschlag, dunkle Schokolade, Hauch Zimt, ellenlanger Abgang, der über Minuten anhält. Großartiger und unverwechselbarer Madeira, den ich direkt auf der Insel zu einem noch erträglichen Preis erstehen konnte. Wenn dieser Ausnahmewein im hiesigen Handel angeboten wird, dann wird es häufig dreistellig

Die 8 Rotweine folgen in Kürze !
LG
Bodo