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Kurz ein paar Eindruecke von der GG-Verkostung im Weinladen Schmidt (Berlin Westend).
Ich fand die Qualitaet der praesentierten Rieslinge extrem problematisch. Bis auf zwei Ausnahmen waren die Weine langweilig, spannungsarm und gerade mal ganz okay, aber weder qualitativ noch stilistisch "echte" GGs, sondern eher trockene Spaetlesen mit extrem begrenzter Reich- und Spannweite. Sogar die ueblichen Verdaechtigen sind von einer enttaeuschenden Unverbindlichkeit und kommen ueber ein bisschen vertieftes small-talk nicht hinaus. Sie sind sehr weich und glatt und haben bis auf einige Ausnahmen keinerlei oder nur sehr wenig Frucht gezeigt. (In letzterem unterscheidet sich 2016 deutlich von 2011.)
Keine Ahnung, was die Leute in Wiesbaden im Glas hatten, dass sie dermassen euphorisch wurden, aber gemessen am untenstehenden line-up (und sorry, wenn ich mich anhoere wie eine kaputte Schallplatte) finde ich 2015 im Wein-zu-Wein-Vergleich dramatisch besser als 2016. Im Gegenzug ist 2016 ist der erste Jahrgang, in dem viele deutsche Riesling-GGs wirklich burgundisch sind: teuer und schlecht. Aus momentaner Sicht werde keinen einzigen der verkosteten Rieslinge kaufen.
In der Reihenfolge der Verkostung:
GG Riesling
Goldtroepfchen, Reinhold Haart
In der suesslich-fruchtigen Nase Orangenblueten, etwas Pfirsich und Hefe. Am Gaumen sehr leicht, etwas bitter, ganz ordentliche Intensitaet und Laenge. Ziemlich simpel und langweilig. Okaye SL trocken, aber doch kein GG. 87-88.
Abtsberg, Max. Gruenhaus
In der kraeutrigen, "gruenen" Nase Waldmeistersirup und Stachelbeere, Katze, Hefe. Am Gaumen suessliche Frucht, frische Saeure, "Ahoj-Brause Waldmeister", gute Laenge, aber sehr, sehr leicht, vielleicht sogar zu leicht oder gar mager. Alles sehr verhalten und - simpel. Fuer Liebhaber des leichten und leicht suesslichen Stils (und mit schwerem Geldbeutel). 89-90 fuer den Wiedererkennungswert, aber sonst ein ziemlich unspannender Wein.
Berg Rottland, Kuenstler
Blumige Nase (eher wie ein Roseneck?!), Hefe, alles eher hellgelb als pfirsichorange, extrem lagenuntypisch. Am Gaumen mit mehr Koerper als die Vorweine, immerhin, aber voellig uninteressant. 87 unter Freunden.
Hoelle, Kuenstler
Nach der Granate des Vorjahres (14.5%) kommt dieses Jahr ein kleines Kabinettchen mit 12% auf die Flasche. In der recht kraeftigen Nase zwar eindeutig ein (junger) Hochheimer, etwas Eisbonbon (sic!). Am Gaumen selbst fuer die Hoelle recht viel Pikanz, ordentliche Intensitaet und Laenge, aber auf dem Niveau einer ordentlichen Spaetlese. Spannungsarm und, puuuh, ... langweilig? 88.
Fruehlingsplaetzchen, Emrich-Schoenleber
Wow! Intensive, dunkle Raffinerienase, darunter suesslich-blumige Frucht, Nivea-Creme. Am Gaumen wuchtige und intensive Aromen, viel Mineralitaet, gelindes Drama also, aber noch alles nebeneinander und ohne den Koerper, der diese Aromatik aufpolstert und dem Wein Kraft verleiht; das macht ihn ziemlich unausgeglichen. Schoene Laenge aber. 92
Halenberg, Emrich-Schoenleber
Aromatisch wie oben, aber ah! hier ist er, der Koerper! Endlich mal ein Wein, bei dem etwas passiert... beziehungsweise wiederum nicht: Denn mit dem Koerper kommt auch ein cremiger Schmelz, der alles an Kanten und Ecken zuschuettet, die den Wein haetten spannend machen koennen. Sehr gut, keine Frage, deutliche 4 Punkte besser als die Vorweine (minus Fruehlingsplaetzchen), aber unglaublich nett und unverbindlich und... *schnarch* 'schulligung, Sie meinten? 92+
Hoellberg, Wagner-Stempel
Extrem verhaltene Nase. Auch am Gaumen aromatisch simpel, nur Textur, aber sogar die unspannend. Zu? Keine Wertung.
Heerkretz, Wagner-Stempel
Wiederum verhaltene Nase, etwas zugeschnuert, mit dunkler Raffinerie. Am Gaumen viel Stoff, Saft, Pikanz, intensiv und lang, durchaus ganz gut, aber null Aroma, null Frucht - ins Silvanertoepfchen gefallen, hm? Weil sonst aber alles dran ist: 90, zwei Pluszeichen und ein Halleluja.
Frauenberg, Battenfeld-Spanier
An der Nase entfernt sauer eingelegte Gurke mit Senf (Erinnerungen an den 2014er Nikolaus von Kuehn werden wach), dunkle Raffinerie, mit Luft kommt kreidiger Apfel. Am Gaumen astreiner Rumpelriesling, voellig zerfahren, (zu) schlanker Koerper, wirkt daher sauer. Typische, kreidige Textur des Frauenbergs, aber (noch?) ziemlich simpel. Nee.
Am Schwarzen Herrgott, Battenfeld Spanier
Dem Vorwein sehr aehnliche Nase, aber offener, feiner. Auch am Gaumen mehr Schmelz, was den Wein feiner wirken laesst. Sehr erdig (wie Lehm), aber wiederum keine Frucht. Sehr lang, aber so spannend wie eine Tuete Sand. Booooring.
Hipping, Kuehling-Gillot
In der Nase wieder die Raffinerie und das Gurkenwasser. Am Gaumen spiegelglatt wie ein ruhiger See, durchaus mit Koerper, aber deutlich weniger als die Vorweine (wie es auch sein soll), etwas kraeutrig (Etragon und auch Minze?), ordentliche Laenge. Ganz gut (89-90).
Pettenthal, Kuehling-GIllot
Bäm! Der interessanteste Wein der Probe: Wie Vorwein, aber viel koerperreicher, voller, laenger, mit dem typischen, lieblichen Schmelz, der den Pettenthal immer einen Touch zu suess wirken laesst. Deutlich adstringierend, aber deshalb wenigstens mit Spannung. Reife Frucht, leichter Karamell im Abgang, und das lagentypische gruene Olivenoel. Mit dem Halenberg der beste Wein der Probe, aber halt soooo viel weniger gut als die Vorjahresversion. 92+
Ungeheuer, von Buhl
In der Nase Holz, Kraeuter, gruene, gebogen-gebrochene Haselrute ueber verhalten aromatischer Birne (also nicht Williams-Christ oder so). Am Gaumen weiches, gutes Holz, Birnen-Aprikosen-Nektar aus dem Tetrapak (samt Plastiknote). Och joh. 89?
Pechstein, von Buhl
Schoene, dem Vorwein aehnliche, aber etwas wuerzigere Nase. Am Gaumen etwas gruener Tabak und gruene Haselnuss, cremiger Schmelz. Ein sehr freundlicher, gepflegter, angnehmer, netter, braver Wein, der einem bestimmt den Rasen maeht, wenn man im Urlau*schnarch*. 90-91.
Kalkofen, von Winning
Oh je, oh je. Voellig zerfahren, am Gaumen sogar mit rettichartiger Schaerfe. Keine Wertung.
Pechstein, von Winnig
In der Nase Mandelmilch, getrocknete Aprikosen (Schwefel!), sehr gut eingebundenes Holz. Am Gaumen schmelzig, weisse Schokolade, Pfaelzer Frucht, aber nicht lauter Barock'n'Roll, sondern ziemlich aristokratisch. Ein im Vergleich zum Autounfall von eben ein sehr kohaerenter Wein. Gut! Aber irgendwie sehnt man das Stockwerk herbei, damit man endlich aus dieser Konversation rauskommt.
Kirschgarten, Kuhn
"Die kleine Spaetlese aus dem Kirschgarten kann jetzt am Informationsschalter abgeholt werden."
Ausser Konkurrenz auch verkostet:
2013 Marienburg, Clemens Busch
Schon sehr gereifte Nase mit Petrol, Linoleum, Honig (sehr reif gelesen?), am Gaumen aber noch gute Jugendlichkeit, Zitronenzeste und Sahnekaramell (aha!). Ganz OK, aber Busch war ja noch nie meins.
2015 Hermannsberg, Gut Hermannsberg
Sehr enttaeuschend, v.a. fuer einen 2015er. Irgendwie werde ich mit GH nicht warm...
2014 Gaisboehl, Buerklin-Wolf
And that, liebe 2016er, is how it's done. Blaest alles weg, was bei drei nicht auf dem Halenberg oder im Pettenthal war.
2015 GG Spaetburgunder
Stein, Kuenstler
In der Nase typische, saubere und strahlende Spaetburgunderfrucht vermengt mit dunkle Erdige Nase und roestigem Kaffee. Auch am Gaumen dunkel und fest, typisch fuer den schweren Boden, mit wuerziger Frucht, das gute(!) Holz sehr gekonnt und wohldosiert eingesetzt. Wohl der beste Stein, den Kuenstler je gemacht hat, und ein typischer Vertreter der Gegend. Wird in 10 Jahren wunderschoen zu trinken sein. 91-92+
Rosenthal, Adeneuer
Wow! Der Wein ist zwar extrem durchsichtig, aber sogar blind kann man als als Ahrwein erkennen: Sehr intensive und typischer Nase: Schiefer, warme Pflaumen, Nelken. Am Gaumen dito, sehr viel Saeure, vielleicht etwas zu viel fuer den arg schlanken Koerper. Moment, ist das von der Ahr? Ach so, dann ist der Koerper natuerlich "luftig". Sehr sueffig. 90+
Gaerkammer, Adeneuer
Wiederum extrem durchsichtig, aber wieder diese unglaublich typische Nase. Ahrburgunder supercharged: herrlich wuerzige Burgunderfrucht unter Nelken und wunderbar eingebundenem und schoenem Holz. Am Gaumen sehr intensive, kristallklare, brilliante, reife Frucht, aber nichts Eingekochtes oder Ueberreifes, kein Karamell... quintessentially 2015! Das Holz ist sehr praesent, aber gut: mit dunkler Schokolade ueberzogene Kaffeebohnen. Gelungene Kombination aus vollem Koerper und viel seidigem Schmelz, sehr, sehr fein. Alles wird durch kraeftige, aber saftige Saeure strukturiert, das Tannin ist voellig zugeschuettet. Am Ende des langen Abgangs dann ganz leicht die Schale eines gruenen Apfels, aber ohne jegliche Herbe und Adstringenz, wirklich nur das Aroma. Beeindruckender Wein, fuer mich die beste junge Gaerkammer (der beste junge Ahrburgunder sogar?), die ich jemals im Glas hatte. Ein echter grand cru, 93-94+ und ein grosser Schritt fuer die Menschheit.
Schlossberg, Baltes
Hat direkt nach der Gaerkammer keine Chance. Fleischiger, ja, aber auch rustikaler, eckiger, groeber, meinetwegen auch maennlicher. Kraft, Saft, ja doch; aber noch voellig primaerfruchtig und unentwickelt und geradezu primitiv. 89++. Ich fand Baltes jung noch nie sooo super beeindruckend, und gereift habe ich sie noch nicht gehabt, also YMMV.
Nicht verkostet: Kirschgarten von Kuhn.
Cheers,
Ollie