Grosse Gewächse 2010 - live dabei

Bernd Schulz
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Re: Grosse Gewächse 2010 - live dabei

Beitrag von Bernd Schulz »

Ich schließe mich Ulli und Markus an, stelle aber noch zusätzlich die Frage, ob die Lagenklassifikation im Burgund wirklich so ein Erfolgsmodell war/ist? Zumindestens aus Konsumentensicht scheint mir das eindeutig nicht der Fall zu sein, denn Burgund wird immer als "Dschungel", in dem die Orientierung ohne größere Insiderkenntnisse ausgesprochen schwierig ist, bezeichnet und kommt mir persönlich auch genauso vor.

Wem nützt also am Ende die Lagenklassifikation? Was bringt sie dem Weintrinker?

Beste Grüße

Bernd
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UlliB
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Re: Grosse Gewächse 2010 - live dabei

Beitrag von UlliB »

Bernd Schulz hat geschrieben:Ich schließe mich Ulli und Markus an, stelle aber noch zusätzlich die Frage, ob die Lagenklassifikation im Burgund wirklich so ein Erfolgsmodell war/ist?
Hallo Bernd,

aus Sicht der Erzeuger insofern, als dass man für eine Flasche grand cru mehr Geld bekommt als für eine Flasche premier cru und für einen premier cru wiederum mehr Geld als für für eine Gemeinde-AOC oder gar einen einfachen Bourgogne. Wer also GCs und PCs besitzt, hat ein durchaus vitales Interesse an der Erhaltung der Klassifikation.

Aus Sicht des aufgeklärten Konsumenten ist die Klassifikation völlig sekundär; erst einmal muss man einen guten Erzeuger finden, denn der Erzeuger ist auch hier wie überall sonst viel wichtiger als die Qualität der Lage. Erst danach (und zwar weit danach) geht es um die Qualität der Lage, wobei auch hier die "offizielle" Hierarchie keineswegs immer mit der Qualität im Glas übereinstimmt. Insofern: dem Konsumenten nützt die Klassifikation wenig bis nichts.

Und oh Wunder: wer treibt denn dieses durchsichtige Spiel in Deutschland - die Erzeuger, die viele (potentielle) GCs und PCs besitzen, oder der Konsument? 8-)

Gruß
Ulli
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Markus Vahlefeld
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Re: Grosse Gewächse 2010 - live dabei

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Ja, genau so ist es! Zu allererst ist es der Betrieb und irgendwann kommt dann auch die Lage. Deswegen ist die Bordeaux-Klassifikation ja auch ein verlässliches Modell (zumindest seit Parker), während Burgund ein Dschungel ist. Solange man einer LAGE eine Qualität zuspricht, die OHNE DEN MENSCHEN existieren soll, macht man einen Fehler. Zumindest heute in unserer technisierten Welt.

Bei den GGs ist es ja auch nicht anders. Da gibt es ein Dutzend Erzeuger, die jedes Jahr aufgrund von Qualitätsmanagement, Betriebsphilosophie und Erzeugercharisma Grosse Weine hervorbringen, während die anderen einfach nur froh sind, im Strom mitzuschwimmen und ihre Preise erhöhen zu dürfen.

Aber eine Klassifikation, die den Erzeuger UND die Lage berücksichtigt, ist wohl eher die Quadratur des Kreises.
BuschWein
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Re: Grosse Gewächse 2010 - live dabei

Beitrag von BuschWein »

Aber jetzt bitte nicht den Erzeugern vorwerfen, dass sie mit ihren Weinen mehr Geld verdienen wollen.

Natürlich sind Klassifikationen immer ein Marketinginstrument und Marketing ist für die Weinbauern in einer immer komplexeren und globalen Weinwelt wichtig. Wer es nicht schafft, dass er mit seinen Weinen in der Welt als Erzeuger höchster Weinqualitäten wahrgenommen wird, hat heute nur noch wenig Chancen.

Warum schließen sich kleine Erzeuger rund um Traben Trarbach zu einem "klitzekleinen Ring" zusammen? Um gemeinsam mehr Aufmerksamkeit zu erreichen als jeder allein.

Aber am Ende hat dann auch der Weinfreund etwas davon, denn ohne z.B. der Versuch des VDP die Qualität der Weine zu verbessern hätten wir heute nicht die gleiche breite Qualitätssteigerung in Deutschland. Dass es auch unter klassifizierten Weinen, welche gibt die ihren Preis nicht wert sind ist richtig, aber das ist bei nicht klassifizierten Weinen nicht anders.

Eine Klassifizierung ist halt immer dann ein gutes Instrument, wenn man etwas in der Gruppe erreichen will, wenn man sich allein über den Ruf seines eigenen Weins/Weinguts profilieren will, dann bringt eine Klassifizierung nichts.

Insofern war der Weg der Klassifizierung der einzig sinnvolle für den VDP.
Armin
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Markus Vahlefeld
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Re: Grosse Gewächse 2010 - live dabei

Beitrag von Markus Vahlefeld »

Ja, Armin, da hast Du ebenfalls absolut Recht. Das Problem ist eher, dass bei Gemeinschaftsvorhaben oftmals der kleinste gemeinsame Nenner herauskommt. Was aber mussten die Weingüter wirklich ändern, um endlich GGs erzeugen zu können? Eigentlich nichts ausser die Ertragsbeschränkung (und die ist auch ziemlich butterweich). Und da fehlt mir einfach Konsequenz. Die Lage steht nur für ein Potential, das aber ausgeschöpft werden muss. Wie das ginge?

Wenn ich mal meine Gedanken ins Unreine schreibe, würde folgendes rauskommen:

1. Grosse Gewächse gibt es NUR aus Riesling und Spätburgunder

2. Ein Grosses Gewächs MUSS trocken kleiner/gleich 4g RZ sein

3. Ertragsgrenzen bestehen ja

4. Die Weinlage wird ausschliesslich für GG genutzt

5. Ein GG ist unfiltriert

6. Ein GG vom Riesling ist ECHT spontan vergoren

7. Ein GG vom Spätburgunder darf chaptalisiert sein (vom Riesling nicht)
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pivu
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Re: Grosse Gewächse 2010 - live dabei

Beitrag von pivu »

Hi there,

ich hab's schon mal hier geschrieben, man (= VDP) muss nur ins südliche Nachbarland schauen: nicht umsonst erstickt Willi Klinger alle aufkommenden Diskussionen, warum es im Zuge der DAC Klassifikation ergänzend keine Lagenklassifikationen gibt. "Wir müssen erst unsere Hausaufgaben machen" lautet denn auch sein Credo, erst wenn der Gebietscharakter definiert ist, kann man über Regularien für engere Begrenzungen bis zur Einzellage nachdenken. Bottom-up statt Top-down sozusagen.

Die VDP Pyramide klingt zwar in der Theorie ganz schön, die wenigsten Betriebe wollen und können sie umsetzen. Auch die Ägypter bauten ihre Pyramiden nämlich von unten nach oben. Zumindest jeder 2. Betrieb sollte erst mal einen typischen Ortswein auf die Flasche bringen, bevor er sich erfolglos am GG versucht. Warum pusht der VDP diese mittlere Stufe nicht ähnlich wie das GG? Der Markt und die Reichweite wäre ungleich größer.

Ciao
Peter
Bernd Schulz
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Re: Grosse Gewächse 2010 - live dabei

Beitrag von Bernd Schulz »

Aber jetzt bitte nicht den Erzeugern vorwerfen, dass sie mit ihren Weinen mehr Geld verdienen wollen.
Mir geht es nicht darum, Vorwürfe zu machen. Ich stelle nur fest, dass bei einer Klassifizierung die Interessen der Erzeuger und Konsumenten ab einem gewissen Punkt stark auseinanderlaufen. Nämlich spätestens dort, wo eher schwache Erzeuger versuchen, eher schwache Weine unter dem Deckmantel einer klassifizierten Lage für vergleichsweise sehr viel Geld unter die Leute zu bringen. Und das passiert offenbar nicht nur in Deutschland, sondern auch im gerne als Vorbild gepriesenen Burgund gar nicht so selten.

Der nächste Punkt wäre die Frage, wer denn eigentlich die Klassifizierung vornimmt. Macht es ein Verein wie der VDP, stehen logischerweise die Interessen vieler Mitglieder im Vordergrund. Macht es der Staat, kommt möglicherweise so ein Unfug wie im Rheingau dabei heraus...
Ja, genau so ist es! Zu allererst ist es der Betrieb und irgendwann kommt dann auch die Lage. Deswegen ist die Bordeaux-Klassifikation ja auch ein verlässliches Modell (zumindest seit Parker), während Burgund ein Dschungel ist. Solange man einer LAGE eine Qualität zuspricht, die OHNE DEN MENSCHEN existieren soll, macht man einen Fehler.
Ja, und genau deshalb sehe ich in einer Lagenklassifizierung á la Burgund nicht das große Heil. Eine Betriebsklassifikation macht grundsätzlich mehr Sinn - und eine solche gibt es in Deutschland im Grunde genommen auch, denn der GM führt sie mit seinen *Trauben* alljährlich durch. Sie bringt dem Konsumenten -so anfechtbar sie in vielen Punkten sein mag - am Ende deutlich größere Klarheit als jeder Versuch der Lageneinstufung.

Beste Grüße

Bernd
BerlinKitchen
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Re: Grosse Gewächse 2010 - live dabei

Beitrag von BerlinKitchen »

Weitere Impressionen aus Wiesbaden von Sigi Hiss:

http://www.wein-news.com/wp-content/upl ... sbaden.pdf
"Ein Leben ohne Riesling ist zwar möglich, aber sinnlos!"
BuschWein
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Re: Grosse Gewächse 2010 - live dabei

Beitrag von BuschWein »

Prinzipiell gebe ich Peter recht, solange es in einem Regionalverband kaum ein Einverständnis über eine Regionaltypizität gibt braucht man sich im Prinzip erst recht nicht über eine Lagentypizität unterhalten.

Ganz im Gegensatz zu Markus bin ich der Meinung, dass eine Beschränkung auf Riesling und Spätburgunder für ganz Deutschland falsch wäre, im Gegenteil ich finde jeder Verband sollte seinen eigenen Weg finden, eigentlich sind die Regionalverbände auch groß genug um auf dem Markt wahrgenommen zu werden.

Für den Zusammenhalt und -Schluß des VDP insgesamt könnte das aber schon gefährlich sein, wenn jeder Regionalverband seinen eigenen Weg geht.

Wahrscheinlich wäre auch eine Gebietsklassifikation sinnvoller gewesen als eine Lagenklassifikation, zumindest für das Gros der deutschen Anbaugebiete.

Jetzt aber noch einmal von vorn zu beginnen, wäre wohl auch nicht sinnvoll, immerhin hat man mit den GGs durchaus eine erfolgreiche Marke geschaffen.
Armin
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Wolfgang
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Re: Grosse Gewächse 2010 - live dabei

Beitrag von Wolfgang »

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