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Deutscher Chardonnay - Wo steht er denn nun?

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Georg R.

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Re: Deutscher Chardonnay - Wo steht er denn nun?

BeitragSo 26. Feb 2017, 15:17

Die Diskussion ist ja nun schon fast 5 Jahre alt...haben sich die Bedenkenträger mittlerweile mit dem "Fremdling" abgefunden oder bestehen immer noch Vorurteile?
Falls Letzteres, vielleicht sollte man ihn lediglich umbenennen in "Gelbburgunder" o.Ä.
(Man müsste sich dabei kurz mit dem Auxerrois abstimmen der mancherorts so bezeichnet wird)
...und das Thema wäre erledigt.

Manches könnte so einfach sein :roll:
Man kann die Erkenntnisse der Medizin auf eine knappe Formel bringen: Wasser, mäßig genossen, ist unschädlich.
Mark Twain
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OsCor

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Re: Deutscher Chardonnay - Wo steht er denn nun?

BeitragSo 6. Jan 2019, 09:47

Erstaunlich, dass da gar nichts mehr weiter kam in der Diskussion. Schließlich scheint mir zumindest in Baden der Chardonnay mehr als angekommen.
Und es scheint mir, als ob er sogar sehr in Mode gekommen wäre. Oder was könnte es sonst noch für Gründe geben, dass Chardonnay bei vielen Winzern bzw. WGs (stichprobenartig festgestellt) deutlich teurer ist als andere weiße Burgundersorten?

Gruß
Oswald
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UlliB

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Re: Deutscher Chardonnay - Wo steht er denn nun?

BeitragSo 6. Jan 2019, 10:35

OsCor hat geschrieben:Und es scheint mir, als ob er sogar sehr in Mode gekommen wäre. Oder was könnte es sonst noch für Gründe geben, dass Chardonnay bei vielen Winzern bzw. WGs (stichprobenartig festgestellt) deutlich teurer ist als andere weiße Burgundersorten?

Dafür könnte es jenseits von Mode tatsächlich einen Sachgrund geben. Anders als Weiß- und Grauburgunder wird Chardonnay in Deutschland ziemlich regelmäßig im Neuholz ausgebaut, zumindest die besseren Exemplare. In Abhängigkeit von den Gebindegröße, dem Neuholzanteil und dem Fasshersteller können da schon mal ein paar Euro Zusatzkosten pro Flasche anfallen.

Gruß
Ulli
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OsCor

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Re: Deutscher Chardonnay - Wo steht er denn nun?

BeitragSo 6. Jan 2019, 11:07

Da wäre für mich jetzt noch zu klären, wo „besser” anfängt.
An Chardonnay habe ich mich noch nicht so häufig versucht; aber immerhin war schon mal ein GG dabei (aus dem Markgräflerland) und die anderen waren trockene Spätlesen (ich meine vom Kaiserstuhl). Bei keinem habe ich Holz herausgeschmeckt; ich habe bisher gemeint, Neuholz schmecke man immer heraus.

Wenn Barrique dabei steht, gibt es immer einen deutlichen Preissprung, klar. Aber nicht selten ist auch ein Chardonnay Qualitätswein teurer als eine Spätlese des Grauburgunders.

Gruß
Oswald
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amateur des vins

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Re: Deutscher Chardonnay - Wo steht er denn nun?

BeitragSo 6. Jan 2019, 11:48

UlliB hat geschrieben:
OsCor hat geschrieben:Und es scheint mir, als ob er sogar sehr in Mode gekommen wäre. Oder was könnte es sonst noch für Gründe geben, dass Chardonnay bei vielen Winzern bzw. WGs (stichprobenartig festgestellt) deutlich teurer ist als andere weiße Burgundersorten?
Dafür könnte es jenseits von Mode tatsächlich einen Sachgrund geben. Anders als Weiß- und Grauburgunder wird Chardonnay in Deutschland ziemlich regelmäßig im Neuholz ausgebaut, zumindest die besseren Exemplare. In Abhängigkeit von den Gebindegröße, dem Neuholzanteil und dem Fasshersteller können da schon mal ein paar Euro Zusatzkosten pro Flasche anfallen.
Da habe ich auch dran gedacht. Aber wenn man das mal schnell abschätzt: Neues Barrique à 800 € macht gerade einmal 2,67 € pro Flasche. Und das ist die Obergrenze: Mehrfachbelegung und Weiterverkauf senken die Kosten pro Flasche erheblich. Das ist bei Basisweinen relevant (weshalb es da ja auch nicht gemacht wird), geht aber im Premiumsegment schnell im Rauschen unter.

Woran ich z.B. nicht gedacht hatte: Auch Verdunstung spielt eine Rolle. Dionysischer Angel's Share sozusagen. :mrgreen: Zudem dürften die Parzellen oft klein sein. Und geringere Erfahrung mit den Besonderheiten einer Rebsorte dürfte den Ausschuß erhöhen. Ich denke aber auch, daß Mode ein gewichtiger Grund ist.

Rein qualitätsbegründet sind die Preise jedenfalls nicht, wie ich gerade im Vergleich der '17er Rebholz WB Mandelberg und Chardonnay R feststellen durfte.

Hendrik Thoma hat auf seiner Homepage einen schönen Übersichtsartikel über die Entstehungskosten. Den kann man dann nochmal unter besonderer Berücksichtigung deutscher Chardonnays lesen. :ugeek:

Interessant finde ich, wie sich der Tenor geändert hat. Dieser Thread hier liest sich zu Beginn im Jahr 2012 überwiegend so: "braucht kein Mensch", "Nischenprodukt", "keine große Zukunft", ... Mengenmäßig mag das noch stimmen, und im Vergleich zu Riesling vermutlich auch langfristig. Aber die Aufmerksamkeit hat sich meiner Meinung nach schon deutlich vergrößert, und das nicht nur unter uns Freaks. Jetzt kommen sie sogar schon aus Schweden, um deutschen Chardonnay zu kaufen, den französischen links liegenlassend... :lol:
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amateur des vins

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Re: Deutscher Chardonnay - Wo steht er denn nun?

BeitragSo 6. Jan 2019, 11:54

OsCor hat geschrieben:ich habe bisher gemeint, Neuholz schmecke man immer heraus
Ich habe Neuholz sogar schon herausgeschmeckt, wenn garkeines darin war. :lol:
Für mich ist es Kennzeichen gekonnten Holzeinsatzes, wenn er einen nicht direkt anspringt. Ich bin nicht sicher, ob selbst Experten ihn immer herausschmecken.
Besten Gruß, Karsten
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UlliB

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Re: Deutscher Chardonnay - Wo steht er denn nun?

BeitragSo 6. Jan 2019, 12:20

An eine Mode glaube ich beim Chardonnay überhaupt nicht. Gäbe es eine, würde sich das sehr schnell in der Rebsortenstatistik auswirken - wie seinerzeit beim Dornfelder, bei dem die Anbauflächen in kurzer Zeit regelrecht explodiert sind. Chardonnay macht in Deutschland laut DWI aktuell 1,9% der Anbaufläche aus, Tendenz langsam steigend. Der Zuwachs in den letzten 15 Jahren macht noch nicht einmal einen Prozentpunkt aus.

Dazu noch folgende Geschichte: vor zwei Jahren habe ich aus bestimmtem Grund im lokalen Handel einen Neuwelt-Chardonnay gesucht (Australien oder Kalifornien), so etwas gab es früher überall in Massen zu kaufen. Nachdem ich drei Händler vor Ort erfolglos abgeklappert hatte - es gab da außer ein paar weißen Burgundern gar keinen Chardonnay, auch keinen deutschen, - habe ich einen etwas weiter entfernten größeren Händler angerufen und gefragt. Die Antwort: "Chardonnay? Ist tot. Das kauft kein Mensch mehr".

Insofern: das mit dem Nischenprodukt stimmt schon.

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Ulli
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amateur des vins

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Re: Deutscher Chardonnay - Wo steht er denn nun?

BeitragSo 6. Jan 2019, 13:13

UlliB hat geschrieben:An eine Mode glaube ich beim Chardonnay überhaupt nicht. Gäbe es eine, würde sich das sehr schnell in der Rebsortenstatistik auswirken
Ah, ich meinte das etwas anders. "Chardonnay" ist ein Begriff, den der Weinlaie im Gegensatz zu den meisten anderen Rebsorten zuordnen kann, und der daher wahlweise anstelle von "ein Glas (beliebigen) Weißwein" verwendet wird. Wenn es dann keinen deutschen gibt, wird eben irgendwelcher geordert. Verständlich, wenn deutsche Produzenten von diesem Markt etwas abhaben möchten. Dem entgegen stehen Tradition und Vorschriften (so lange ist Chardonnay ja noch nicht zugelassen). Daß Bestockung so schnell geändert würde, hätte ich nicht gedacht.

UlliB hat geschrieben:vor zwei Jahren ... Australien oder Kalifornien ... Händler ... "Chardonnay? Ist tot. Das kauft kein Mensch mehr".
Das überrascht mich. Die ABC-Bewegung hat ja erfolgreich dazu beigetragen, die Mode des Holzaufgusses mit Chardonnay-Aroma umzukehren. Und sich damit selber ziemlich überlebt. Vielleicht ist diese Ära noch in den Köpfen verankert? Eigentlich müßten dann die Preise für Chardonnay sinken. Das beobachte ich nicht.

Ich gebe gerne zu, daß ich das alles gefühlsmäßig und ohne Kenntnis von Zahlen schreibe. Und ziemlich sicher bin ich auch in meiner Filterblase gefangen (Faible für alte Reben usw.).
Besten Gruß, Karsten
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UlliB

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Re: Deutscher Chardonnay - Wo steht er denn nun?

BeitragSo 6. Jan 2019, 13:51

amateur des vins hat geschrieben: Daß Bestockung so schnell geändert würde, hätte ich nicht gedacht.

Doch, das kann rasend schnell gehen, wenn die Nachfrage da ist. Beim genannten Dornfelder ist die Rebfläche in Deutschland in den fünf Jahren zwischen 1995 und 2000 von rund 1800 Hektar auf 4200 Hektar angewachsen, um sich in den nächsten fünf Jahren bis 2005 nochmals auf über 8000 Hektar zu verdoppeln. Die Nachfrage treibt den Markt hier wie sonst auch. Chardonnay dümpelt bei vergleichsweise geringen 2000 Hektar dahin.
amateur des vins hat geschrieben:
UlliB hat geschrieben:vor zwei Jahren ... Australien oder Kalifornien ... Händler ... "Chardonnay? Ist tot. Das kauft kein Mensch mehr".
Das überrascht mich. Die ABC-Bewegung hat ja erfolgreich dazu beigetragen, die Mode des Holzaufgusses mit Chardonnay-Aroma umzukehren. Und sich damit selber ziemlich überlebt. Vielleicht ist diese Ära noch in den Köpfen verankert? Eigentlich müßten dann die Preise für Chardonnay sinken. Das beobachte ich nicht.

Die Reaktion ist nicht Preissenkung, sondern auch hier eine andere, nämlich die Reduktion der Anbaufläche. In den für Chardonnay eigentlich klassischen Neuweltländern hat mittlerweile der Sauvignon blanc den Chardonnay überholt. Und es gehört nicht viel Phantasie dazu, das auch für Deutschland zu prognostizieren: auch hier wird der Sauvignon in der Anbaufläche demnächst am Chardonnay vorbeiziehen. Denn Sauvignon ist, anders als Chardonnay, tatsächlich in Mode.

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Ulli
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Der Wein-Schwede

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Re: Deutscher Chardonnay - Wo steht er denn nun?

BeitragSo 6. Jan 2019, 14:19

UlliB hat geschrieben:
Dazu noch folgende Geschichte: vor zwei Jahren habe ich aus bestimmtem Grund im lokalen Handel einen Neuwelt-Chardonnay gesucht (Australien oder Kalifornien), so etwas gab es früher überall in Massen zu kaufen. Nachdem ich drei Händler vor Ort erfolglos abgeklappert hatte - es gab da außer ein paar weißen Burgundern gar keinen Chardonnay, auch keinen deutschen, - habe ich einen etwas weiter entfernten größeren Händler angerufen und gefragt. Die Antwort: "Chardonnay? Ist tot. Das kauft kein Mensch mehr".

Insofern: das mit dem Nischenprodukt stimmt schon.

Gruß
Ulli

Es wäre ja schön wenn es so wäre, aber die wirklichkeit sieht anders aus. Um die besten Chardonnays in Deutschland zu kaufen können muss man sich jetzt machmal richtig anstrengen. Z.B. der Huber Ch Bienenberg, vorletztes Jahr bei der Huber Jahrgangspräsentation für die 15:er konnte man den Wein verkosten aber nicht kaufen! :o :cry:
Habe danach bei einem Händler einige Flaschen reservieren können, nach ein paar Wochen war der Wein vom Markt weg! Probiert mal den Wein heute zu finden.
Letztes Jahr konnte man den 16:er als Stammkunde durch Vorreservierung beim Weingut Zuteilung bekommen, aber viele Besucher dort in November haben nicht die Möglichkeit gehabt den Wein zu kaufen.
Und bei einem anderen Weingut (ich schreibe nicht welches mehr) muss man jetzt entweder vorreservieren oder ziemlich schnell nach der Flaschenfüllung vorort sein und einkaufen. Bei einigen Händlern gibt es die Weine ein bisschen länger, aber die 16:er von diesem Weingut sind auch schon weg.

Wir reden natürlich nicht hier um die allgemeinen Alltagsweinen, sondern um die Geniesser des Burgunder Chardonnay-Ideals, welche eine kostenakzeptable Alternative suchen. Die letzten 20-25 Jahren sind die Côte d'Or Chardonnays mit ca. 500% gestiegen! :evil: Ich habe selbst z.B. Domaine Michel Niellon und Domaine Guy Amiot in Chassagne-Montrachet besucht und für Premier Crus mit bis zu 96 Parker Punkte, 80-90 FFR (12-15 Euro) bezahlt!

Die deutsche Top-Chardonnays haben eine solche Qualität jetzt bekommen dass die auch jährlich leider im Preis weiter steigen. Wir können nur hoffen dass noch Weinguter schaffen den Qualitätsspung zu machen, um den Markt mit den nachgefragten Produkten zu versorgen.
Für mich kann der Weissburgunder generell den Chardonnay nie ersetzen, der Chardonnay ist einfach eine noblere Rebsorte, genau wie Riesling.

Gruss
Rolf
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