BuschWein hat geschrieben:Und ich halte jetzt auch nichts davon, den Menschen vor zu schreiben, dass Ihnen doch aus Traditionsgründen und zum Schutze der Deutschen Weinkultur jetzt bitte auch restsüße Weine zu schmecken haben. Die Zeit der Geschmacksdiktate sind zum Glück vorbei.
Ich glaube, ein Geschmacksdiktat will keiner, weder in die eine noch in die andere Richtung. Es ist gleichwohl m.E. wichtig, auch in der Breite der Bevölkerung eine gewisse Offenheit für verschiedene Geschmäcker zu unterstützen und zu fördern, um einer Geschmacksuniformität vorzubeugen. Wie aus den Medien zu erfahren war, können z.B. in England (wahrscheinlich auch bei uns und in vielen anderen Ländern) zahlreiche Kinder den Geschmack von Gemüsesorten nicht mehr ansatzweise erkennen und wissen nicht wie eine Möhre oder eine Gurke schmeckt/schmecken soll. Man könnte jetzt sagen: "egal, dann sollen sie eben kein Gemüse mehr essen, bloß kein Geschmacksdiktat". Man kann aber auch Kampagnen an den Schulen organisieren, die Kindern verschiedene natürliche Geschmäcker nahebringen sollen, ohne die Kinder gleich zum Gemüseessen zu zwingen.
Das ist natürlich mit Riesling trocken/fruchtsüß nicht vergleichbar - nicht zuletzt geht es bei dem Gemüsebeispiel um die Gesundheit. Trotzdem würde es mich freuen, wenn - wie es Bernd auch anmerkt - einfach eine geistige Offenheit unter "fortgeschrittenen Weinliebhabern" gegenüber verschiedenen Rieslingstilen gefördert würde. Meinetwegen gerne durch harmlose Maßnahmen wie Hinweise auf die besondere Eignung als Speisenbegleiter zur südostasiatischen Küche. Was jemandem schmeckt und was nicht hat schließlich weniger mit einer angeborenen Veranlagung zu tun, sondern vielmehr mit Erziehung und geistiger Offenheit.
Wie gesagt geht es mir überhaupt nicht um ein "besser" oder "schlechter" des einen oder des anderen Stils und auch nicht um persönlich Vorlieben. Mir geht es um die Vielfalt und - ja soweit lehne ich mich aus dem Fenster - auch um Traditionen und die Erhaltung eines Aspekts der deutschen Weinkultur, für den Deutschland immerhin weltweit berühmt ist. Ich sehe diesen jetzt nicht unbedingt als gefährdet an. Ich glaube, Tendenzen im - wie harti es nennt - "High-End-Bereich" zu trockenen Rieslingen sind aber schon erkennbar.
Weiterhin wichtig finde ich aber auch, dass die Winzer durch einen einseitigen Kundengeschmack nicht zu Weinen gezwungen werden, die sie selber nicht für die in einem Jahrgang oder einer Lage gegebene Situation passend finden. Wir reden hier übrigens auch nur über Riesling und nicht über restsüßen Ruländer, Weißburgunder, Chardonnay oder Kerner. Das ist es auch, was unsere Freunde aus Amerika und Großbritannien immer betonen - es geht um diese eine Traubensorte und die verschiedenen Wege, aus ihr Harmonie herauszukitzeln.
Noch kurz zu den in D getrunkenen Mengen Süß- vs. fruchtig vs. halbtrocken vs. trocken Mengen: Aus der von harti freundlicherweise verlinkten Statistik könnte man sogar rauslesen, dass die Menge an lieblichem und süßem Wein nicht nur nicht abnimmt, sondern sogar zunimmt. Ich glaube, das hat in 2010 vs. 2009 jahrgangsbedingte Gründe. Wie harti jedenfalls richtig sagt, muss man unterscheiden zwischen den Weinen für den interessierten Weingenießer, der auch bereit ist, mehr als 5 Euro pro Flasche auszugeben, und den Weinen für den unkomplizierten Genuss aus dem LEH/Discounter. Natürlich kann man die Gesamtzahlen als Gegenargument dagegen anführen, dass mehr trocken getrunken wird, aber eben nur in Bezug auf die gerade zweitgenannte Gruppe.