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Clarendon Hills

BeitragVerfasst: Mo 20. Aug 2012, 23:45
von MQuentel
Astralis 1996 - 97 Punkte – Im Weinberg dieses großen Syrah gestanden zu haben, ist nicht Voraussetzung ihn trinken zu können, doch weitet es den Blick und man versteht, warum dieser Tropfen eine Qualität aufweist, die ihn in die Klasse der Top Ten Syrahs weltweit geführt hat. Der Astralis ist einer der wenigen single vineyard Weine in Australien; der Weinberg hat eine Steigung von 45 Grad und ist genau nach Osten ausgerichtet. Der nur 15 km entfernte Ozean bringt,  insbesondere am Abend, ein kühle Brise und damit eine für die Säurebildung positiv wirkende Tag-Nacht Absenkung in der Temperatur. Die Rebstöcke sind fast 100 Jahre alt (1920 gepflanzt) und die Erträge sind klein bis winzig. Die Oberfläche des Bodens ist ein mit Steinen / Kiesel durchzogener, grau-rötlicher Lehmborden, darunter befindet sich purer Eisenstein. Einst wurden die Reben erzogen, inzwischen stehen die Büsche frei  und werden nicht angebunden. Neben dem Gnadenberg-Weinberg (für den Hill of Grace von Henschke) war dies die einzige, nicht künstlich bewässerte Rebanlage in Australien, die ich gesehen habe.

2002 schrieb Robert Parker, dass dieser Wein noch 10 weitere Jahre der Lagerung bedarf, bevor er sein ganzes Potential ausspielt. Auf mich wirkte der Wein auch heute noch unglaublich jung. Ganz frisch im Glas zeigte er eine satte, saftige Frucht, die im ersten Moment etwas überreif wirkte. Doch der Eindruck verschwand schnell und der Wein zeigte seine wahre Statur. Ein perfekt trainierter Körper, bestens definierte Muskeln (=Tannine) -dazu viel Sex-Appeal. Noten von Eisen und Blut, dunklen Beeren, Cassis, etwas Schokolade, Veilchen, Nadelwald sowie einem Touch Menthol. Der Wein ist kraftvoll, klar und hervorragend balanciert, die Oberfläche ist seidig und elegant. Kurzum: großer Stoff, jetzt perfekt zu trinken, wird aber auch noch im nächsten Jahrzehnt richtig Freude machen und viel Genuss bereiten.

Re: Clarendon Hills

BeitragVerfasst: Mo 20. Aug 2012, 23:51
von MQuentel
2001 Syrah Piggott Range, Clarendon Hills – McLaren Vale
94 Punkte – Ja, ich bekenne, ich bin ein richtig grosser Fan von den Weinen von Roman Bratasiuk. Der Piggott Range Syrah steht in der hauseigenen Qualitätspyramide eine Stufe unter dem “Astralis” – dem besten Wein des Hauses, aber nach meinem Empfinden trennt sie nicht mehr als Flügelschlag.

Der Weinberg für den Pigott Range wurde 1965 angelegt, der Boden hat als Auflage eine Schicht von reichem, grau-roten Lehmboden, darunter befindet sich blanker Fels. Erstaunlicherweise animiert dies die Rebstöcke sich besonders anzustrengen und die Dinge in den Beeren massiv zu konzentrieren – die Weine aus dieser Lage sind besonders reich an Tannin, Farbe und Fruchtaroma. Was die webpage schon verrät, hat sich an diesem Abend voll bestätigt. Blutjung(!) nach 11 Jahren, sehr kraftvoll, reich und konzentriert, die Statur eines 10-Kämpfers. Der Wein hat eine intensiv dunkle und kühle Frucht von schwarzen Beerenfrüchten; Mund und Nase sind geprägt von  Kräutern im Allgemeinen und Thymian im Besonderen. Dazu gesellen sich Rauch und eine kühle, ausgeprägt mineralische Note. Die seidige, geschliffene Oberfläche veredelt diesen Weingiganten und so macht es auch schon heute Spaß, sich einen ersten Eindruck von diesem ”Jürgen Hingsen (für alle in meinem Alter)  oder Ashton Eaton (Olympia Gold 2012) des Syrah” zu verschaffen. Ansonsten kann ich mich nur der Empfehlung des Weingutes anschließen: “Recommented cellaring for a minimum of 15 years and enjoy for 50.”

Re: Clarendon Hills

BeitragVerfasst: Di 21. Aug 2012, 13:49
von Mr. Tinte
Mir läuft gerade das Wasser im Mund zusammen...

Re: Clarendon Hills

BeitragVerfasst: Di 28. Aug 2012, 12:48
von thvins
Hallo Michael,

na dann hoffe ich mal, dass meine 2. Flasche davon eines Tages doch eine Offenbarung sein wird, die erste getrunkene zeigte sich als brutal zu jung und empfand ihn schon groß, aber zu den 10 besten Weinen aus der Syrahtraube meines Lebens hätte ich ihn noch nicht zählen können... - und den nicht ganz billigen Preis konnte ich bei der ersten Flasche auch noch nicht nachvollziehen - die Hoffnung aber stirbt hier noch nicht.

Danke für deine Wasserstandsmeldung, die doch etwas Mut macht.

Re: Clarendon Hills

BeitragVerfasst: Di 28. Aug 2012, 14:50
von Jürgen
Der 1996er Astralis ist super - habe ihn schon mehrmals im Glas gehabt :D

Re: Clarendon Hills

BeitragVerfasst: Do 1. Dez 2022, 12:23
von thvins
Nun schlich ich schon längere Zeit um meine 2. Flasche vom 1996er Astralis herum und der Umstand, dass sich meine Lebenserwartung drastisch verkürzt hat, ist neben allgemeinen Krisen und dem drohenden Damoklesschwert eines Krieges ein Antrieb, auch die einst gekauften teureren Flaschen ihrer finalen Bestimmung zuzuführen.

Nun hatte ich gesundheitlich bedingt aber auch weniger Chancen, irgendwas aus dem Trinkregal zu ziehen, standen ja auch die umfangreichen wie auch viel Spaß versprechenden großen 15 years after und 10 years after Proben an. Und eigentlich warten noch haufenweise neue Musterflaschen darauf, getrunken zu werden...

Die kleine zeitliche Lücke vor dem Beginn des Medizinflaschentrinkens der 73 2012er Prioratos nutzte ich dann aber doch zum Entkorken einiger spannender Nicht-Prioratos - auch für den Astralis...

Was soll ich sagen, es ist immer noch ein sehr schöner Wein, aber eben doch nicht das ganz große Erlebnis (vielleicht bin ich durch die Spitzenprioratweine schon zu versaut? ). Der Wein ist bestens zu trinken, inzwischen sehr glattgeschliffen, elegant und harmonisch, aber es kommt bei mir kein Gänsehautfeeling auf.

Meckern auf hohem Niveau. Immerhin war das ein Wein, für den ich zum Zeitpunkt des Erwerbs viel Geld gezahlt habe (hatte ihn seinerzeit subskribiert) - neben einigen 1995er und 1996er 1er Grand Cru Classé´s aus dem Bordelais, an die ich mich nicht ran getraut habe bislang, war das wohl der einzige dreistellig kostende Wein seinerzeit - noch zu DM - Zeiten, aber auch heute dürfte ein Astralis wohl nicht zweistellig kosten...

Wenn ich sehe, dass die ganz teuren Priorat-Weine der 2012er wie auch der 2007er Probe ausnahmslos geliefert haben und somit ihr teures Geld wert waren, dann kommen mir beim Astralis doch Zweifel, ob da nicht der Hype größer war als die Einlösung des Versprechens... Ohne zu wissen, was im Glas war, hätte ich nicht groß gemeckert und gesagt, wir haben hier einen Großen Wein, den ich so bei 96/100 verorten würde. Aber da ich wußte, was es war, hätte ich mir eigentlich einen nahezu perfekten Wein gewünscht. So war es eine Enttäuschung auf qualitativ hohem Niveau.

Positiv empfand ich die Eleganz und Klarheit der Syrah, die mich eher an Weine von der nördlichen Rhône erinnerten, mit Shiraz - Vorurteilen (breit, fett und marmeladig) hatte der Wein überhaupt nichts zu tun, aber diese Vorurteile widerlegten auch schon andere gute Aussie-Shiraz...

Re: Clarendon Hills

BeitragVerfasst: Fr 2. Dez 2022, 07:18
von austria_traveller
thvins hat geschrieben:und der Umstand, dass sich meine Lebenserwartung drastisch verkürzt hat

Das klingt ja fürchterlich....um Gottes Willen.
Was hast du ?

Re: Clarendon Hills

BeitragVerfasst: Fr 2. Dez 2022, 12:49
von thvins
Ich hatte im Sommer eine heftige OP, man hat mir einen bösartigen Tumor in der Bauchspeicheldrüse weg gemacht, zum Glück wurde der noch rechtzeitig gefunden, ehe er streute. Und in der Charité fühlte ich mich gut aufgehoben. Man erzählte mir, ich gehöre mit Glück zu den 20%, die noch eine Lebenserwartung von etwa 5 Jahren haben könnten. Irgendwann wird es wieder kommen, früher oder später. Aber dank der Charité habe ich den Willen entwickelt, noch eine kurze entsprechend gute Zeit zu leben. Und ich habe mich gefühlsmäßig sowohl gegen Chemo entschieden - wegen der krassen zu erwartenden Nebenwirkungen, unter denen meist dann doch Lebensqualität flöten geht und auch gegen eine Reha (erneute Klinikbedingungen und schlechtes ungesundes Klinikessen und Therapien, die ich nicht wirklich brauche) - statt dessen habe ich mir eine Woche Böhmen und zwei Wochen Frankreich gegönnt, noch nicht wieder super sportlich, aber immerhin aktiver Urlaub mit schönen Erlebnissen und Genuss. So lang das noch geht, will ich das nun auch noch so haben. Aber du gehst viel bewusster an die Zeit, die man dir noch schenkt (oder die du dir selbst noch schenkst). Und der Wille ist da, nächstes Jahr doch wieder in meine richtig hohen Berge zu kommen und noch Klettersteige zu gehen, vielleicht nicht mehr die Superschweren, aber ich bin ja dann inzwischen auch 60... Und ich habe mich noch einmal so richtig verliebt, auch das ist ein Willensquell, noch weiter zu machen wie bisher. Oder besser...

Also keine Angst, noch bekommst du (und jeder andere, der will) bei mir weiter Olivenöle und auch Weine, ich habe jemanden, der zum Schluss die Abwicklung macht, wenn es vorbei gehen sollte. Es soll niemand einen Verlust erleiden, wenn ich sterben sollte. Jeder, der gezahlt hat, bekommt noch seine Ware, jeder Winzer und der Olivenbauer sein Geld für die Waren... Das habe ich so geklärt bekommen.

Aber ich werde auch her meine Strategie künftig ändern müssen, die Palette mit den neuen Weinen von Ficaria Vins, die ich schon im April bestellt hatte (wo es aber wegen des Flaschenmangels zu Verzögerungen kam bezüglich der Abfüllung) wird wohl die Letzte ihrer Art sein. Künftig werde ich mehr auf das Thema Vorabreservierungen setzen und mir nicht mehr größere Weinmengen auf Lager legen. Und ich werde ohne Not versuchen, den noch hohen Warenbestand zu verkleinern, damit die Restmenge, die nach mir dann wahrscheinlich verscherbelt werden muss, nicht zu groß ist. Ob das so aufgeht, weiß ich natürlich noch nicht - aber eigentlich würde ich ungern jetzt schon das Geschäft gänzlich aufgeben. Und von irgendwas muss ich ja auch noch leben... Von daher freue ich mich natürlich jetzt umso mehr über jeden, der trotz Krisen, Krieg und Inflation noch weiter das Eine oder Andere bei mir kauft und der auch mit dem neuen System der Vorabreservierungen leben kann.

Re: Clarendon Hills

BeitragVerfasst: Fr 2. Dez 2022, 13:03
von austria_traveller
Servus Torsten,
Vielleicht kommt es aber ganz anders und du wirst mit und nicht an dem Tumor sterben.
In einem annehmbaren Alter.
Wünsche Dir auf jeden Fall nur das Allerbeste und genieße die Zeit in vollen Zügen

Re: Clarendon Hills

BeitragVerfasst: Fr 2. Dez 2022, 15:01
von thvins
austria_traveller hat geschrieben:Servus Torsten,
Vielleicht kommt es aber ganz anders und du wirst mit und nicht an dem Tumor sterben.
In einem annehmbaren Alter.
Wünsche Dir auf jeden Fall nur das Allerbeste und genieße die Zeit in vollen Zügen


Danke Gerhard! Ich wäre natürlich offen, auch noch länger zu leben - solange dieses Leben auch eine annehmbare Lebensqualität hat natürlich. Aber das wissen wir alle nicht. Auf jeden Fall hätte ich mir im Frühjahr so eine Prognose nicht vorstellen können, da war man sorgloser und unbedarfter. Jetzt muss ich meinen Weg finden, damit zu leben und es zu nehmen, wie es auch immer kommen mag.

Auf jeden Fall hat es die Einstellung zum Leben und vor allem auch zum Materiellen geändert. Letzterem hing ich noch nie groß nach, aber jetzt ist mir der gelebte Tag noch wichtiger. Die Dinge, die man tun kann und will, sollte man nicht mehr immer weiter auf später verschieben: "Irgendwann ist meistens nie!"