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Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

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Gaston

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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

BeitragDo 5. Mär 2020, 23:00

EThC hat geschrieben:Es war aber mal so, daß EL und GL mindestens Spätleseequivalent sein müssen; das hieße dann, daß ohne Ausnahmegenehmigung nicht chaptalisiert werden darf. Es standen da früher auch Mindest-Oechsles in den Regeln (ich glaube 85. Oder 90?).


Nun ja, ein GG soll laut Vorgabe vom Mostgewicht her mindestens einer Spätlese entsprechen, das stimmt schon, es ist meines Wissens jedoch nicht gesagt, wie dies erreicht werden darf... Also ich bin mir sehr sicher, dass die Chaptalisierung von GGs legal ist. Ob dies auch so praktiziert wird, kann ich natürlich nicht sagen, mir wurde das jedenfalls von Leuten "aus der Szene" unter vorgehaltener Hand bestätigt.

Denn klar scheint ja zu sein, dass eine Aufzuckerung dem Sinn und dem Anspruch eines GG widerspricht und in den Augen der meisten auch etwas ehrenrühriges hat. Deshalb glaube ich kaum, dass es VDP-Winzer geben wird, die diese Praxis zugeben würden. Allerdings gehe ich gleichzeitig davon aus, dass Chaptalisierung angesichts des Klimawandels immer weniger ein Thema ist.
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Gaston
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Ollie

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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

BeitragFr 6. Mär 2020, 01:45

Ein GG ist keine glorifizierte "Auslese trocken", sondern (gewollt!) ein grundsätzlich anderer Weinstil. Ein GG-Most muss mindestens SL-Qualität haben, und dann darf er angereichert werden. Das widerspricht sich nicht, sondern heisst lediglich, das manche GGs keine Prädikatsweine sind. Aber sie können es sein (v.a. Rieslinge).

Die Regelung wurde v.a. für Rotweine geschaffen, wo es sich anbietet, den Alkoholverlust während der (warmen) Gärung auszugleichen, gleichzeitig aber genau keine hochreifen Auslesen zu machen, deren Säurestruktur nicht optimal ist für den angestrebten Weinstil (Barriqueausbau auf den Hefen mit BSA). In abgeschwächter Form gilt das auch für Weißweine aus Burgundersorten.

Der Klimawandel ist insofern ein Problem, als die Weinbergsarbeit in den besten Lagen bei den gewollt niedrigen Erträgen nun auf Säureerhaltung und Reifeverzögerung ausgelegt sein muss. Wenn man es richtig macht (Keller z.B.), kann man durchaus noch Ende Oktober erstaunlich moderate Mostgewichte einholen, die dann chaptalisiert werden (müssen). Man kann diesen Weinstil doof finden, aber wieso das ehrenrührig (Wortwahl, Leute...) sein soll, erschliesst sich mir nicht...

Cheers,
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EThC

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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

BeitragFr 6. Mär 2020, 12:17

Ollie hat geschrieben:aber wieso das ehrenrührig (Wortwahl, Leute...) sein soll

...zumindest für mich ist das Aufzuckern / Aufsäuern nicht ehrenrührig (zumindest solange es mit natürlichen oder meinetwegen auch noch naturidentischen Stoffen geschieht), letztlich zählt, was dabei herauskommt. Ich hätt's nur gerne gewußt. Deswegen wär's schön, wenn man das in den VDP-Statuten auch mal klar nachlesen könnte. Was da so an die Öffentlichkeit gegeben wird, ist ja nur ein Excerpt dessen, was intern für die Winzer -on top zu EU-Richtlinien und WeinG- verbindlich ist, wenn sie einen Wein als VDP-Wein vermarkten wollen.
"Ehrenrührig" sind dann eher solche Maßnahmen, die z.B. im weitesten Sinne in Richtung "Designer-Food" bzw. "-Drink" gehen und nicht deklariert werden, insbesondere der ganze Chemismus, der da mittlerweile im Spiel sein kann und bei vielen auch sein wird. Auf dem Shampoo-Etikett muß die ganze Litanei an Inhaltsstoffen aufgedruckt sein, beim Wein gerade mal Alk und Schwefel... :?
Aber das ist jetzt wieder eine andere Diskussion...
Viele Grüße
Erich

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Gaston

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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

BeitragFr 6. Mär 2020, 15:27

Ollie hat geschrieben:Ein GG ist keine glorifizierte "Auslese trocken", sondern (gewollt!) ein grundsätzlich anderer Weinstil. Ein GG-Most muss mindestens SL-Qualität haben, und dann darf er angereichert werden. Das widerspricht sich nicht, sondern heisst lediglich, das manche GGs keine Prädikatsweine sind. Aber sie können es sein (v.a. Rieslinge).

Die Regelung wurde v.a. für Rotweine geschaffen, wo es sich anbietet, den Alkoholverlust während der (warmen) Gärung auszugleichen, gleichzeitig aber genau keine hochreifen Auslesen zu machen, deren Säurestruktur nicht optimal ist für den angestrebten Weinstil (Barriqueausbau auf den Hefen mit BSA). In abgeschwächter Form gilt das auch für Weißweine aus Burgundersorten.

Der Klimawandel ist insofern ein Problem, als die Weinbergsarbeit in den besten Lagen bei den gewollt niedrigen Erträgen nun auf Säureerhaltung und Reifeverzögerung ausgelegt sein muss. Wenn man es richtig macht (Keller z.B.), kann man durchaus noch Ende Oktober erstaunlich moderate Mostgewichte einholen, die dann chaptalisiert werden (müssen). Man kann diesen Weinstil doof finden, aber wieso das ehrenrührig (Wortwahl, Leute...) sein soll, erschliesst sich mir nicht...

Hallo Ollie,
danke für die Erläuterung. Meine Überlegungen waren auf Riesling bezogen. Ist das da auch allgemeiner Konsens, dass bei einem Riesling-GG Chaptalisierung eine notwendige Maßnahme sein kann / muss? Wie gesagt hatte ich bei manchen Gesprächen den Eindruck, dass Chaptalisierung bei einem Riesling-GG zumindest nicht wünschenswert ist. Ist aber alles schon länger her, und ich kann das auch missverstanden haben.

GG sollen ja die Spitze der trockenen deutschen (von VDP-Winzern vinifizierten) Weine darstellen. Was kennzeichnet deiner Meinung nach diesen – wie du schreibst – grundsätzlich anderen Weinstil aus? Der VDP spricht bei GGs von "Eigenständigkeit", "expressivem Lagencharakter" oder "Reifepotenzial". Aber sind das Stilmerkmale?

P.S. Das Wort "ehrenrührig" ziehe ich zurück.
Beste Grüße
Gaston
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EThC

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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

BeitragFr 6. Mär 2020, 21:43

Gaston hat geschrieben:Ist das da auch allgemeiner Konsens, dass bei einem Riesling-GG Chaptalisierung eine notwendige Maßnahme sein kann / muss?

Als Säure(struktur)-Fanatiker würde ich das für mich persönlich klar negieren...
Viele Grüße
Erich

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Ollie

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Re: Neue Lagenklassifikation im VDP ?!

BeitragFr 6. Mär 2020, 23:05

Gaston,

ich würde schon sagen, daß man einen Riesling nicht chaptalisieren muss, und sogar soweit gehen zu behaupten, daß es die GGs, die wir hier trinken, auch nicht sind. Eher sind sie aufgesäuert, damit sie nicht zu flach ausfallen, wenn bzw. falls zu viel Weinsäure ausgefallen ist bzw. ausfallen könnte.

Wie schon angedeutet, ist dieser grundsätzlich andere Weinstil am besten an den Rotweinen zu sehen: stark verändertes Tanninmanagement und Farbextraktion (Maischestandzeit bis zu 35 Tagen, wie in Burgund), stark verlängertes Lager im neuen Barrique und auf der Vollhefe und mit BSA. Eine solche Weinbereitung erfordert ein neuartiges Ausgangsmaterial und also eine neue Weinbergswirtschaft: (teilweise sehr) stark reduzierte Erträge, hohe innere Dichte, phenolische Reife mit aromatischer Komplexität (Lese so spät wie möglich, also neuartige Botrytisprophylaxe usw.), optimiertem Farbextraktionspotential und dem Erhalt der Säurestruktur. Lieber mit 92°Oe ausgereift gelesen und angereichert, um den Alkoholverlust bei Gärung von bis zu 1.5 Vol% (offene Gärbottiche bei bis zu 35°C Maischetemperatur) aufzufangen.

Die althergebrachten deutschen Verhältnisse waren andere: hochgradige Auslese, trocken ausgebaut (14.5% ggf. mit Zuckerrest - Goldkapsel!), kurze Maischestandzeit (typischerweise 7 Tage), wenig Tannin ("roter Wein"), sehr oft ohne BSA, um die Säure nicht zu gering werden zu lassen, einige wenige Monate Lager im grossen (neutralen) Holzfass ohne Vollhefe. Der Qualitätsanspruch wird über das Prädikat erhoben. Die GG-Statuten waren also auch der gewollte Bruch mit der simplen Rechnung "Viel Oechsle, viel Qualität".

Daß wir uns nicht falsch verstehen: Es gab (und gibt immer noch) ganz viele, ganz hervorragende Spätburgunder, die klassisch-deutsch zubereitet wurde und die sehr viel Eigenständigkeit aufweisen, denn natürlich ist Qualität in nullter Näherung vom Stil unabhängig, zumal sich Stile permanent entwickeln: Bei Riesling-GGs z.B. ändert sich der Stil öfter, als ich meine Unterhose wechsle, und schneller, als das Kind in Bangladesh an meiner neuen Unterhose näht. Aber in erster Näherung gibt es halt gewisse Weinstile, die für eine Rebsorter besser funktionieren als andere, im Sinne von: breitere Akzeptanz beim Konsumenten erlangen. Und beim Spätburgunder war das Weinideal damals (und ist es heute immer noch) der Pinot Noir in seiner Burgundischen Ausprägung, was eben eine gewisse Vinifikation bedingt.

Für die weißen Burgundersorten gilt das in ähnlicher Form: Die vollreife Ruländer-Auslese ist (leider vollständig) einem drahtigeren Grauburgunder gewichen, Pinot Blanc wird wie Chardonnay vinifiziert und der wie in Burgund. Wobei zumindest mein Eindruck ist, daß die stilistsche Vielfalt des Chardonnays aus Burgund, die ich persönlich als weiter gefasst empfinde als beim Pinot Noir, auf ein sehr simples Modell heruntergecochet wird. Und bei Silvaner weiß ich ehrlich gesagt nicht, wieso er jemals zum GG erhoben wurde, aber wenigstens hat er stilistische Narrenfreiheit, und so ist der deutsche Wein auch mal der weltbeste in irgendwas.

Cheers,
Ollie
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