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Selbstständigkeit im Weinbau

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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Leo94

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Selbstständigkeit im Weinbau

BeitragDo 27. Aug 2020, 15:27

Guten Tag Forum,

bitte entschuldigt, falls ich das Thema im falschen Bereich eröffne, ich bin neu hier :)

Also, ich habe aktuell folgende Situation :
Durch meine Familie habe ich die Möglichkeit, mich mit dem Anbau von Wein selbständig zu machen.
Das bedeutet, ich würde das Geschäft meines Schwiegervaters (3 Hektar) weiterführen und hätte zusätzlich die Möglichkeit, weitere 3 Hektar zu pachten.
Für den Moment wären das insgesamt also 6 Hektar in der Pfalz.
Durch meinen Schwiegervater habe ich außerdem jemanden an der Hand der mir bei Fragen etc helfen kann.

Meine Frage ist jetzt, ob ich mich damit vernünftig selbstständig machen kann.
Sind 6 Hektar zu wenig / viel für eine Person ?
Ich habe durch die Familie diverse Helfer an der Hand, Geräte usw. sind soweit alle vorhanden.
Die Ernte wurde bisher durch gemietete Erntemaschinen durchgeführt.

Das mir keiner genaue Zahlen nennen kann ist mir klar, mir geht es lediglich darum zu erfahren ob ich das "alleine" mit etwas Unterstützung der Familie schaffe und ob der Ertrag ausreicht um davon gut leben zu können.
Ich hoffe die Profis hier können mir weiter helfen :)


Gruß,
Leo
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weingeist

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Re: Selbstständigkeit im Weinbau

BeitragDo 27. Aug 2020, 19:35

Ich kann da jetzt nur für Österreich sprechen:

1951 bewirtschafteten 91% der Betriebe eine Weingartenfläche von ca. 1 Hektar.
1960 bewirtschafteten 85% der Betriebe eine Weingartenfläche von ca. 1 Hektar.
1988 bewirtschafteten 67% der Betriebe eine Weingartenfläche von ca. 1 Hektar, jedoch schon ca. 5% der Betriebe mehr als 5 Hektar.
1999 wurden dann bereits ca. 70% der Betriebe als Haupterwerbsbetrieb geführt
Bis 2007 reduzierte sich die Zahl der Betriebe auf ca. 17.000, wobei die klare Mehrheit mehr als 5 Hektar Rebfläche bewirtschaftete.

Sind halt alles Zahlenspielereien aus dem "Weinbuch Österreich", wobei ich im Kopf habe, dass früher (wie ich mich mit Wein zu beschäftigen begann, also Mitte der 1990-ger Jahre) Betriebsgrößen von ca. 0,5 bis 1,5 Hektar die Regel waren (wobei da doch oftmals ein gemischter Betrieb, also Landwirtschaft und Weinbau vorlag). Angeblich konnte man aber auch nur vom Weinverkauf schon über die Runden kommen.

Über die heutigen Betriebsgrößen hüllen wir lieber den Mantel des Schweigens, die finde teilweise sogar ich beachtlich. Da wird aber vieles dann schon maschinell und mit Fremdarbeitskräften erledigt.

Ein Winzer meinte einmal in einem Gespräch (wenn ich mich recht entsinne), 5 Hektar sind im Familienverband noch zu schaffen, für alles darüber wird's eng.

Leben solltest Du von 6 Hektar also schon können, die Bewirtschaftung wird wohl ebenfalls ein gewichtiges Argument darstellen. Und natürlich Dein Lebensstil... ;) Anregungen könntest Du Dir ja von Leo Hillinger holen, der tritt nicht nur in irgendwelchen Shows auf, der vermarktete sogar seinen Schlüsselbeinbruch ;) (sorry mr. hillinger, hat sicher weh getan, solltest Du womöglich gar mitlesen), wobei seine Weine aber auch nicht zu verachten sind.
Liebe Grüße
weingeist
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Mosel-Micha

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Re: Selbstständigkeit im Weinbau

BeitragDo 27. Aug 2020, 20:24

Hallo Leo94,

die mit entscheidende Frage aus meiner Sicht ist ja unter anderem der Vermarktungsweg. Sofern Du Dir den Kundenstamm in puncto Selbstvermarktung erst aufbauen musst, kann das ein langer Weg werden. Bei all dem, zum Glück mittlerweile positiven Hype um deutschen Wein, darf man halt nicht vergessen das Kunden nicht einfach so vom Himmel fallen.

Sofern die Weine bisher auf dem Fassweinmarkt verkauft werden :cry: :o

Größe alleine ist nicht immer der Garant für mehr Gewinn.

BG
Micha
Viele Grüße
Michael
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EThC

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Re: Selbstständigkeit im Weinbau

BeitragDo 27. Aug 2020, 21:27

...so als reinem Endverbraucher scheint es mir, als ob es bei den "Einsteigern" ins Winzerleben zwei grundsätzlich unterschiedliche Typen gibt: die, die eine Vision von Ihrem Wein haben und die, die das eigene Auskommen obenan stellen.
Klar, jemand, der von von seinem Tun nicht leben kann, wird's nicht lange tun, aber die Gewichtung macht's dann letztlich m.E. schon aus, ob da am Ende ein Getränk 'rauskommt, das ich auch trinken mag.
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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Blaufränkisch

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Re: Selbstständigkeit im Weinbau

BeitragSa 29. Aug 2020, 06:12

Hallo Leo,

wie Micha bereits geschrieben hat hängt deine Frage im wesentlichen an der Vermarktung. Wenn du es schaffst, zumindest mittelfristig 6 Hektar in der Flasche zu einem guten Preis zu verkaufen kannst du sicher davon leben. Wenn du Genossenschaftsmitglied oder Fassweinproduzent bist, ziemlich sicher nicht.

Die Vermarktung in der Flasche ist aber natürlich auch eine Herausforderung, insbesondere für Quereinsteiger und noch mehr, wenn es keinen bestehenden Kundenstamm gibt, auf dem man aufbauen kann. Mit maschinell geernteten sauberen Alltagsweinen wirst du eher nur über die Direktvermarktung Chancen haben und dafür brauchst du viel Zeit und Gelegenheiten um an die Endkonsumenten heranzukommen. Weinfeste, Gutsausschank, Weintourismus etc. In Zeiten von weniger Stammkundenloyalität, wechselhafterem Konsumverhalten, etc. sicher eine Herausforderung.

Wenn du stattdessen über den Handel (Vinotheken, Export, Gastro,...) vermarkten willst - was auch nicht einfacher ist, nur ganz anders - dann musst du (noch) mehr Zeit in den Aufbau deines Namens als Marke investieren. Dazu wirst du wahrscheinlich ein höheres Qualitäts- und Ausstattungslevel der Flaschen brauchen, Medienarbeit, etc. Als Quereinsteiger kann man das auch lernen, aber eine solide Ausbildung hilft in der Regel, um Weine im mittleren und oberen Qualitätsniveau zu produzieren.

Alles in allem ist es also möglich, aber sicher nicht einfach. Weiterzuarbeiten wie dein Schwiegervater wird nicht ausreichen, insbesondere in Zeiten von sinkendem Weinkonsum, Preisdruck und steigendem Vermarktungsaufwand. Falls du dich trotzdem dafür entscheidest wünsche ich - unter Kollegen sozusagen - viel Glück!

Grüße aus Österreich

Bernhard
Hier gibts mehr von mir zu lesen: www.bernhard-fiedler.at
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Rieke Riesling

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Re: Selbstständigkeit im Weinbau

BeitragSo 30. Aug 2020, 20:13

Hallo Leo,
die Frage ist nicht 2,4,6 oder 60 ha. Sondern wie meine Vorschreiber schon geschrieben haben, wie willst du vermarkten? Ohne Kundenstamm sind 6 ha in der Pfalz schwer. Das Problem ist nicht Wein zu produzieren, sondern den richtigen Wein für seine potenzielle Kundschaft zu machen und zu verkaufen. Ich habe 3 ha und komm gut klar.
Grüße Matthias
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thvins

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Re: Selbstständigkeit im Weinbau

BeitragMo 12. Okt 2020, 12:16

Rieke Riesling hat geschrieben:Hallo Leo,
die Frage ist nicht 2,4,6 oder 60 ha. Sondern wie meine Vorschreiber schon geschrieben haben, wie willst du vermarkten? Ohne Kundenstamm sind 6 ha in der Pfalz schwer. Das Problem ist nicht Wein zu produzieren, sondern den richtigen Wein für seine potenzielle Kundschaft zu machen und zu verkaufen. Ich habe 3 ha und komm gut klar.
Grüße Matthias



Lieber Matthias,

Du hast aber auch alles richtig gemacht. Neben dem außergewöhnlichen Mix aus speziellen Lagen und Mikroklima bei einem Exotenbonus hinsichtlich der Lage deiner Weinberge hast du von Beginn an konsequent auf Qualität gesetzt und lieferst diese konstant. Nur der Exotenbonus hätte dich nicht dahin gebracht, wo du heute stehst...

In der Pfalz mit seiner riesigen Konkurrenz an Weinbergen und Winzern dürfte es ungleich schwerer werden. Zumal dort der preisliche Druck ein ganz anderer ist. Auch wenn die Qualität stimmt, wirst du in der Pfalz nicht von vornherein auskömmliche Preise verlangen können, sondern erst, wenn die Kundschaft auch bereit ist, diese zu zahlen. Während du mit deinen Weinen im internationalen Maßstab gesehen, Preis"wert" bist und inzwischen auch mehr und mehr sogar internationale Anerkennung für deine Weine genießen kannst, muss ein Neuling in einem "Massenweinbaugebiet" es erst mal dahin schaffen. Der Weg geht nur mit der richtigen Philosophie und einem langem Atem. Ein Schuss "verrückte Vision" ist dabei auch nicht verkehrt. Ohne diese wird es kaum gehen.
Beste Grüße

Torsten

http://www.torsten-hammer-priorat-guide.com
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