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Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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Bernd Schulz

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragMi 27. Nov 2019, 01:20

Georg R. hat geschrieben:Um die Ehre des Korkens ein klein wenig wieder herzustellen, folgender Link:

https://www.ingenieur.de/technik/forsch ... ammt-fass/

Ich denke, da ist schon was dran.

Gruss
Georg


Ich denke, da ist wenig bis nichts dran. Und ich denke das abermals aus den schon weiter oben dargelegten empirischen (auf meinen und nicht nur meinen langjährigen Erfahrungen) beruhenden Gründen. Um nicht mich selber, sondern Ulli zu zitieren:

UlliB hat geschrieben:Persönlich bin ich bislang nur in einem einzigen Fall mit Wein in Kontakt gekommen, der "korkverseucht" wirkt, aber bei dem die Ursache hierfür nicht der Korken ist. Das ist Chateau Ducru Beaucaillou (St. Julien 2eGCC), wo Ende der 80er gleich mehrere Jahrgänge durch ein im Keller verwendetes Holzschutzmittel kontaminiert wurden - hier wurde ein Brom-Analogon von TCA freigesetzt. Das Problem wurde schlussendlich dadurch gelöst, dass man mit enormem Aufwand im Keller das gesamte Holztragwerk herausgerissen und ersetzt hat. Einen ähnlichen Fall hat es wohl etwa zeitgleich in Kalifornien gegeben, ich meine bei Beaulieu - aber begegnet bin ich diesem Wein noch nie.

Ansonsten geht es mir wie Bernd: ich habe mittlerweile Hunderte Weine aus Flaschen mit alternativen Verschlüssen probiert. Da war natürlich nicht alles toll, und ein paar Flaschen waren auch fehlerhaft, aber einen Korkschmecker oder auch nur etwas, was daran erinnert, hatte ich da noch nie. Ich würde ebenfalls vermuten, dass die TCA-Problematik tatsächlich zu fast 100% durch fehlerhafte Korken verursacht wird.


Wenn an dem Artikel etwas dran wäre, wenn also nicht die kontaminierte Baumrinde, sondern "das Fass" oder sonst irgendein Faktor für den TCA-Muff in diversen Weinen verantwortlich wäre, müssten weitaus mehr alternativ verschlossene Flaschen einen "korkig" schmeckenden Inhalt beherbergen. In der Praxis tritt TCA-Muff bei Weinen unter Schraubern aber (so gut wie) überhaupt nicht auf. Insofern vermute ich zunächst, dass der verlinkte Artikel auf das Konto der Naturkork-Lobby geht.

Herzliche Grüße

Bernd
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olifant

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragMi 27. Nov 2019, 09:20

stollinger hat geschrieben:Passend zum Thema. Eben im Restaurant leichten, schleichenden Kork gehabt. Ich war mir recht sicher, aber weil der Wein selbst für mich noch trinkbar war habe ich nichts gesagt. Als die zweite Flasche des selben Weins kam war es eindeutig. Mir wär das extrem peinlich gewesen, im Restaurant das Stereotyp von "der Wein korkt" zu bedienen; besonders als Eingeladener.


Kann ich zwar verstehen, evtl. ein "so ein Klugscheisser-Seitenblick" der Gastgebenden ... m.M. aber trotzdem erforderlich, besonders, falls es sich um ein Resto mit Eigenanspruch handelt. Solche Dinge sind mir nicht mehr peinlich.
Geht das Personal nicht drauf ein, sollte man am Etablissement zweifeln ...
Grüsse

Ralf

Die Zukunft war früher auch besser.
Karl Valentin
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UlliB

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragMi 27. Nov 2019, 12:02

Bernd Schulz hat geschrieben:Wenn an dem Artikel etwas dran wäre, wenn also nicht die kontaminierte Baumrinde, sondern "das Fass" oder sonst irgendein Faktor für den TCA-Muff in diversen Weinen verantwortlich wäre, müssten weitaus mehr alternativ verschlossene Flaschen einen "korkig" schmeckenden Inhalt beherbergen. In der Praxis tritt TCA-Muff bei Weinen unter Schraubern aber (so gut wie) überhaupt nicht auf. Insofern vermute ich zunächst, dass der verlinkte Artikel auf das Konto der Naturkork-Lobby geht.

Des weiteren: ist ein Fass mit TCA oder analogen Verbindungen kontaminiert (oder gleich der ganze Keller), ist der gesamte Inhalt des Gebindes oder sogar des gesamten Kellers kontaminiert, d.h. das Problem betrifft nicht nur wie beim "echten" Kork einzelne Flaschen, sondern sehr viele (oder sogar alle) eines Erzeugers. So etwas kann bei einer auch nur halbwegs funktionierenden Qualitätssicherung eigentlich nicht durchrutschen.

Und wenn es dem Erzeuger doch mal nicht auffallen sollte oder er die kontamierten Weine gar wissentlich seinen Abnehmern unterschieben möchte, merken die das. Da hagelt es dann massiv Beschwerden (heute dank Internet das auch gleich öffentlich), oder der Kunde nimmt die Ware gar nicht erst ab. In Zeiten, in denen selbst Discounterweine reintönig geworden sind, achten die Kellereien wesentlich penibler als früher auf das, was sie einkaufen. Und die permanente Weiterentwicklung analytischer Verfahren erlaubt heute (mittels Headspace-GC/MS) den Nachweis einer TCA- oder TCA-artigen Kontamination incl. deren Quantifizierung durch entsprechend ausgestattete Labore innerhalb weniger Minuten.

Es mag sein, dass es früher solche Probleme schon mal gegeben hat - siehe die beiden von mir erwähnten Beispiele, aber die stammen aus den 80ern. Wenn heute etwas nach Kork schmeckt, würde ich wetten: Ursache ist auch der Korken. Alles andere ist Legende.

Gruß
Ulli
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niers_runner

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragMi 27. Nov 2019, 12:26

aber ist es nicht auch so, dass beim Naturkork eigentlich dann auch die ganze Charge betroffen sein müßte und nicht nur ein einzelner Korken?

Beste Grüße

Peter
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Gerald

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragMi 27. Nov 2019, 12:32

Hallo Peter,

aber ist es nicht auch so, dass beim Naturkork eigentlich dann auch die ganze Charge betroffen sein müßte und nicht nur ein einzelner Korken?


nicht unbedingt, das TCA bildet sich ja erst durch mikrobielle Umwandlung der Vorläufersubstanzen, die durch Chlorbehandlung entstanden sind. Und Mikroorganismen sind - wie Menschen ;) - unberechenbar, sie wachsen oft nur an einzelnen Stellen. Denk an einen Schimmelfleck an einer feuchten Wand, der überzieht die Wand ja auch nicht gleichmäßig.

Grüße
Gerald
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amateur des vins

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragMi 27. Nov 2019, 12:43

UlliB hat geschrieben:Headspace-GC/MS
GC = Gaschromatographie
MS = Massenspektrometrie
(vermute ich mal)

Headspace = Gasvolumen zwischen Wein und Verschluß?

UlliB hat geschrieben:durch entsprechend ausgestattete Labore
Was kost' sowas denn heutzutage? Gibt's das schon narrensicher für den Hausgebrauch? D.h. könnte ein Winzer, der genügend Geld in die Hand nimmt, die Flaschen vor "Inverkehrbringung" prüfen? Inwiefern das praktikabel ist, ist eine andere Sache - schließlich brauchen die Biester ja Zeit, ihre Arbeit zu verrichten.
Besten Gruß, Karsten
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UlliB

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragMi 27. Nov 2019, 12:49

niers_runner hat geschrieben:aber ist es nicht auch so, dass beim Naturkork eigentlich dann auch die ganze Charge betroffen sein müßte und nicht nur ein einzelner Korken?

Es hat in der Vergangenheit auch schon mal Fälle gegeben, wo ganze Korkchargen kontaminiert waren und komplette Jahrgänge einzelner Winzer versaut haben (z.B. bei Loch/Schoden, der hat danach auf Stainlesscap umgestellt). Das waren aber nur einzelne Fälle, die dann meistens vor Gericht gegangen sind oder außergerichtlich durch den Hersteller finanziell geregelt wurden. Ich denke, dass das heute nicht mehr vorkommt - auch die Korkbranche hat dazugelernt.

Der "klassische" Korkschmecker betrifft aus den von Gerald genannten Gründen immer nur Einzelflaschen,was sich leicht verifizieren lässt, wenn man eine Konterflasche zur Verfügung hat. Die ist so gut wie immer "sauber".

Gruß
Ulli
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Gerald

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragMi 27. Nov 2019, 12:57

Hallo Karsten:

ja, GC = Gaschromatographie, MS = Massenspektroskopie. In Kombination eine sehr leistungsfähige Analysenanordnung, die GC trennt die Substanzen auf, die MS identifiziert sie dann. "Headspace" ist nur die Art der Probeneinbringung in die GC.

Eine GC/MS kostet so ganz grob um die 100.000 Euro, es gibt aber natürlich auch günstigere Gebrauchtgeräte. Trotzdem für einen Winzer wohl keine übliche Investition (ganz abgesehen davon, dass so etwas nicht so einfach wie ein Refraktometer zu bedienen ist...).

Grüße
Gerald
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UlliB

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragMi 27. Nov 2019, 13:07

amateur des vins hat geschrieben:
UlliB hat geschrieben:Headspace-GC/MS
GC = Gaschromatographie
MS = Massenspektrometrie
(vermute ich mal)

Richtig.
Headspace = Gasvolumen zwischen Wein und Verschluß?

Headspace heißt zunächst nur "Kopfraum". Der Unterschied zur klassischen GC ist hier, dass nicht eine flüssige (im Regelfall durch Extraktion gewonnene) Probe in den Chromatographen injiziert wird, sondern direkt der Gasraum oberhalb des unveränderten Probenmaterials untersucht wird. Das spart zum einen den Aufwand für Extraktion und Aufarbeitung, zum anderen unterbindet es Veränderungen, Verzerrungen und Verfälschungen eben durch diesen Extraktions- und Aufarbeitungsprozess. Das Aufkommen der Headspace-GC bedeutete insbesondere für die Aromenindustrie einen ganz fundamentalen Durchbruch.
Was kost' sowas denn heutzutage? Gibt's das schon narrensicher für den Hausgebrauch? D.h. könnte ein Winzer, der genügend Geld in die Hand nimmt, die Flaschen vor "Inverkehrbringung" prüfen? Inwiefern das praktikabel ist, ist eine andere Sache - schließlich brauchen die Biester ja Zeit, ihre Arbeit zu verrichten.

Die Gerätepreise, die ich aus meiner beruflichen Tätiglkeit kenne, sind mittlerweile auch schon wieder ein paar Jahre alt. Und da lagen die immer noch sehr satt im fünfstelligen Bereich. Also nicht gerade etwas für den Hausgebrauch, und auch nicht für den kleinen Winzerbetrieb, zumal man erst einmal lernen muss, mit so einer Mühle umzugehen, und das dauert...

Was eine Analyse kostet, hängt sehr stark davon ab, ob das Labor diese Untersuchung routinemäßig durchführt, dann zahlt man letztlich neben dem Arbeitslohn nur die Verbrauchsmaterialien und die Geräteabschreibung - ich würde vermuten, für einen knapp dreistelligen Betrag kann man das bekommen. Wenn die Methode erst entwickelt und eingerichtet werden muss, dürfte es wesentlich teurer werden.

@ Gerald - Kreuzpost...

Gruß
Ulli
Zuletzt geändert von UlliB am Mi 27. Nov 2019, 14:16, insgesamt 1-mal geändert.
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Bernd Schulz

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Re: Kork: Immer ein ungenießbarer Wein?

BeitragMi 27. Nov 2019, 13:53

UlliB hat geschrieben:Es hat in der Vergangenheit auch schon mal Fälle gegeben, wo ganze Korkchargen kontaminiert waren und komplette Jahrgänge einzelner Winzer versaut haben (z.B. bei Loch/Schoden, der hat danach auf Stainlesscap umgestellt).


Ja, ich war damals Kunde bei Herrenberg und erinnere mich noch gut daran. Die Lochs hätten wohl kaum die Verschlussart (mit Erfolg!) gewechselt, wenn die Überschrift "Korkgeschmack stammt vom Fass" in dem von Georg verlinkten Artikel zutreffend wäre. In diesem Fall hätten sich sich neue Fässer gekauft. :twisted:

Für mich liegt auf der Hand, dass es sich bei der besagten Überschrift um Mumpitz handelt.

Herzliche Grüße

Bernd
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