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Weinflaschen werden knapp

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UlliB

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Re: Weinflaschen werden knapp

BeitragMi 20. Mär 2019, 20:04

Weinflaschen werden anders als Mineralwasser-, Saft- und Bierflaschen als Identifikationsmerkmal und Marketinginstrument angesehen. Ob das nun tatsächlich funktioniert und einen relevanten Effekt hat, weiß ich nicht, und mir sind auch keine Untersuchungen dazu bekannt. Ganz bestimmt sind wir Weinfreaks in dieser Hinsicht aber weder die Zielgruppe noch irgendwie sonst relevant.

Tatsache ist aber, dass das Herz vieler Produzenten häufig an "ihrer" spezifischen und tradierten Flaschenform hängt; siehe die Geschichte mit den Bocksbeuteln bei den Trockenen Schmitts. Und das ist keineswegs ein rein deutsches Phänomen: ein Winzer im Burgund würde wohl niemals auf die Idee kommen, seinen Wein freiwillig in eine Bordeauxflasche zu füllen. Vermutlich wissen die Erzeuger auch ganz gut, was die Mehrheit ihrer Kunden möchte und was nicht.

Das bedeutet, dass es eine freiwillige Standardisierung mit Beschränkung auf ein paar wenige Flaschentypen, wie es sie für die Hauptmenge von Mineralwasser, Limonaden, Fruchtsäften und Bier in Deutschland gibt, beim Wein nicht geben wird. Hier müsste der Staat Zwang ausüben, entweder direkt und unmittelbar (über Ge- und Verbote), oder indirekt über Steuern, die nichts anderes wären als eine Strafgebühr für Nicht-Standard-Formate. Solche steuernden Maßnahmen sind durchaus vorstellbar, aber nur dann legitim und vermittelbar, und in letzter Konsequenz (auch wenn Erich das nicht gerne hören wird) auch nur dann gerichtsfest, wenn damit ein übergeordneter gesellschaftlicher oder ordnungspolitischer Zweck verfolgt wird.

Das könnte durchaus ein robuster ökologischer Effekt sein, z.B. eine Verbesserung der CO²-Bilanz gegenüber dem bestehenden System. Dazu müsste aber erst einmal eine vergleichende Ökobilanz zwischen dem bestehenden System des Altglasrecyclings und einem Pfandsystem erstellt werden, und das ist ein durchaus kompliziertes Unterfangen, das nur von Profis geleistet werden kann. Solche Ökobilanzen haben schon in der Vergangenheit häufiger überraschende und kontraintuitive Resultate erbracht, und ich wäre auch in diesem Fall überhaupt nicht sicher, dass die Sache pro Recycling ausgehen würde. Die Annahme, dass es so sein muss, weil es bei Mineralwasser und Bier auch so ist, ist jedenfalls irrig: bei Wein sind die Vertriebsstrukturen anders, die Vertriebswege (Versandhandel !) sind zum Teil völlig andere, die Volumina sind insgesamt und pro Lieferung kleiner, die Erzeugerlanschaft ist zersplitterter, die Verweilzeit der Ware beim Kunden ist länger und damit der turnover im System geringer - all das sind Faktoren, die sich in der einen oder anderen Richtung auswirken werden. Ich würde jedenfalls nicht wetten wollen, wie die Sache ausgehen würde, wenn man sie denn anginge.

Aber es wird nicht dazu kommen, denn das widerspräche jeglicher politischer Ökonomie. Zu holen ist an Zustimmung mit diesem Thema sehr wenig, dazu ist es viel zu nebensächlich, aber dafür kann man sich damit jede Menge lautstarken Ärger einhandeln: mit Winzern und Weinbauverbänden, mit verärgerten Konsumenten, mit der Glasindustrie, mit der EU... und so lässt man es dann gleich bleiben. Kann man bedauerlich finden, ist aber systemimmanent.

Aber nett, hier mal drüber geredet zu haben :mrgreen:

Gruß
Ulli
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Re: Weinflaschen werden knapp

BeitragMi 20. Mär 2019, 21:04

UlliB hat geschrieben:und in letzter Konsequenz (auch wenn Erich das nicht gerne hören wird) auch nur dann gerichtsfest, wenn damit ein übergeordneter gesellschaftlicher oder ordnungspolitischer Zweck verfolgt wird.

...im Gegenteil, da bin ich durchaus d'accord! Aber Gesetze, Verordnungen etc. unterliegen ja in aller Regel nicht einem Ewigkeitsgrundsatz wie z.B. Teile des Grundgesetzes...
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
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was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

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Bernd Schulz

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Re: Weinflaschen werden knapp

BeitragMi 20. Mär 2019, 21:39

UlliB hat geschrieben:Das bedeutet, dass es eine freiwillige Standardisierung mit Beschränkung auf ein paar wenige Flaschentypen, wie es sie für die Hauptmenge von Mineralwasser, Limonaden, Fruchtsäften und Bier in Deutschland gibt, beim Wein nicht geben wird.


Kurzer Zwischenruf: Auch beim Bier gibt es eine weit größere Zahl von unterschiedlichen Flaschenformen, als man zunächst einmal meinen möchte. Schon im rein deutschen Rahmen stößt man auf eine fast unüberschaubare Zahl von Typen, kleiner, größer, grün, braun, mit Bügelverschluss, schlank, bauchig, bitburgig, bockbierig, IPAmäßig etc. usf. - und wenn man dann mal nach Belgien hinüberschaut, ist die Vielfalt noch einmal deutlich verwirrrender. Aber auch für die mannigfaltigen belgischen Flaschentypen gilt ebenso, dass es sich so gut wie immer um Pfandflaschen handelt! Irgendwie funktioniert das Rückgabesystem hier offenkundig. Insofern frage ich mich schon, warum das beim Wein völlig anders läuft :?: . Mit etwas gutem Willen (und vielleicht dem Mut, eine etwas geringere Diversifizierung durch gewisse Anreize seitens der Gesetzgebung zu fördern - etwa durch eine kleine Sondersteuer auf ausgesprochen exotische Flaschentypen :mrgreen: ) müsste sich schon ein Kreislaufsytem diverser Weinflaschen einrichten lassen...

Herzliche Grüße

Bernd

P.S.: Das mit der Sondersteuer war jetzt nicht so bierernst gemeint.....
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