volldau hat geschrieben:in wie weit stimmt denn der Zusammenhang mit dem "biologischen Säureabbau" tatsächlich ?
Ein solcher Zusammenhang ist denkbar. Dazu muss ich aber ein wenig ausholen.
Biogene Amine, zu denen das Histamin gehört, entstehen durch
Decarboxylierung von Aminosäuren - einer chemischen Reaktion, bei der ein Kohlenstoffatom und zwei damit verbundene Sauerstoffatome abgespalten werden. Im Fall von Wein (und anderen Lebensmitteln) handelt es sich um eine
enzymatische Decarboxylierung, d.h. die Reaktion wird durch Enzyme katalysiert, den
Decarboxylasen, und diese entstammen diversen Mikroorganismen.
Aminosäuren kommen als Bausteine von Eiweißen in jedem Lebewesen vor, sie gelangen aus den Trauben zum Teil in den Most. Eine weitere Aminosäurequelle ist die Hefe, die sich bei der Gärung rapide vermehrt. Eine der beiden Grundvoraussetzungen zur Bildung biogener Amine, die Anwesenheit von Aminosäuren, ist also in gewissem Umfang unvermeidlich gegeben, kann aber im Ausmaß reduziert werden - durch scharfe Mostvorklärung, die zu einer Reduzierung von Eiweiß im Most führt, und bezüglich der Hefe durch eine schnelle Abtrennung der Hefe vom Jungwein nach beendeter Gärung.
Die zweite Voraussetzung ist die Anwesenheit von Mikroorganismen mit einer bestimmten Ausstattung an Decarboxylasen. Je heterogener die Mikrobiologie bei der Vinifikation ist, desto größer ist das Risiko, dass sich darunter auch Mikroorganismen mit Decarboxylasen befinden, die bestimmte "kritische" Aminosäuren als Substat haben, nämlich Histidin (--> Histamin) und Tyrosin (--> Tyramin). Hohe Hygienestandards und die Verwendung einer definierten Hefepopulation, vulgo Reinzuchthefe, sowie schnelle Gärung vermindern das Risiko der Bildung biogener Amine.
Aus dem Gesagten ergeben sich die von Michael bereits genannten kellertechnischen Maßnahmen:
- scharfe Mostvorklärung zur Reduzierung des Eiweißgehalts;
- schnelle Vergärung mit RZH;
- Abtrennung der Hefe vom Jungwein unmittelbar nach Ende der Gärung;
- kein Holz im Keller, was unter Hygieneaspekten immer heikel ist und die Quelle problematischer Mikroflora sein kann - Edelstahl lässt sich ggf. sterilisieren.
Das sind nun alles keine Maßnahmen, die Weine liefern, die von den Freaks hier im Forum bevorzugt werden
- aber zu niedrigen Histamingehalten sollten sie schon führen.
Was nun den BSA betrifft: tja, der beruht
per se auf einer Decarboxylierung, nämlich der Decarboxylierung von Äpfelsäure zu Milchsäure. Auch hier kann man wie bei RZH den Prozess mit einer definierten (Reinzucht-)Kultur von Mikroorganismen mit hoher Substratspezifität einleiten, heute nimmt man dazu meistens Kulturen von
Oenococcus oeni. Wie bei der Diskussion Sponti vs. RZH gibt es auch beim BSA eine Fraktion, die den "natürlichen" Anlauf des BSA mittel kellereigener Mikroflora präferiert. Zum BSA sind aber sehr viele verschiedene Mikroorganismen befähigt, neben
Oenococcus u.a. auch Arten von
Pediococcus und
Lactobacillus . Die sind aber hinsichtlich ihrer Decarboxylase-Ausstattung nicht immer völlig substratspezifisch für Äpfelsäure und decarboxylieren nebenbei vielleicht auch die eine oder andere Aminosäure - eh voilà.
Allerdings muss man ja nicht unbedingt einen BSA machen
Gruß
Ulli