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Histamin und Wein

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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Oberpfälzer

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Re: Histamin und Wein

BeitragMo 20. Jan 2014, 19:08

Hallo Martin,

man könnte evtl. ein nettes, kurzes Schreiben formulieren und mal gezielt in die Winzerlandschaft versenden. Viele Winzer haben ja heute eine homepage mit Kontaktformular bzw. Email-Adresse. Vielleicht erhältst Du auch darüber Tips nach dem Motto "Ich kenne jemanden, der kennt jemanden, der ....". Das ware ein zusätzlicher Multiplikator für Dein Anliegen. Bin gespannt, was rauskommt.

Ich treffe am kommenden Samstag einen staatlichen Weinprüfer und werde ihn mal ansprechen, ob er zum Thema was weiss.
Servus
Wolfgang
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winefreak1

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Re: Histamin und Wein

BeitragMo 20. Jan 2014, 19:16

Ja, absolut tolle Idee. Ich möchte auf diesem Weg gerne etwas revolutionieren und bitte einfach um etwas Unterstützumg. Bin ja nicht der einzige mit diesem Leiden. Und für den Winzer wäre es denk ich eine interessante Schiene ...
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UlliB

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Re: Histamin und Wein

BeitragMo 20. Jan 2014, 20:58

volldau hat geschrieben:in wie weit stimmt denn der Zusammenhang mit dem "biologischen Säureabbau" tatsächlich ?


Ein solcher Zusammenhang ist denkbar. Dazu muss ich aber ein wenig ausholen.

Biogene Amine, zu denen das Histamin gehört, entstehen durch Decarboxylierung von Aminosäuren - einer chemischen Reaktion, bei der ein Kohlenstoffatom und zwei damit verbundene Sauerstoffatome abgespalten werden. Im Fall von Wein (und anderen Lebensmitteln) handelt es sich um eine enzymatische Decarboxylierung, d.h. die Reaktion wird durch Enzyme katalysiert, den Decarboxylasen, und diese entstammen diversen Mikroorganismen.

Aminosäuren kommen als Bausteine von Eiweißen in jedem Lebewesen vor, sie gelangen aus den Trauben zum Teil in den Most. Eine weitere Aminosäurequelle ist die Hefe, die sich bei der Gärung rapide vermehrt. Eine der beiden Grundvoraussetzungen zur Bildung biogener Amine, die Anwesenheit von Aminosäuren, ist also in gewissem Umfang unvermeidlich gegeben, kann aber im Ausmaß reduziert werden - durch scharfe Mostvorklärung, die zu einer Reduzierung von Eiweiß im Most führt, und bezüglich der Hefe durch eine schnelle Abtrennung der Hefe vom Jungwein nach beendeter Gärung.

Die zweite Voraussetzung ist die Anwesenheit von Mikroorganismen mit einer bestimmten Ausstattung an Decarboxylasen. Je heterogener die Mikrobiologie bei der Vinifikation ist, desto größer ist das Risiko, dass sich darunter auch Mikroorganismen mit Decarboxylasen befinden, die bestimmte "kritische" Aminosäuren als Substat haben, nämlich Histidin (--> Histamin) und Tyrosin (--> Tyramin). Hohe Hygienestandards und die Verwendung einer definierten Hefepopulation, vulgo Reinzuchthefe, sowie schnelle Gärung vermindern das Risiko der Bildung biogener Amine.

Aus dem Gesagten ergeben sich die von Michael bereits genannten kellertechnischen Maßnahmen:
- scharfe Mostvorklärung zur Reduzierung des Eiweißgehalts;
- schnelle Vergärung mit RZH;
- Abtrennung der Hefe vom Jungwein unmittelbar nach Ende der Gärung;
- kein Holz im Keller, was unter Hygieneaspekten immer heikel ist und die Quelle problematischer Mikroflora sein kann - Edelstahl lässt sich ggf. sterilisieren.

Das sind nun alles keine Maßnahmen, die Weine liefern, die von den Freaks hier im Forum bevorzugt werden ;) - aber zu niedrigen Histamingehalten sollten sie schon führen.

Was nun den BSA betrifft: tja, der beruht per se auf einer Decarboxylierung, nämlich der Decarboxylierung von Äpfelsäure zu Milchsäure. Auch hier kann man wie bei RZH den Prozess mit einer definierten (Reinzucht-)Kultur von Mikroorganismen mit hoher Substratspezifität einleiten, heute nimmt man dazu meistens Kulturen von Oenococcus oeni. Wie bei der Diskussion Sponti vs. RZH gibt es auch beim BSA eine Fraktion, die den "natürlichen" Anlauf des BSA mittel kellereigener Mikroflora präferiert. Zum BSA sind aber sehr viele verschiedene Mikroorganismen befähigt, neben Oenococcus u.a. auch Arten von Pediococcus und Lactobacillus . Die sind aber hinsichtlich ihrer Decarboxylase-Ausstattung nicht immer völlig substratspezifisch für Äpfelsäure und decarboxylieren nebenbei vielleicht auch die eine oder andere Aminosäure - eh voilà.

Allerdings muss man ja nicht unbedingt einen BSA machen 8-)

Gruß
Ulli
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winefreak1

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Re: Histamin und Wein

BeitragMo 20. Jan 2014, 21:53

Ja wie íst es dann beim Rotwein? Lange Maischestehzeit fórdert sicher biogene Amine?
Dann wúrd ich sagen, Maische kurz erhitzen wegen Farbe, sofort Pressen, stark Entschleimen u Gärung mit best. Reinzuchthef sofort einleiten?
Liege ich da richtig?
Was hat denn so ein Durchschschnittwein der den BSA durchlaufen hat an Histamin?
Gibt es da eigentlich eine gesetzl. Regelung wie viel ein Wein an Eiweis haben darf?
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volldau

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Re: Histamin und Wein

BeitragMo 20. Jan 2014, 22:54

Hallo Michael und UlliB,

danke Euch für das mehr oder weniger "etwas" ausholen. Das deckt sich alles so ziemlich mit dem was ich mir mit rudimentärer Schulbildung und Internetrecherche, gepaart mit Ärztemeinung zusammengereimt habe.
Erschwerend hinzu kommt wohl, soweit ich das denn auch richtig verstanden habe, daß das Histamin eben nur e i n biogenes Amin ist, das bei den genannten Prozessen entsteht oder entstehen kann. Allergische Reaktionen und/oder Unverträglichkeiten können die anderen Amine, unabhängig von BSA oder nicht, aber ebenso auslösen und letzten Endes kann bei Herzstolperer, Unruhezustände und Herzrasen auch ganz schnöde der Alkohol (z.B. Vorhofflimmern) Schuld haben.
Ich habe ca.2007 bis 2008 ein Jahr lang mitgeschrieben, nach welchen Weinen ich entsprechende Symptome hatte und es war zu 80% (ca.50 Flaschen) nach Weissweinen und da dann auffallend viele von sehr kalkigen Böden (z.B. Weiler Schlipf, Cote d´Or), also sprach und spricht das alles nicht unbedingt für die typischen Merkmale einer Histamin-Intoleranz.
Meine Devise, je Glas Wein ein Glas Wasser, bringt mir, abgesehen von Abstinenz, weitestgehend Beschwerdefreiheit.

Diese "Selbstbeobachtungen" entbehren natürlich jeglicher wissenschaftlicher Basis aber vielleicht hilft es Dir Martin, ja bei ähnlichen Selbstversuchen.

Einen Guten Abend wünscht,
Volker
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MichaelWagner

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Re: Histamin und Wein

BeitragMo 20. Jan 2014, 23:47

Hallo Weinfreak,

nichts für ungut, aber die vorgeschlagenen Maßnahmen führen zwar zu einem niedrigeren Histamingehalt, die Durchführung bzw. das Ergebnis treiben einem Winzer jedoch nicht gerade Freudentränen in die Augen...und da sind wir Winzer dann einfach ein wenig zu selbstverliebt 8-)

Gruß!

Michael
wenns läuft, dann läufts. Aber bis es läuft, dauerts...
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UlliB

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Re: Histamin und Wein

BeitragDi 21. Jan 2014, 08:01

winefreak1 hat geschrieben:Ja wie íst es dann beim Rotwein? Lange Maischestehzeit fórdert sicher biogene Amine?
Dann wúrd ich sagen, Maische kurz erhitzen wegen Farbe, sofort Pressen, stark Entschleimen u Gärung mit best. Reinzuchthef sofort einleiten?
Liege ich da richtig?


Ja, da liegst Du richtig. Das ist allerdings eine Kombination von Verfahren, die bei hochwertigen Weinen praktisch nie zum Einsatz kommt, wie Michael bereits gesagt hat.

Was hat denn so ein Durchschschnittwein der den BSA durchlaufen hat an Histamin?


Keine Ahnung. Wirklich systematische Datenerhebungen, aus denen ein einigermaßen repräsentativer Durchschnittswert abgeleitet werden könnte, kenne ich nicht.

Gibt es da eigentlich eine gesetzl. Regelung wie viel ein Wein an Eiweis haben darf?


Meines Wissens nach nein, und es gäbe auch keinen Grund dafür, da Eiweiß an sich unbedenklich ist. Ich gehe allerdings davon aus, dass der Gehalt im fertigen Wein sehr niedrig sein wird, weil es sonst zu Eiweißtrübungen kommen könnte - und die wären dann tatsächlich ein Weinfehler.

Gruß
Ulli
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VillaGemma

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Re: Histamin und Wein

BeitragDi 21. Jan 2014, 12:42

winefreak1 hat geschrieben:ich bin überzeugt wenn sich Winzer auf histaminfreien Wein als Teilihrer Produktpalette spezialisieren würden, dass es mit Sicherheit sehr absatzfördernd wirken würde. Dene es gibt genug Menschen die auf Genuss nicht verzichten wollen.


Hallo,

meine 2 Cents zum Thema, da ich mich damit leider auch ein wenig auseinandersetzen muss.

1. Histaminfreier Wein dürfte so gut wie gar nicht zu finden sein, eher histaminarm. Da gibt es ein paar Winzer, die sowas herstellen. Wie solcher Wein schmeckt, weiß ich nicht.
2. Denn das Grundproblem ist die Reifung. Wie schon berichtet bildet sich im Rahmen der Reifung von Lebensmitteln Histamin (ganz extrem bei verdorbenen Fisch...und dort auch "gut zu beobachten", wie der Körper mit soviel Histamin umgeht...). Vor allem bedeutendere Weine (Bordeaux als Beispiel) müssen reifen und produzieren dabei Histamin.
3. Im Buch "Täglich Wein" geht der Autor auch kurz auf das Thema ein. Denn Alkohol, wenn ich es noch korrekt im Kopf habe, bremst zudem den Abbau von Histamin.
4. Wenn man HIT diagnostiziert bekommt, sollte man mMn keine gereiften Weine mehr trinken. Man wird auch sehr schnell leichte oder sehr schwere Symptome feststellen: Kopfschmerzen sind dabei die harmloseste Variante. Aber auch Salami, Parmesan, Roquefort Käse, gereifter Käse jedlicher Art, Sekt, Champagner sind dann tabu. Weil auch dort sehr viel Histamin drin zu finden ist. (eine Liste ist einfach zu finden im Internet, wenn man entsprechend sucht).
5. Zu Heuschnupfen/Allergie-Zeit schüttet der Körper sehr viel Histamin aus, daher ist die Toleranzgrenze dann auch niedriger.

"Tipps":

- Bentonit bekommt man als Kapseln, die man zum Wein einnehmen kann. Hilft ein wenig, da es Histamin bindet. Vitamnin B6 unterstützt zudem den Abbau von Histamin im Körper (kann man googeln)
- Nur sehr junge (Weiß-)Weine trinken, keine gereiften.
- Keine gereiften Lebensmittel mit zum Wein geniessen ( z.B. schöner gereifter Bröckelkäse)
- Generell wenig Alkohol trinken bzw. wenn die Symptome immer noch da sind: Keinen Wein mehr trinken. So ärgerlich das auch sein mag.

Wenn man keine HIT besitzt, so ist die Menge Histamin im Wein ziemlich unkritisch, denn man wird feststellen, dass in besagten Käse (vor allem Blauschimmel) viel viel mehr Histamin drin ist, als im Wein. Sprich der Mensch kann damit in Maßen umgehen, so produziert er ja selbst diesen Botenstoff (im Fall von Allergien leider zuviel davon).

VG,
Robert
"wine is sunlight held together by water" (Galileo Galilei)

Auch eine Enttäuschung, wenn sie nur gründlich und endgültig ist, bedeutet einen Schritt vorwärts. (Max Planck)
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Moulis

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Re: Histamin und Wein

BeitragDi 21. Jan 2014, 13:39

Hallo.

Google liefert doch einiges.
Z.B.
http://www.weingut-weiss.at/histaminfreier-wein.html
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winefreak1

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Re: Histamin und Wein

BeitragDi 21. Jan 2014, 17:44

Genau das ist jener Winzer von dem ich gesprochen habe. Er bringt tatsächlich einen HIT-Restwert unter 0,1mg/L zusammen! Möchte hier keine Werbung machen, daher habe ich Ihn namentlich auch nicht erwähnt. Ich habe vom genannten ein Probierpaket bestellt, und kann nur sagen dass ich keinerlei Nebenwirkungen hatte. Und er hat mir sehr gut geschmeckt. Und das ist entscheidend, für mehr interessiert sich der Konsument nicht.
Also es ist möglich und es funktioniert.
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