Charlie hat geschrieben:das ist eine "lateinische" Weinsozialisierung. Kein Wunder, dass Riesling da nicht reinpasst. Paradigmenwechsel sind anstrengend, zugegeben.
Na, ich halte mich durchaus fuer "lateinisch" (oder vielleicht eher: "romanisch") weinsozialisiert. Aber: Das bedeutet nicht einfach "Wein nur zum Essen" (in der Absolutheit uebrigens auch in romanischen Laendern falsch), sondern, und das ist vielleicht der Haken, "
trockenen Wein zum Essen". Da haben es naturgemaess viele deutsche Weissweine (speziell: die GGs) schwer.
Dass Riesling aromatisch nicht passen wuerde, kann ich zwar nicht bestaetigen, bleibt letztlich aber natuerlich Geschmackssache. An der Sozialisation selbst kann es aber nicht liegen, dass Riesling unter die Raeder kommt. Es gibt in Frankreich durchaus sehr aromatische (speziell: fruchtige) Rebsorten fuer "gastronomische", trockene Weine: Sauvignon Blanc, die Mansengs, Riesling, Muscat, Muscadelle, und viele eher neutrale Sorten (Chardonnay, Pinot Blanc, Chenin Blanc) koennen - auch in Frankreich - durchaus charmante Fruchtboembchen ergeben, ohne dass sie deshalb zu Tische unbrauchbar wuerden (und ohne dass man zu kellertschnischen Knifffen greifen muesste). Ich denke, in Spanien und Italien gibt es ebenfalls eine Reihe recht aromaintensiver, weisser Sorten, die allesamt sehr brauchbare Tischweine ergeben.
Dass Riesling wegen seiner angeblich so hohen Saeure nicht passen wuerde, ist auch unhaltbar, wenn man mal von dem duennen Brett runterkommt, deutschen Riesling mit Burgundern zu vergleichen (das ist so doof, aus so vielen Gruenden). Dann stellt man naemlich fest, dass die anderen Weine hoechstens ein Gramm weniger Sauere haben (nicht jeder Franzose geht durch die malolaktische "Gaerung"), und wenn man noch mit einbezieht, dass es sich manchmal um H2SO4-Aequivalente handelt, werden die Differenzen noch geringer.
Ein echt-trockener, deutscher Riesling ist also perfekt imstande, alle oben genannten Weine sehr erfolgreich und ohne Abstriche zu ersetzen.
Folgt:
1) die Preise fuer Top-GGs aus D sind im internationalen Vergleich ("gleiche Punktezahl") immer noch guenstig.
2) Der GG-Markt ist faktisch ein rein-nationaler (inkl. aller Exzesse, die sich daraus ergeben, vgl. Tellerrand).
3) Zu wenige GG-Konsumenten setzen Wein gastronomisch ein - deutsche Weintrinkkultur eben. Es ist also voellig unerheblich, ob sie ihr Geld fuer Sancerre ausgeben oder fuer Morstein, denn da scheint keine direkte Konkurrenzsituation zu bestehen. Stattdessen:
4) GGs leiden ganz massiv unter der extrem hohen Qualitaet von Weinen, die nur die Haelfte kosten, und werden von diesen kannibalisiert (und nicht vom Sancerre). Probleme ruehren also
genau nicht daher, dass Deutsche achso geizig waeren, sondern davon, das Adam Smith immer noch recht hat. Klimek, nochmal nachdenken.
3) Aufgrund des ganz offensichtlich saturierten GG-Markts gilt die alte Napa-Valley-Boutique-Winery-Regel:
overpriced until undersold. Scheints, dass es wie im Bordelais auch in Deutschland die Echten GGs (Keller, etc.), die Super Seconds und dann die breite Masse der klassifizierten Gewaechse gibt - wohlgemerkt rein national getrieben. (Es waere ziemlich dumm, wenn der VDP das verdrahten wuerde, bevor deutscher trockener Riesling international gezuendet hat, aber das nur als Nebenbemerkung.)
4) Korollar: Wer GGs trinkt, weil die Weine so gut sind wie die von Coche-Dury (
naaaaaaame dropping), aber nur ein Zehntel kosten, ist ein elender Punktetrinker, der von Weinkultur noch weniger Ahnung hat als der Chinese. Und geizig obendrein. (Bitte iterieren.)
5) Lemma: Wer sich von der Rioja ueber ChNdP bis ins Priorat gekaempft hat, ist in drei Jahren bei Zin und Petite Sirah und in 7 beim Pinot Noir (oder mit Lebezirrhose auf der Intensiven). Um solche Konsumenten (voellig wertfrei gemeint) einzufangen, sind die Markus Schneiders dieser Welt ziemlich nuetzlich. Wenn man schon deutsch trinkt, kann man vielleicht ja doch mal einen... Riesling... so zum probieren...? Ob deutsche Rotweine im Vergleich zu Spaniern etwas taugen, ist aber eine andere Diskussion.
Cheers,
Ollie
Yeah, well, you know, that’s just like, uh, your opinion, man.
Parfois, quand c'est trop minéral, on s'emmerde.
"Souvent, l'élégance, c'est le refuge des faibles." (Florence Cathiard)