Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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VillaGemma
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von VillaGemma »

sorgenbrecher hat geschrieben:...., dass ist in etwa so, als wenn man die qualität von deutschem obst mit der begründung verneint, dass einem ananas und kiwis besser schmecken als äpfel und birnen..... :roll:
Ok, stell ich mich wirlich so doof an? Anscheinned. Apropos Äpfel und Birnen: Die schmecken in Italien deutlich besser. Oder Pflaumen. Ich hatte im letzten Urlaub nebenbei ein paar Pflaumen probiert/gekauft und bin vom Glauben abgefallen, wie sowas in Italien schmecken kann. Das Geschmackserlebnis hatte ich so *nie* in Deutschland. Und jetzt vergleiche ich Pflaumen mit Pflaumen ;)

Zu ersterem: Vielleicht drücke ich mich hier zu ungeschickt aus. Vielleicht ist es mir über die Jahre in der Sendung Kochduell auch einfach auf den Geist gegangen, dass es zu jedem (!) Gericht einen Riesling gab. (wer die Sendung nicht kennt: Dort wurde von einem Sommelier immer der passende Wein für das jeweilige Essen ausgesucht...und oh Zufall, es war zu 97,5% ein Riesling).

Meine nicht vorhandene Ahnung, was Weinanbau angeht, vermutet: Im Süden ist einfach deutlich mehr und deutlich stärkere Sonne vorhanden. Daher kann man dort bessere/geschmacksintensivere Rotweine herstellen. Wenn dem so ist, dann bricht einem kein Zacken aus der Krone, sowas in einem Artikel auch beim Namen zu nennen und die Welt nicht auf Riesling zu reduzieren. So als gäbe es nix anderes und als wäre es für alle zwingend der absolute Top-Wein, den man zwingend kaufen muss. Das suggeriert doch der 1. Artikel. Und das ist falsch, weil es eben Menschen gibt, die zwar Wein mögen, aber schonmal kaum Weißen und dann eben eher wuchtigen Roten, den man so in Deutschland schwer findet, wenn überhaupt. Auch wenn es dann Äpfel mir Birnen sind, die verglichen werden. Wenn ich saure Äpfel auf meinem Baum habe, dann darf ich mich nunmal nicht drüber aufregen, dass die Leute lieber süsse Orangen aus Italien kaufen. Finde ich...darf man sich nicht drüber ärgern und dann sagen: Meine sauren Äpfel sind aber das einzig wahre...das meinte ich mit Tellerand usw....auch wenn das Beispiel hinkt. Wie auch immer: Guter Journalismus ist einfach rar geworden...
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Charlie
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von Charlie »

VillaGemma, ich wollte damit nicht meinen, du wärst eines Paradigmenwechsels nicht fähig. Ich meinte, wer "lateinisch" Weinsozialisiert wurde, der geht einfach davon aus, dass Wein grundsätzlich zum Essen gehört, dafür gemacht und erfunden wurde. Wenn dann eine komplette Weintradition und -Nation ganz anders funktioniert, dann funktionieren für ihn auch deren Weine nicht. Bleiben wir beim Weisswein: der potentiell beste "lateinische" Weinswein, der weisse Burgunder, lebt von der Struktur, der Textur, dem Druck am Gaumen. Riesling dagegen lebt vom Spiel. Und ist ein schwieriger Essensbegleiter. Das ist in etwa so, als würde man eine Araberstute als minderwertig betrachten weil sie wenig Milch gibt.

Nun sind gefühlte 99 % der Weintrinker und Weinliebhaber weltweit "lateinisch" sozialisiert, egal wo sie leben. Andererseits ist deutscher Riesling (mit Spiel) weltweit eine schicke, elitäre Sache. Das führt zu lustigen Effekten wie: Rieslinge die "burgundisch" wirken, die Empfehlung Rieslinge zu asiatischem Essen zu nehmen, spanische Weißweine mit deutlichem Spiel, usw. Auch eine Form der Globalisierung.

Das ist übrigens nicht auf meinem Mist gewachsen, sondern auf Pigott seinem. "Wein spricht deutsch".
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von Ollie »

Charlie hat geschrieben:das ist eine "lateinische" Weinsozialisierung. Kein Wunder, dass Riesling da nicht reinpasst. Paradigmenwechsel sind anstrengend, zugegeben.
Na, ich halte mich durchaus fuer "lateinisch" (oder vielleicht eher: "romanisch") weinsozialisiert. Aber: Das bedeutet nicht einfach "Wein nur zum Essen" (in der Absolutheit uebrigens auch in romanischen Laendern falsch), sondern, und das ist vielleicht der Haken, "trockenen Wein zum Essen". Da haben es naturgemaess viele deutsche Weissweine (speziell: die GGs) schwer.

Dass Riesling aromatisch nicht passen wuerde, kann ich zwar nicht bestaetigen, bleibt letztlich aber natuerlich Geschmackssache. An der Sozialisation selbst kann es aber nicht liegen, dass Riesling unter die Raeder kommt. Es gibt in Frankreich durchaus sehr aromatische (speziell: fruchtige) Rebsorten fuer "gastronomische", trockene Weine: Sauvignon Blanc, die Mansengs, Riesling, Muscat, Muscadelle, und viele eher neutrale Sorten (Chardonnay, Pinot Blanc, Chenin Blanc) koennen - auch in Frankreich - durchaus charmante Fruchtboembchen ergeben, ohne dass sie deshalb zu Tische unbrauchbar wuerden (und ohne dass man zu kellertschnischen Knifffen greifen muesste). Ich denke, in Spanien und Italien gibt es ebenfalls eine Reihe recht aromaintensiver, weisser Sorten, die allesamt sehr brauchbare Tischweine ergeben.

Dass Riesling wegen seiner angeblich so hohen Saeure nicht passen wuerde, ist auch unhaltbar, wenn man mal von dem duennen Brett runterkommt, deutschen Riesling mit Burgundern zu vergleichen (das ist so doof, aus so vielen Gruenden). Dann stellt man naemlich fest, dass die anderen Weine hoechstens ein Gramm weniger Sauere haben (nicht jeder Franzose geht durch die malolaktische "Gaerung"), und wenn man noch mit einbezieht, dass es sich manchmal um H2SO4-Aequivalente handelt, werden die Differenzen noch geringer.

Ein echt-trockener, deutscher Riesling ist also perfekt imstande, alle oben genannten Weine sehr erfolgreich und ohne Abstriche zu ersetzen.

Folgt:

1) die Preise fuer Top-GGs aus D sind im internationalen Vergleich ("gleiche Punktezahl") immer noch guenstig.

2) Der GG-Markt ist faktisch ein rein-nationaler (inkl. aller Exzesse, die sich daraus ergeben, vgl. Tellerrand).

3) Zu wenige GG-Konsumenten setzen Wein gastronomisch ein - deutsche Weintrinkkultur eben. Es ist also voellig unerheblich, ob sie ihr Geld fuer Sancerre ausgeben oder fuer Morstein, denn da scheint keine direkte Konkurrenzsituation zu bestehen. Stattdessen:

4) GGs leiden ganz massiv unter der extrem hohen Qualitaet von Weinen, die nur die Haelfte kosten, und werden von diesen kannibalisiert (und nicht vom Sancerre). Probleme ruehren also genau nicht daher, dass Deutsche achso geizig waeren, sondern davon, das Adam Smith immer noch recht hat. Klimek, nochmal nachdenken.

3) Aufgrund des ganz offensichtlich saturierten GG-Markts gilt die alte Napa-Valley-Boutique-Winery-Regel: overpriced until undersold. Scheints, dass es wie im Bordelais auch in Deutschland die Echten GGs (Keller, etc.), die Super Seconds und dann die breite Masse der klassifizierten Gewaechse gibt - wohlgemerkt rein national getrieben. (Es waere ziemlich dumm, wenn der VDP das verdrahten wuerde, bevor deutscher trockener Riesling international gezuendet hat, aber das nur als Nebenbemerkung.)

4) Korollar: Wer GGs trinkt, weil die Weine so gut sind wie die von Coche-Dury (naaaaaaame dropping), aber nur ein Zehntel kosten, ist ein elender Punktetrinker, der von Weinkultur noch weniger Ahnung hat als der Chinese. Und geizig obendrein. (Bitte iterieren.)

5) Lemma: Wer sich von der Rioja ueber ChNdP bis ins Priorat gekaempft hat, ist in drei Jahren bei Zin und Petite Sirah und in 7 beim Pinot Noir (oder mit Lebezirrhose auf der Intensiven). Um solche Konsumenten (voellig wertfrei gemeint) einzufangen, sind die Markus Schneiders dieser Welt ziemlich nuetzlich. Wenn man schon deutsch trinkt, kann man vielleicht ja doch mal einen... Riesling... so zum probieren...? Ob deutsche Rotweine im Vergleich zu Spaniern etwas taugen, ist aber eine andere Diskussion.

Cheers,
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Ollie
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von Ollie »

Nachtrag, da Kreuzpost: Ich weiss nicht, wo Pigott gelernt hat, Wein zu trinken. Aber es war garantiert nicht in Frankreich. Sonst wuerde er nicht so einen Bapp ueber weissen Burgunder und dessen angebliche Idealstellung schreiben.

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sorgenbrecher
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von sorgenbrecher »

hatten wir hier zwar bereits, aber passt hier gut: ;)
A true wine geek goes through the following spiritual stages:

Stage 1 “Genesis” – Have an epiphany wine that makes you want to get more serious about wine
Stage 2 “Confusion” – Realize that there are so many bewildering choices that its difficult to decide what to buy
Stage 3 “Discipleship” – Start following the ratings of a respected wine critic as a guide to what to buy
Stage 4 “Cognitive Dissonance” – Do your best to tell yourself that you are actually enjoying all the highly rated wines you are drinking
Stage 5 “Awakening” – Realize that taste in wine is subjective and you need to determine for yourself what you like
Stage 6 “Rage” – What the f*ck am I going to do with all this wine I bought that i don’t actually like?
Stage 7 “Dinner Parties” – Unload the wine on friends at non-wine-geek dinner parties. They will likely be impressed as the wines are highly rated.
Stage 8 “The Quest” – Taste, taste and taste some more to see what regions, producers and vintages you like
Stage 9 “Enlightenment” – OMFG! Burgundy!
Stage 10 “Dark Night of the Soul” – OMFG! These things are expensive!
Stage 11 “Inner Peace” – German Riesling! And cheap too!
Gruß, Marko.
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Markus Vahlefeld
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von Markus Vahlefeld »

sorgenbrecher hat geschrieben:A true wine geek goes through the following spiritual stages:

Stage 1 “Genesis” – Have an epiphany wine that makes you want to get more serious about wine
Stage 2 “Confusion” – Realize that there are so many bewildering choices that its difficult to decide what to buy
Stage 3 “Discipleship” – Start following the ratings of a respected wine critic as a guide to what to buy
Stage 4 “Cognitive Dissonance” – Do your best to tell yourself that you are actually enjoying all the highly rated wines you are drinking
Stage 5 “Awakening” – Realize that taste in wine is subjective and you need to determine for yourself what you like
Stage 6 “Rage” – What the f*ck am I going to do with all this wine I bought that i don’t actually like?
Stage 7 “Dinner Parties” – Unload the wine on friends at non-wine-geek dinner parties. They will likely be impressed as the wines are highly rated.
Stage 8 “The Quest” – Taste, taste and taste some more to see what regions, producers and vintages you like
Stage 9 “Enlightenment” – OMFG! Burgundy!
Stage 10 “Dark Night of the Soul” – OMFG! These things are expensive!
Stage 11 “Inner Peace” – German Riesling! And cheap too!
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Danke
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VillaGemma
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von VillaGemma »

Ollie hat geschrieben: 5) Lemma: Wer sich von der Rioja ueber ChNdP bis ins Priorat gekaempft hat, ist in drei Jahren bei Zin und Petite Sirah und in 7 beim Pinot Noir (oder mit Lebezirrhose auf der Intensiven). Um solche Konsumenten (voellig wertfrei gemeint) einzufangen, sind die Markus Schneiders dieser Welt ziemlich nuetzlich. Wenn man schon deutsch trinkt, kann man vielleicht ja doch mal einen... Riesling... so zum probieren...? Ob deutsche Rotweine im Vergleich zu Spaniern etwas taugen, ist aber eine andere Diskussion.
Muss nur kurz drauf eingehen ;) ...das mit der Lebezirrhose ist natürlich schmarren, da ich persönlich mich an die Alkoholmenge halte, die mir mein Körper vorgibt und die ist nicht hoch. Bei besagten Weinen ist das max. 0,25-0,35 Liter am Tag. Die allerwenigsten werden übrigens von Wein alkoholkrank. Das sind idR die harten Sorten, die das verursachen.

Und natürlich schließe ich nicht aus, dass es noch Weine gibt, die mir schmecken und die ich nicht kenne. Habe zB noch so gut wie keine Burgunder probiert. Man kann auch in der Tat nicht alles auf einmal probieren.

Mir ging es nur darum, dass es neben Weißweinliebhabern auch Rotweinliebhaber gibt, für die sich die Kaufwelt durchaus so darstellt, dass sie in Deutschland bei "Riesling" nicht glücklich werden. Und daher diesen Wein auch nicht kaufen, egal wie günstig oder wie teuer der ist. Mehr wollte ich eigentlich nicht sagen.

Zu den spiritual stages. GROSSARTIG und leider all zu wahr...fast alles genauso schon erlebt. Bin aber aktuell noch bei Stage 8, denke ich ;) ...und 9 macht mir Angst :lol:
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UlliB
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von UlliB »

VillaGemma hat geschrieben:Bin aber aktuell noch bei Stage 8, denke ich ;) ...und 9 macht mir Angst :lol:
Da Du offensichtlich ziemlich säureempfindlich bist, musst Du Dir über Stage 9 keine Sorgen machen. Rote Burgunder sind ziemlich sicher nicht Dein Ding - die sind nämlich in aller Regel für Rotwein einigermßen säurereich, und das auch noch bei vergleichsweise (zu C9dP ;) ) sehr schlankem Körper.

Eher schon könnte Bordeaux, rechtes Ufer, passen - Pomerol oder St.Emilion. Leider auch nicht gerade billig, wenn's denn richtig gut sein soll.

Gruß
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VillaGemma
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von VillaGemma »

UlliB hat geschrieben: Da Du offensichtlich ziemlich säureempfindlich bist, musst Du Dir über Stage 9 keine Sorgen machen. Rote Burgunder sind ziemlich sicher nicht Dein Ding - die sind nämlich in aller Regel für Rotwein einigermßen säurereich, und das auch noch bei vergleichsweise (zu C9dP ;) ) sehr schlankem Körper.
Hallo Ulli, dafür schonmal danke :) ...korrekt. Meine Frau und ich, wir sind beide ziemlich säureempfindlich. Ich wars nicht immer. Es gab 2-3 Jahre, wo Chianti das Maß der Dinge war. Gern und insbesondere die 100% Sangiovese. Und *irgendwie* war es dann vorbei. Selbst im Urlaub in Italien (wo man ja doch eine ganze Ecke entspannter ist und alles besser schmeckt) komme ich nicht mehr an Chianti dran. Auch nicht zum Essen und erst recht nicht meine Frau. Daher nochmals danke, da ich mir so die Erprobung und somit auch viel Geld erspare. Wobei ich den Burgunder natürlich gut für Julia Childs "Boeuf Bourguignon" hätte benutzen können. Geht aber auch gut mit einem CdR :)
UlliB hat geschrieben: Eher schon könnte Bordeaux, rechtes Ufer, passen - Pomerol oder St.Emilion. Leider auch nicht gerade billig, wenn's denn richtig gut sein soll.
Ja, ich befürchte, dass mir diese Art des Weins gefallen könnte. Aber ich schrecke ein wenig vor den Preisen zurück, ganz ehrlich. Probiert hatte ich bislang wenig und dann auch festgesellt, dass die Weine bisweilen "zickig" sind und einfach nur nach Tannine geschmeckt haben, was schade war und für einen, der am Probieren und Kennlernen ist, natürlich extrem ärgerlich. Aber der Belle-Vue 09, den wir mal hatten, der war schon ziemlich lecker und im Verhältnis auch bezahlbar. Daher bin schon recht sicher, dass ich noch zum Bordeaux-Sammler werde...aber ganz aktuell entdecke ich das Priorat mit seinen Weinen. Auch spannend und lecker. Ist ja auch nicht sooo weit vom C9dP weg, meine Erklärung für mich, warum ich es mag ;) . Immerhin spielt Grenache eine Rolle. Und auch Syrah...soviel ist wahr.
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Ollie
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Re: Warum ist dieser Wein nicht ausverkauft?

Beitrag von Ollie »

VillaGemma hat geschrieben:[
Muss nur kurz drauf eingehen ;) ...das mit der Lebezirrhose ist natürlich schmarren, da ich persönlich mich an die Alkoholmenge halte, die mir mein Körper vorgibt und die ist nicht hoch. Bei besagten Weinen ist das max. 0,25-0,35 Liter am Tag. Die allerwenigsten werden übrigens von Wein alkoholkrank. Das sind idR die harten Sorten, die das verursachen.
Natuerlich. Ich wollte nur spasseshalber darauf abheben, denn dein bisheriger Entwicklungsweg ist ziemlich typisch fuer (Rot)Weintrinker. Irgendwann mal reicht auch Durif nicht mehr, dann muss mit Alkohol angereichertes Pflaumenmus und Brombeermark her. Von dem aus von dir gennanten Gruenden immer nur Fingerhuete gehen.

Und irgendwann einmal, when you're least suspecting, steht ein Wein vor dir, von dem du eine ganze Flasche fast geext hast, weil der Wein dir mit jedem Schluck das Paradies gezeigt hast. Es ist das Erste, das Eine Weinerlebnis, gegenueber dem alle anderen Weinerlebnisse verblassen

Und nach diesem Einen Weinerlebnis wirst du suechtig.

Und dann kommst du in die Vorhoelle. Wo irre lachende Teufel fuer eine Flasche Wein Unsummen von deinem Konto abbuchen. Und dir fuer jede Flasche danach mehr abbuchen, mehr, mehr, immer mehr, bis dein Bankberater im persoenlichen Gespraech es doch nur gut mit dir meint und deine Kreditkarten zerschreddert; aber du, du bist dem Wein verfallen. In deiner Not wendest du dich nach Deutschland, gen Oregon, auch in Tasmanien und Neuseeland wirst du Trost zu finden hoffen. Vergeblich. Zwar auch ganz gut, aber not the real deal.

Dann wirst du merken, dass man Parkerpunkte zwar nicht trinken, aber doch verdammt gut verkaufen kann. Deine ganze Chateauneuf-Sammlung geht schneller den eBach runter, als du "Domaine de la Grande Pouffiasse Cuvee Particulierement Reservee Pour Mes Aieuils Tres Vieilles Vignes Sonderabfuellung fuer Pinard de Picard" buchstabieren kannst. Doch das Geld reicht nicht. Also muss dein Haus dran glauben. Und damit folgt der soziale Abstieg. In der Firma unterschlaegst du die Kaffeekasse, du faehrst schwarz S-Bahn. Deine Frau wird dich verlassen, deine Kinder werden andere Namen annehmen, nicht einmal dein Hund wird von dir Gassi gefuehrt werden wollen. Und dein Auto wird auch nicht mehr anspringen.

Und das ist erst der Beginn deiner endlosen Agonie. Denn wie eine Sirene dich mit ihrem suessen Gesang weg vom rettenden Ufer lockt, so lockt der Wein dich immer weiter weg von den schuetzenden Doerfern und in die klassifizierten Lagen, wo zum fehlenden Geld auch noch fehlende Qualitaet dazukommt. Doch wie sehr du auch suchst, es kommt nicht mehr, dieses Erste, dieses Eine Weinerlebnis, gegenueber dem alle anderen Weinerlebnisse verblassen. Du bist nun ein auf ewig Verdammter, unrasiert und verschwitzt, wuetend und enttaeuscht.

Man muss sich Sisyphos als Burgundliebhaber vorstellen.

Und in der dunkelsten Stunde deines Weintrinkerlebens wird dir jemand ein Glas des koestlichsten und erfrischendsten Elixiers anbieten, dass du seit langem getrunken haben wirst - und gerne auch ein zweites und ein drittes, denn Riesling ist wirklich billig, you know.

Du verstehst, was die ganze Zeit schief gelaufen ist in deinem Leben, und wirst zum Rieslingliebhaber. Zwar denkst du etwas wehmuetig an deine immer noch nagende Liebe, der du genausoviel zu bedeuten glaubtest wie umgekehrt, doch mit einem leisen Laecheln murmelst du "Weisser Riesling, roter Riesling, same difference", und trinkst gluecklich bis an dein Lebensende. Deine Frau kommt zurueck, deine Kinder wollen alles ueber ihren verlorenen Vater wissen, und dein Hund will in deiner Anwesenheit wieder seine Notdurft verrichten. Auch dein Auto (ein dunkelblauer Passat Kombi mit Anhaengerkupplung) schnurrt wieder wie eine Katze und dich hupt dich froehlich an. In glueckliches Kinderlachen mischt sich Streichermusik, Kameraschwenk ueber die Vorstadt im Sonnenuntergang, Happy End.


Alternatives Ende der franzoesischen Fassung:
Nachdem du die letzte Flasche in deinem Keller verstaut hast, merkst du, dass man zu restsuessem Riesling gar nichts essen kann. Grossaufnahme der Augen, in denen sich Verstehen und aufkommende Verzweiflung mischen. Ein Schrei. Ueberblende zu einem jungen Mann, der in einer Weinhandlung dem Verkaeufer gerade sagt "... am liebsten schoen samtig und mit viel Geschmack, haben Sie sowas?" Draussen vor dem Schaufenster steht Belzébuth-Montrachet und lacht schrecklich. Musik von Paul McCartney. Abspann.

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