Endbericht meiner beiden sulfitfreien Weine
Gestern Abend habe ich die beiden probenweine am
3. Tag gehabt und sie dann "unter das Volk geworfen"; siehe unten.
Gelb
nasenmäßig wenig Veränderung zum Vortag, neu habe ich folgende Düfte entdeckt: süßlicher Birnenmost, getrocknete Feigen
das bisher vorhendene Bitterl ist jetzt weg, gebrühte Teeblätter (Assam), Saft frischer Granatäpfel, Säure sehr gut integriert, wirkt etwas mostig, aber sehr trinkannimierend
Orange
auch hier hat sich in der Nase nicht mehr allzu viel getan, neu habe ich folgende Düfte entdeckt: Suppenbrühwürfel, Nelken, ein Hauch von Salpeter
geschmacklich hat sich der Wein aber weiterentwickelt, die "Schrecksekunde" ist ausgeblieben, die Aromen kommen früher, weniger adstringent, stark mundwässernd, Abgang wie am 2. Tag
Fazit:
Weil die Entwicklung der Weine nach meiner Ansicht so gut wie abgeschlossen war, habe ich die beiden halb gefüllten Flaschen um's Eck zu Freunden mitgenommen: ein weinaffiner Koch, ein Vinothekar, eine junge experimentierfreudige Dame. Ich habe alle vorgewarnt, was auch wirklich notwenig ist. Die Reaktionen waren für mich sehr interessant, weil die beiden unterschiedlichen Weine auch sehr unterschiedlich aufgenommen wurden.
Der Vinothekar und die junge Dame habe den Gelb stark gelobt (weich, süffig, "will mehr", süße Nase, molliger Körper, "Der kann mir gefährlich werden"), den Orange aber strikt abgelehnt. Der weinaffine Koch fand den Gelb auch sehr ordentlich ("schmalzig"), den Orange aber - wie ich - höher, interessanter und verwegener eingeschätzt. Der Vinothekar brachte dan Sherry ins Spiel, was wir sogleich an Hand eines sehr guten Fino quertesten mussten. Der Sherry war zwar auch knochentrocken, aber die Vielzahl der sich dauernd wechselnden Aromen fehlt ihm, sodass wir ihm Eindimensionalität attestierten. Der weinaffine Koch verkroch sich förmlich ins Glas ("Ich hab's: getrockneter Majoran!", "Nein, unreife Mango!) und fand den Wein auch geschmacklich überzeugend ("Warum macht man in Österreich keinen Sherry, da kann sich das Orignal verstecken.").
Während des Nachverkostens hat sich herausgestellt, dass der Gelb "kühler" (ca 13 Grad) und der Orange "wärmer" (ca 16 Grad) getrunken werden sollte.
Wer Islay Wiskies (insbesondere Lagavulin) oder Orval (belgisches Trappistenbier) schätzt, findet auch Gefallen am Orange.
Was für meine Freunde frappierend war, war der Umstand, dass bei der Einschätzung der alkoholischen Umdrehungen jeder falsch lag. Zunächst wurde dem Orange (14,0%) generell ein höherer Alkoholspiegel wie dem Gelb (14,5%) zugemessen, dann wurde aber auch bei Einschätzung des Alkoholgehaltes krass daneben gegriffen (11,5% - 12,5%). Erstaunlich wie gut der Alkohol hier integriert war.
Ich sehe solche Weine als Bereicherung des Weinspektrums an! Natürlich sind es keine Weine, die ich täglich trinken will. Aber die Beschäftigung mit solchen Weinen ist schon sehr sexy
. Den Orange haben wir dann noch
"Beauty and the biest" getauft; das sagt doch Alles!