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Teurer Weißwein

Hohe Brisanz, kurzes Verfallsdatum
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C9dP

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Re: Teurer Weißwein

BeitragDi 12. Jun 2012, 08:44

Hallo Ulli,

ok, das kann ich nachvollziehen. Mir ist nur lieber, dass ich auch für Weißweine mal solche Preise zahle, die ich mir vielleicht in einigen Jahren nicht mehr kaufen werde, weil sie dann wirklich zu teuer sind. Bei Weinen aus der ersten Liga der GG und Smaragde ist der Weg ja nicht mehr weit, denn bei spätestens 75 Euro setzt bei mir für alle Weine die Vernunft wieder ein. Die muss ich dann nicht mehr haben. Einzige weiße Ausnahmen bilden hier ein G-Max und ein Unendlich. Und derzeit liegen Pichler, Keller, Joly... noch in diesem Budgetrahmen. Lange aber wohl nicht mehr und daher nutze ich die Zeit, mir den Keller noch mit einigen Flaschen zu füllen und suche bei Bordeaux und Rhone eher nach richtig guten Weinen, die mehrheitlich deutlich innerhalb des Rahmens liegen, wie Belgrave, Poujeaux, Janasse Chaupin, Les Safres... (es darf aber auch ein Calon-Segur oder ein Clos des Papes sein :geek: )
Viele Grüße

Aloys
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Dirk Würtz

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Re: Teurer Weißwein

BeitragDi 12. Jun 2012, 10:28

Spannendes Thema...
Ich halte ja grundsätzlich Wein der mehr als fünf Euro pro Flasche kostet für reinen Luxus und damit für ein Produkt, dass nur über emotionale Ebenen zu verkaufen ist. Damit will ich nicht sagen, dass 60 Euro und mehr für ein Flasche Wein Blödsinn sind, es sind eben nur reine Mondpreise, die ganz klassich durch diverse Marketingmaßnahmen realsiert werden. Letztendlich bestimmt der Markt und wenn der diesen Preis akzeptiert und zulässt, dann ist das eben so.

Eine realistische Bewertung ist da kaum möglich. Neulich sagte mal jemand zu mir, er könne die 60 Euro gar nicht schmecken. In meiner Verzweiflung fragte ich einfach, wie denn 60 Euro schmecken... Es ist einextrem emotionales Thema...

Wenn ich in mich reinhöre, dann finde ich, dass diverse edelsüße Rieslinge durchaus solche Preise rechtfertigen, der einoder andere Weisswein aus dem Burgund ganz sicher auch und ganz bestimmt auch einige Champagner. Man muss sich das Ganze eben auch leisten könne und wollen und da wird es eigentlich ganz einfach aber auch schon wieder sehr emotional. Ich kann die Gelegenheiten zu denen ich einen Wein dieser Preisklasse trinke ganz sicher an einer Hand abzählen.

In jedem Fall freue ich mich für deutsche winzer, wenn sie solche Preise realisieren können. Neben all dem gehype und gestrunze und wasweissichauchimmer hat es eben auch etwas mit Wertschätzung zu tun... glaube ich jedenfalls.
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susa

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Re: Teurer Weißwein

BeitragDi 12. Jun 2012, 10:39

UlliB hat geschrieben:Susa,

wo gibt's denn einen Montrachet für 60 -75 Euro :?:

...
Ulli


Stimmt Ulli, da hab ich mich etwas verkürzt ausgedrückt. Meine Antwort ging eher auf die Frage "Für trockenen welchen Weißwein würdest Du -fast- jeden Preis bezahlen?" Es gibt aber durchaus Dorflagen in dieser Kategorie, ich hab noch vor 2 Wochen einen Ramonet in dieser Preislage getrunken und das sind schon Weine, wie Dirk Würtz oben schreibt, die etwas auslösen, die man hauptsächlich emotional wahrnimmt, die einen faszinieren und beschäftigen über die rein sensorischen Aspekte hinaus.

Ich glaube nicht, dass es eine Faustformel gibt, so und so strenge Selektion, diese und jene Klone, ganz besonderer Boden, Bewirtschaftung, dos and don'ts im Keller - et voilà, fertig ist der 70€-Wein.

Eine wichtige Komponente hier ist für mich auch Tradition, Geschichte - ich würde eher viel Geld für einen Wein aus einem Traditionsgut (muss nicht berühmt und renommiert sein) bezahlen, also für einen Wein, der eine Geschichte von Generationen mitbringt, als für ein Newcomerprojekt.

lieben Gruß
susa
Red wine with fish. Well, that should have told me something.
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thvins

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Re: Teurer Weißwein

BeitragDi 12. Jun 2012, 11:02

Hallo Stephan, hallo allerseits

einen Coume Gineste von Gauby hatte ich auch schon - mit Sicherheit einer meiner besten Weißweine, die ich getrunken habe und neben einem weißen Hermitage und wenigen weißen Burgundern auch die private preisliche Oberliga der Weißweine, aber auch für den Coume Gineste habe ich zwar viel, aber noch längst nicht so viel bezahlt - ebenso wie in Rot vergleichbar für seinen Muntada. Als diese Weine sich rasant verteuerten, hab ich mich schnell nach Alternativen umgetan und diese auch gefunden.

Das mit der Suche nach Alternativen ist bei Rot oft genug dieselbe wie bei Weiß. Normalerweise ist dieser Preisklasse nicht mehr nur mit dem Argument der Qualität beizukommen - denn noch gibt s auch für deutlich weniger Geld schon Weine, die mich richtig doll begeistern und emotional berühren. Und das ist auch der Grund für mich, häufig unter dieser magischen Schwelle von sagen wir 50 € zu bleiben. Ich finde eigentlich genug in diesem Preisrahmen, was mich in Ekstase bringen kann.

Dennoch bin ich bereit, für diese Ekstase hier und da die Schwelle zu überschreiten. Ein wichtiges Argument hat Christian genannt: Haben wollen... - genau diesen...!

Nur gibt es dann noch den Hintergrund: - Wissen, dass ich emotional nicht enttäuscht werde (vielleicht durch Anfixen per Verkostung oder durch Begeisterung bei einer Quelle, der ich darin vertraue, weil ich weiß, dass diese auch meinen Geschmack trifft) und eventuell zusätzlich:

- Wissen um eine ganz besondere Rarität - nur 300 Flaschen kann da schon mal das entscheidende Zusatzargument sein.
- das Wissen um die Alterungsfähigkeit und den Gewinn von Komplexität und Tiefe
- dieses Alter ist bereits erreicht und in dem Preis ist der Lageraufwand bereits drin...

Ich kann also nachvollziehen, wenn gewisse Weine so viel Geld kosten und ich bin auch bereit, diesen Preis zu zahlen, wenn
ich es mir grade leisten kann und will. Grade dann, wenn dieser Wein recht alternativlos ist.

Um mir so was auch mal leisten zu können, verzichte ich eben auf anderen Luxus. Als erstes fällt mir dabei ein, wie schnell man in bestimmten Restaurants einen Weinpreis von 60 € erreichen könnte und was man dann oft für Mittelmaß dafür bekäme... Statt dieses Restaurant dann "reicher" zu machen und nur Mittelmaß als Gegenwert zu bekommen, mach ich lieber den "reicher", der mir für mein Geld ein Spitzenerlebnis bietet.

Preise "über Normalniveau" zahlt man eben als "Normalbürger" nur für Kunst oder ein Event - und dieses muss ein Wein dieser Preisklasse mir bieten.
Beste Grüße

Torsten

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Charlie

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Re: Teurer Weißwein

BeitragDi 12. Jun 2012, 11:18

Kenne mich mit Markt und Commerz wenig aus, aber ich dachte immer, die Spitzenweine sind meist nicht die, mit denen ein Betrieb Geld verdient. Sie dienen eher dazu, die Gesamtkollektion "hochzuziehen". Frage: dachtest du an einen Wein mit dieser Funktion? Wenn ja, ist es nicht so wichtig, dass ihn jemand kauft. Du musst nur wenige Flaschen davon machen und sie von Leuten probieren lassen, die darüber schreiben.* Wenn er ihnen gefällt, kannst du dein Sortiment behutsam 20% teurer machen.
Falls nun die Frage lautet: "Wie soll ein solcher Wein schmecken, damit er bei den Weinschreibern ankommt?" wird es etwas schwieriger. Mit "toll", "tief", "komplex" ist dir nicht geholfen. Nehmen wir mal an, es ist ein trockener Riesling und ich bin der Weinschreiber, dann könnte ich es so konkretisieren:
- sauber (höchstens ein bisschen Sponti und/oder ein bisschen erdig geht)
- ob trocken oder nur "harmonisch trocken" wäre egal
- die Frucht darf im frühen Stadium nicht zu vordergründig sein
- die Frucht darf nicht überreif wirken
- Alkohol darf auf keinen Fall hervorstechen
- grün/unreif geht nicht
- höchstens minimal adstringierend
- ich würde Neuholz vermeiden, denn du kriegst sowieso keins, das mir gefällt (schätzte ich)
- Hohe Extraktwerte (habe aber keine Zahlen)
- Abgang ist wichtig: lang, frisch, trocken, klar, salzig muss es wirken

Ob das hilft???

* mit den GGs passiert genau das. Ich schätzte 70% werden für Proben geöffnet.
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Neuppy

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Re: Teurer Weißwein

BeitragDi 12. Jun 2012, 13:38

Hallo,
ich meine mich erinnern zu können, dass ich mal vor ungefähr 10 bis 12 Jahren gelesen habe, daß die Herstellungskosten eines Weines maximal 25 DM betragen.
Wenn ich jetzt einfach mal 25 EUR rechne (inflationsbereinigt), dann noch das Weinmarketing mitsamt den ganzen Weinproben sowie den Gewinn mitsamt Rücklagenbildung für schlechte Jahre sowie Investitionen eines Winzers hinzurechne, komme ich sicherlich auf einen Preis von rund 40 bis 45 EUR der für den absoluten Spitzenaufwand durchaus als angemessen anzusehen ist.
Sollte ich hier als Laie komplett falsch kalkulieren, dürfen mich die Profis gerne korrigieren. Ich schätze mal nur.

Vor diesem Hintergrund halte ich es also für gar nicht so abwegig, daß auch ein trockener Weißwein bis zu 60 bis 75 EUR kostet, wenn das Angebot knapp und die Nachfrage groß ist. Für Süßweine gilt das umso mehr, da da schon die Kosten wegen des marginalen Ertrages und des erheblich gesteigerten Risikos viel höher sind.

Vor diesem Hintergrund lehne ich es aber zum Beispiel ab, rote Grand Cru aus Bordeaux zu kaufen, da hier an und für sich gar kein knappes Produkt vorliegt. Wenn ich richtig liege produziert Lafite über 200.000 Flaschen seines Grand Vin. Die Knappheit wird hier künstlich durch das Verteilungssystem mit den verschiedenen Tranchen sowie die künstliche Nachfrage von Weinfonds, die den Wein einfach zu jedem Preis einlagern. Ich weiß auch dass daneben noch Nachfrage aus Übersee und CHina besteht. Aber rechnet man mal die großen Chateau zusammen, kommt ungefähr das zehnfache an Flaschen zusammen, was in Deutschland an großen Gewächsen insgesamt erzeugt wird.

Um zum Thema zurückzukehren: Ich kann mir also in jedem Fall vorstellen, soviel Geld für einen trockenen Weißwein auszugeben (bei mir sind das bisher ein Montrachet sowie ein Batard-Montrachet, G-Max, Clos Ste. Hune und Unendlich gewesen). Bis auf den Batard warten allerdings noch alle Weine auf den von Dirk geschilderten besonderen Moment.
Gerade aber zúm Beispiel der Unendlich ist aber ein Grenzgänger, hat das Weingut doch die Flächen für den Unendlich schon fast "unendlich" ausgeweitet und die verfügbare Menge damit vervielfacht. ABer dennoch ist auch dieser Wein nur sehr beschränkt verfügbar und damit einer deutlich stärkeren Nachfrage ausgesetzt.

In letzter Konsequenz wird es daher verschiedene Gründe geben, warum man soviel Geld für einen Wein ausgibt oder eben auch nicht. Garantien für Winzer, dass tatsächlich solche Preis bezahlt werden, gibt es aber definitiv nicht.

Grüße Peter
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emmetdocbrown

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Re: Teurer Weißwein

BeitragDi 12. Jun 2012, 16:20

Neuppy hat geschrieben:Hallo,
ich meine mich erinnern zu können, dass ich mal vor ungefähr 10 bis 12 Jahren gelesen habe, daß die Herstellungskosten eines Weines maximal 25 DM betragen.
Wenn ich jetzt einfach mal 25 EUR rechne (inflationsbereinigt), dann noch das Weinmarketing mitsamt den ganzen Weinproben sowie den Gewinn mitsamt Rücklagenbildung für schlechte Jahre sowie Investitionen eines Winzers hinzurechne, komme ich sicherlich auf einen Preis von rund 40 bis 45 EUR der für den absoluten Spitzenaufwand durchaus als angemessen anzusehen ist.
Sollte ich hier als Laie komplett falsch kalkulieren, dürfen mich die Profis gerne korrigieren. Ich schätze mal nur.


kommt immer darauf an was die Lage hergibt.

Neuppy hat geschrieben:Vor diesem Hintergrund halte ich es also für gar nicht so abwegig, daß auch ein trockener Weißwein bis zu 60 bis 75 EUR kostet, wenn das Angebot knapp und die Nachfrage groß ist. Für Süßweine gilt das umso mehr, da da schon die Kosten wegen des marginalen Ertrages und des erheblich gesteigerten Risikos viel höher sind.


volle Zustimmung.

Neuppy hat geschrieben:Vor diesem Hintergrund lehne ich es aber zum Beispiel ab, rote Grand Cru aus Bordeaux zu kaufen, da hier an und für sich gar kein knappes Produkt vorliegt. Wenn ich richtig liege produziert Lafite über 200.000 Flaschen seines Grand Vin. Die Knappheit wird hier künstlich durch das Verteilungssystem mit den verschiedenen Tranchen sowie die künstliche Nachfrage von Weinfonds, die den Wein einfach zu jedem Preis einlagern. Ich weiß auch dass daneben noch Nachfrage aus Übersee und CHina besteht. Aber rechnet man mal die großen Chateau zusammen, kommt ungefähr das zehnfache an Flaschen zusammen, was in Deutschland an großen Gewächsen insgesamt erzeugt wird.


das ist so nicht ganz richtig. Wenn du Chateau Lafite sagst, meinst du sicherlich auch nur die großen fünf Primeur Grand Cru + Chateau Petrus und da kommt DE locker drüber vom Ertrag. (allein was im Rheingau, Mittelrhein, und Mosel erzeugt wird sind schon unglaubliche Mengen) Was man bei den ganz großen Bordeaux auch beachten sollte, ist dass die unglaublich viel in Kellertechnik Investiert haben, um jedes Jahr gleich hohe Qualität erzeugen zu können. Das und die gigantische Nachfrage (den will numal die ganze Welt) treibt die Preise in ungeahnte Höhen. Und ja, du hast Recht, mittlerweile sind das sehr begehrte Anlageobjekte geworden, die mit Weingenuß nix mehr am Hut haben, leider. (So isses meines Wissens auch mit dem BIN 707 und dem Grange von Penfolds)

Neuppy hat geschrieben:Um zum Thema zurückzukehren: Ich kann mir also in jedem Fall vorstellen, soviel Geld für einen trockenen Weißwein auszugeben (bei mir sind das bisher ein Montrachet sowie ein Batard-Montrachet, G-Max, Clos Ste. Hune und Unendlich gewesen). Bis auf den Batard warten allerdings noch alle Weine auf den von Dirk geschilderten besonderen Moment.
Gerade aber zúm Beispiel der Unendlich ist aber ein Grenzgänger, hat das Weingut doch die Flächen für den Unendlich schon fast "unendlich" ausgeweitet und die verfügbare Menge damit vervielfacht. ABer dennoch ist auch dieser Wein nur sehr beschränkt verfügbar und damit einer deutlich stärkeren Nachfrage ausgesetzt.

In letzter Konsequenz wird es daher verschiedene Gründe geben, warum man soviel Geld für einen Wein ausgibt oder eben auch nicht. Garantien für Winzer, dass tatsächlich solche Preis bezahlt werden, gibt es aber definitiv nicht.

Grüße Peter


Da hast du völlig Recht. Das Burgund z.Bsp. hat diesen Status inne im Moment und darf halt Mondpreise verlangen. Zu Recht wie ich finde, kommen doch die besten Weißweine der Welt von dort. Man sollte auch nicht vergessen, dass zum Beispiel Rieslinge von der Mosel (u. a. Winninger Uhlen) und aus dem Rheingau (z. B. Hattenheimer Wisselbrunnen) vor gut 100 Jahren auch so einen Status hatten und in Frankreich in den Top Restaurants teilweise doppelt so hoch gehandelt wurden wie große Bordeaux.
Wir hatten letztens uns einen Chassagne-Montrachet 2008 von Louis Jadot gegönnt und ich bereue keinen Cent; geiles Zeug. :D
beste Grüße
Stevie - David

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Sebastopol

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Re: Teurer Weißwein

BeitragDi 12. Jun 2012, 19:48

Auweia, da hab ich ja mal was angerichtet...ich dachte da kommen so 2-3 Antworten und der Tenor heißt "gar nicht". :lol:

Ich bedaure so viel Verwirrung verursacht zu haben, und freue mich so eine schöne Diskussion geboten zu bekommen!

Ganz vorneweg, die bisher genannten Erzeugungskosten im Spitzenbereich sind allesamt zu sehr pauschalisiert. Ich erinnere da nur an die letzte Publikation vor etwa 1-1,5 Jahr, die belegte warum Spitzenrotwein allerhöchsten 10€ in der Erzeugung kostet. Dummerweise war die Untersuchung allerdings auf a) Deutschland und b) den ganzen Markt gemünzt, und beim besten Willen, die Schere zwischen genossenschaftlichem Dornfelder aus dem Barrique und der Spitze von Frankreich oder Italien ist dann doch etwas größer....


Dann möchte ich gern mal Ulli als Ausgangspunkt nutzen:

UlliB hat geschrieben:Mich irritiert die Ausgangsfrage ein wenig - wenn man das so einfach planen könnte, würde es sicher eine ganze Menge solcher Weine geben. Irgendwie wird hier das Pferd von hinten aufgezäumt. Erst kommt die hohe Qualität, dann (vielleicht) die breite Anerkennung und in der Folge davon die entsprechenden Preise. Anders herum kann man's natürlich versuchen, es mag bei Rotwein sogar hier und da geklappt haben, bei Weißen aber meines Wissens nach noch nie.


Ja und nein. Ich darf erinnern: es geht hier um hypothetische Weine, nicht solche, die bereits tatsächlich auf dem Markt sind. Weinmachen ist einer der schöpferischsten Akte der Welt, und, für mich allein gesprochen, erfordert es, sich alle Schritte von der Anpflanzung des Weinbergs bis zum Verkauf der Flasche im Voraus komplett vor das geistige Auge zu führen. Anders gesagt: wenn ich über wirklich extreme, äußerste Anstrengungen rede, so muß ich jeden Einzelfaktor zu einem späteren Ganzen zusammenfügen, und in der Tat das Pferd von hinten aufzäumen. Der Preis steht jedoch ganz am Ende, nämlich bei der Frage was kost der Spass wer soll das zahlen.

Das Ganze ist natürlich praxisfern, und gerade so wie es normalerweisenicht gemacht wird, aber es geht ja auch um völlig andere Weine.
Ehrlich gesagt, ich werde den Teufel tun hier konkret zu sagen woran ich denke. Das hieße lange Stunden harter geistiger Arbeit jedermann schutzlos auszusetzen - lieber nicht.
Pauschalisiert und grob fahrlässig vereinfacht wird Weißwein heute doch nach recht ähnlichen Verfahren hergestellt, ohne große Geheimnisse. Allen gemeinsam ist die deutliche Orientierung an der Wirtschaftlichkeit - wie wohl jedes unternehmerische Handeln davon bestimmt wird.

Was aber, wenn kompromisslos der Wein in den Mittelpunkt gerückt wird? "Qualität" ist ein arg gebeuteltes Wort, also vielleicht: was wenn der Weinstil konsequent der bestimmende Überbau ist?
Kommt auf den Stil an..und bei dem was mir vorschwebt: viel Handarbeit, geringste Erträge im Vergleich zum Üblichen, aufwendige und teure Lese, hoffnungslos bis hirnverbrannt teure Weiterverarbeitung, immense Lagerkosten, sündhafte Verluste vor der Füllung, Umschlagzeiten von praktisch biblischen Ausmaß, suizidale Komplettausfälle, eine Nervenstärke wie Kapitän Ahab...da bewegen wir uns selbst überaus konservativ geschätzt bei einem Fertigungspreis jenseits der 40€ (Lohnkosten, Materialkosten, Maschinenkosten, Abschreibungen, Zinsen, Gebäude, Weinbau, Lese, Vinifikation, Lager, Füllung, Ausstattung, Unterhalt&Reperaturen,..) und irgendwo ganz hinten müsst ich ja sogar noch was verdienen damit ich mir Brötchen und ne Hose leisten kann (keinen Ferrari und kein Schloss), sagen wir mal ganz brav 20€ Stundenlohn?
Dann bin ich so summa sumarum bei etwa (!) 45-50€, plus Umsatzsteuer: tatta, 60€.

Nochmal: das macht keinen Sinn. Darum gibt es ja auch solche Weine nicht. Oder fast nicht ;) Keller & Co haben da zumindest preislich ähnliches. Das hinter solchen Weinen keine großen Mengen stecken ist nicht ein Marketinggag, sonder schlichtweg immanent, siehe kompromisslos. Und wie Dirk schon gesagt hat, das sind einfach spinnerte Luxusweine die die Welt nicht braucht. Nur tief in meinem für andere sicher befremdlichen Inneren, würde ich ganz leise flüstern: Chateau Yquem, Unico, Rembrandt und van Gogh, das braucht auch niemand...herrlich es zu haben, ist es trotzdem.

Wenn also jemand im Lotto gewonnen hat und nicht weiß wohin vor lauter Geld, ich habe da schöne Ideen zur restlosen Vernichtung.
"A German wine label is one of the things life's too short for, a daunting testimony to that peculiar nation's love of detail and organization."
Kingsley Amis Everyday Drinking
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Harper

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Re: Teurer Weißwein

BeitragDi 12. Jun 2012, 20:24

Hallo Sebastopol,

bitte einen Schritt weiter denken: Rembrandt und van Gogh kann man sich anschauen ohne sie zu besitzen. Die Gebühr dafür ist gering. Nach dem Schauen sind sie sogar noch weiter vorhanden. Bach, Beethoven und Konsorten können sogar ohne Noten zum Leben erweckt werden, wenn sie ein Mensch im Kopf bei sich hat, und davon gibt es viele. Der Wein-Kunst-Vergleich hinkt und hervorragende Kunstwerke, seien es musikalische oder solche der bildenden Kunst, die Literatur nicht zu vergessen, sind kein Luxusgut sondern essentielle Zeugnisse der guten Seiten unserer Spezies. Wein natürlich auch, ich würde ihn aber nicht damit verglichen haben wollen.

Beste Grüße
Harper
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thvins

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Re: Teurer Weißwein

BeitragMi 13. Jun 2012, 09:02

Harper hat geschrieben:Hallo Sebastopol,

bitte einen Schritt weiter denken: Rembrandt und van Gogh kann man sich anschauen ohne sie zu besitzen. Die Gebühr dafür ist gering. Nach dem Schauen sind sie sogar noch weiter vorhanden. Bach, Beethoven und Konsorten können sogar ohne Noten zum Leben erweckt werden, wenn sie ein Mensch im Kopf bei sich hat, und davon gibt es viele. Der Wein-Kunst-Vergleich hinkt und hervorragende Kunstwerke, seien es musikalische oder solche der bildenden Kunst, die Literatur nicht zu vergessen, sind kein Luxusgut sondern essentielle Zeugnisse der guten Seiten unserer Spezies. Wein natürlich auch, ich würde ihn aber nicht damit verglichen haben wollen.

Beste Grüße
Harper


Oh doch Harper,

Wein kann eindeutig Kunst sein - die wirklich berührenden unter Ihnen sind Kunst, aber ähnlich wie bei Improvisationstheater, Improvisierter Musik - ich denke da an Avantgarde und bestimmte Jazzbereiche, bestimmte Aktionskunst oder ganzheitliche Kunstevents, die vom Moment leben, so ist auch der Genuss von Weinkunst ein eher vergänglicher, oft vielleicht sogar einmaliger. Aber genau auf diesen gelebten Moment kommt es an, dafür bist du bereit, auch mehr als 1,50 auszugeben. Weil du durch den Genuss zum direkten Teilhaber an diesem Kunstwerk wirst.

Und es gibt Menschen, die dafür leben - Winzer, die genau das machen wollen, und Genießer, die genau danach suchen.
Wie bei anderen Kunstbereichen kann es sein, dass da der Künstler erst verkannt wird, dass es Projekte weit ab vom Kommerz sind (auch wenn sie teuer sind) und dass sie nicht massenkompatibel und massentauglich sind. Natürlich gibt es auch genug Popmusikweine und manchmal reicht ein banaler Popsong für einen kleinen Musenkuss... Oft aber eben nicht...

Und bitte auch nicht falsch interpretieren - nicht jeder teure Wein ist am Ende Kunst. Welchen Wein du als Kunstwerk betrachtest, das entscheidest du, wenn dich diese Muse geküßt hat. Wenn du dann das Bestreben des Winzers, der sich als Künstler und nicht als Handwerker versteht, getroffen hast, dann hat es gepasst.
Beste Grüße

Torsten

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