Di 4. Feb 2014, 11:30
Hallo Weinforum,
nachdem Torsten Hammer sein Probenfazit schon eingestellt hat, hier mein persönliches Fazit. Meine Probennotizen fließen in das von Torsten herauszugebende Gesamtprotokoll ein.
Probenfazit Norbert Kreutzer:
Was hatte ich mich auf den Probenvergleich des Jahres 2010 gefreut.
Bei der gemeinsamen Priorat-Tour mit Torsten Hammer hatten wir Gelegenheit, über einige Fassproben erste Eindrücke dieses Jahrgangs zu bekommen. Zumindest bei den Fassproben (u.a. ein Carignan-Fass, dass in den Trosset de Porrera 2010 eingeflossen ist, war ich regelrecht begeistert. Diese begeisternde, mineralisch geprägte, salzig angelegte Tiefe und Frische. Aber, eine Fassprobe ist eben nicht der fertige Wein. Es kommen mehrere Fässer zusammen und es wird bisweilen cuvetiert. Ein reiner Carignan (Samso) schmeckt nun mal anders als ein mit Grenache verschnittener Carignan. Hinzu kommt noch (je nach Erzeuger) der mehr oder minder starke Einfluss des Barrique. Unterschiedliche Holzarten. Unterschiedliche Toasting-Stärken.
Nun, Fazit der Probe war für mich, dass einige der aufgrund von Vorjahres-Erfahrungen hoch eingeschätzten Weinen enttäuschten. Das kann eine Vielzahl von Ursachen haben. Der von mir mitgebrachte Clos Mogador ist beispielsweise am ersten Probentag einige hundert Kilometer durch die Gegend kutschiert worden. Vielleicht benötigen diese Jungweine dann doch den massiven Lufteinfluss durch das Dekantieren in einer größeren Karaffe über mehr als 24 Stunden. Das war bei der Vielzahl von Weinen aus technischen Gründen unmöglich. Die kleinen Karaffen reichen vielleicht nicht. Vielleicht gab es auch einfach nur schlechte Flaschen. Oder warum haben der 2010 Roquers de Samso und der 2010 Trosset de Porrera bei einer einige Wochen zuvor von mir durchgeführten Vergleichsprobe (mit dem 1902 von Celler Mas Doix – siehe Beitrag hier im Forum) überzeugt und in Coswig nicht. An meinem persönlichen Geschmack oder meinen Vorlieben allein kann es ja wohl nicht liegen, da ich sowohl in Oberhausen als auch in Coswig blind verkostet habe. Einziger Unterschied: in Oberhausen war die Weinauswahl etwas übersichtlicher.
Andererseits gab es aber auch Weine, die mich wirklich überzeugten. Darunter die Weine der Bodegas Mas Alta (vielleicht mit Ausnahme des La Basseta). Selbst der ungemein teure La Creu Alta ist sein Geld Wert. Ein Tip ist der 2010er Artigas. Weitere Kaufempfehlungen: 2010 Petit Clos Penat, 2010 Cami Pesseroles, 2010 Ferral, 2010 Tros del Clos, 2010 „1270 Avuit-Fina“, 2010 Els Bigotis del Gat und nicht zuletzt der 2010 Terra d’hom. Für wenig Geld hat auch der 2010er Camins del Priorat von Alvaro Palacios überzeugt. Vielleicht kein Langläufer aber relativ kurzfristig mit Genuß zu trinken.
Entsetzt war ich über mein eigenes Urteil über die Weine der mir auch persönlich bekannten Winzer des Clos Mogador, Roquers de Samso, Roquers de Porrera, Trosset de Porrera und des Pater. In den Jahren zuvor (2007, 2008 und 2009) ist der Roquers de Samso bei mir immer an Platz 1 gesetzt worden. Wohl gemerkt: blind. Diesmal nicht.
Nun habe ich mittlerweile begriffen. Viele Prioratos sind Langläufer. Der 2000er Clos Mogador ist jetzt gerade richtig. Über andere Beispiele kann man in diesem Forum nachlesen. Ich vertraue darauf, dass viele der Weine unserer Probe erst in vielen Jahren aufmachen. Trotzdem gab es auch eine Vielzahl von Weinen, die ich als eher fehlerhaft gesehen habe. Das ist mir in den Vergleichsproben früherer Jahre nicht so häufig passiert.
Unfassbar empfinde ich es aber, wenn ich Weinfehler feststelle und mein geschätzter Weinfreund Torsten Hammer nicht. Unterschiede von mehr 10 Punkten sind ja doch sehr extrem. (Anmerkung: Unterschiede von 5 Punkten sind angesichts des unterschiedlich ausgelegten 100 Punkte Systems aber normal) Da hilft mir auch keine größere Konzentration auf den einzelnen Wein, wie von Torsten empfohlen.
Der Wein wird für mich dadurch auch nicht besser. Mit Schaudern denke ich zum Beispiel an den 2010er Embruix von Vall Llach. Glücklicherweise waren Torsten und ich uns ja bei der Nummer 1 einig. Geht doch............
Letztlich wird dem geneigten oder nachhaltig interessierten Leser nichts anderes übrig bleiben, als sich Musterflaschen der kontrovers bewerteten Weine zu beschaffen und sich anschließend ein eigenes Urteil zu bilden. Auch das kann spannend sein. Unter dem Strich dürften aber die gemeinsam positiv bewerteten Weine eine Hilfestellung für eigene Einkäufe geben. Aber bitte unbedingt berücksichtigen: die wenigsten jungen Prioratos kann man einfach aufreißen und sofort trinken. Sie brauchen sehr viel Luft. Möglichst 24 Stunden zuvor und mehr. Selbst den meisten 2001ern würde ich diese Luft geben. Viele Bordeaux vertragen das nicht.
Leider macht diese Notwendigkeit der langen Belüftung den Priorato wohl für die meisten Restaurants eher uninteressant. Welcher Kunde will schon am Vortag einen Wein bestellen und dekantieren lassen? Aber man kann auch im Restaurant einen Priorato zum Essen bestellen. Noch im Januar konnte ich im Sylter Restaurant von Jörg Müller einen 2001er Mas Doix V.V. genießen. Hier reichten 1,5 Stunden Dekantierzeit. Toller Wein und im Vergleich zu den meisten Bordeaux und Burgundern, die man auf der Weinkarte von Jörg Müller findet, auch noch bezahlbar. Den hat der Weinterminator wohl übersehen.
Aber in welchem Restaurant findet man schon solch alte Prioratos?
Gruß aus Oberhausen
Norbert