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Braucht man Prädikate für trockene Weine?

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Charlie

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Braucht man Prädikate für trockene Weine?

BeitragFr 11. Feb 2011, 14:19

Im Rahmen der Diskussion um ein neues Regelwerk an der Mosel, kam die Frage auf, ob man für trockene Weine Prädikate braucht. Ich würde die Frage einerseits auf trocken schmeckende Weine erweitern und andererseits auf Mosel-Rieslinge einschränken und gleich versuchen das Für und Wider aufzulisten:

Pro 1: Prädikate sorgen bei der aktuellen Gesetzgebung für Klarheit ob Chaptalisiert wurde oder nicht.
Pro 2: Prädikate entsprechen auch bei "trockenen" Weinen unterscheidlichen Stilen und können dadurch Orientierung liefern.

Contra 1: ohne Prädikate wäre es einfacher
Contra 2: bei trockenen Weinen sind nicht alle Prädikate sinnvoll. (BA, TBA und Eiswein)
Contra 3: der Konsument assoziert Prädikate mit "süß"
Contra 4: wegen Contra 3 könnte ein Verzicht auf Prädikate bei trockenen Weinen zu klarerer Positionierung der Restsüßen führen.
Contra 5: die Stilunterschiede zwischen den Prädikaten sind für "trockene" Weine lange nicht so deutlich wie für die Restsüßen.


Und nun mit meiner Meinung dazu:
Pro 1: Prädikate sorgen bei der aktuellen Gesetzgebung für Klarheit ob Chaptalisiert wurde oder nicht. Inzwischen ist das Thema nicht mehr so wichtig. Ausserdem könnte man diese Information deutlicher hinschreiben.
Pro 2: Prädikate entsprechen auch bei "trockenen" Weinen unterscheidlichen Stilen. Stimmt. Allerdings gibt es an der Mosel grob gesagt 2 Stile für die "trockenen" Rieslinge die schlecht mit den Prädikaten korrelieren. Nämlich die fetteren mit Druck am Gaumen (ich nannte sie mal die burgundischen Rieslinge) und die schlankeren. Das hängt eher von der Maischestandzeit als von den Öchsles ab.

Contra 3: der Konsument assoziert Prädikate mit "süß" Ich fürchte, das ist ein ernstzunehmendes Argument.
Contra 5: die Stilunterschiede zwischen den Prädikaten sind für "trockene" Weine lange nicht so deutlich wie für die Restsüßen. Vielleicht täusche ich mich da, aber siehe dazu Pro 2.

Auch wenn nun meine Antworten eher zu Contra tendieren, weiss immer noch nicht, wie man die deutlichen Stilunterschiede bei "trocknen"Rieslingen auch deutlich und legal verbindlich aufs Etikett bringen kann.
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BuschWein

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Re: Braucht man Prädikate für trockene Weine?

BeitragFr 11. Feb 2011, 16:58

Charlie es ist nicht notwendig alles auf dem Etikett zu kommunizieren.

Zum Thema Prädikate bei trockenen Weinen, ich denke nicht dass es diese im allgemeinen in 20 Jahren noch geben wird, selbst wenn diese gesetzlich noch erlaubt wären.
Armin
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pivu

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Re: Braucht man Prädikate für trockene Weine?

BeitragFr 11. Feb 2011, 17:09

Österreich hat diese in den letzten 20 Jahren so gut wie abgeschafft und das ist auch gut so. Die prominenteste Ausnahme sind die Substitute in der Wachau (Smaragd, Federspiel, Steinfeder), die aber gerade von den neuen Top-Betrieben wie Veyder-Malberg oder Pichler-Krutzler bewusst nicht angewendet werden. Das romanische Klassifikationssystem wird sich über kurz oder lang auch in D durchsetzen, zumindest in der Spitze. Dass im Supermarkt eine "Spätlese" leichter zu kommunizieren ist und werthaltiger scheint als z.B. ein "Katzenbuckel" ist historisch gewachsen.

Ciao
Peter
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Charlie

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Re: Braucht man Prädikate für trockene Weine?

BeitragFr 11. Feb 2011, 17:39

Guter Punkt: Österreich. Wie will man ohne Smaragd etc. die unterschiedlchen Stile kommunizieren? Oder sieht man einfach die Notwendigkeit nicht mehr?
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pivu

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Re: Braucht man Prädikate für trockene Weine?

BeitragFr 11. Feb 2011, 18:08

Charlie hat geschrieben:Guter Punkt: Österreich. Wie will man ohne Smaragd etc. die unterschiedlchen Stile kommunizieren? Oder sieht man einfach die Notwendigkeit nicht mehr?

Die Stilistik ist davon erst mal unabhängig. Die Lage (bzw. die Region im Falle der DAC) soll verstärkt kommuniziert werden, nicht der Zuckergehalt in der Traube, der ja nicht gleichbedeutend mit der physiologischen Traubenreife ist. Die Wachauer Klassifikation ist allerdings derart gut im (High-End-)Markt eingeführt, fungiert als Verkaufskriterium UND hat keinerlei negatives Image wie die im Weingesetz definierten Prädikate, dass es wirtschaftlich unklug wäre, darauf zu verzichten.

Ciao
Peter
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Bernd Schulz

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Re: Braucht man Prädikate für trockene Weine?

BeitragFr 11. Feb 2011, 21:03

Na, das ist natürlich eine Fragestellung, die es mir unmöglich macht, meinen Senf wegzulassen... :oops:

Ja, das Prädikatssystem halte ich auch im trockenen Weißweinbereich für eine sinnvolle Angelegenheit - zumindestens, was Kabinett und Spätlese trocken anbelangt. Die Prädikate ab Auslese kann man meinetwegen weglassen (wobei ich noch eine trockene Riesling-BA 89 von Meyer-Näkel mit schlappen 16 Volt im Keller habe :mrgreen:).

Warum? Weil "Kabinett" inzwischen als Begriff, der einen Typus vorgibt, etabliert ist und insofern gerade auch demjenigen Winzer, der vernünftig mit den Prädikaten umgeht (das ist natürlich Voraussetzung!) ein Leitbild, eine Art Zielvorstellung vorgibt. Ich denke, wenn dieses Leitbild begrifflich nicht mehr vorhanden wäre, würde es mit dem schlanken, filigranen trockenen Weinßweintyp noch weiter als bisher bergab gehen. Bezeichnenderweise fehlt er bei Betrieben, die sich im (pseudo :mrgreen: )trockenen Bereich von den Prädikaten verabschiedet haben - Van Volxem, Heymann-Löwenstein oder auch Herrenberg sind Beispiele - dann auch komplett. Und wenn er immer weiter von der Bildfläche verschwinden würde, würde ich das als ausgesprochene Verarmung empfinden. Ich trinke weiterhin gerne auch mal ein richtiges trockenes Geschoss, aber die trockenen Kabinette mit um die 11%, die rassigen, leichtfüßigen, trotzdem mineralisch-geschmackreichen Sommerweine oder wenig belastenden Essensbegleiter, die es außer in 08 zuletzt kaum noch gab, sind mir ebenfalls wichtig, sind Weine, die man so eigentlich nur in den nördlichen Anbaugebieten erzeugen kann, bedeuten mithin ein Alleinstellungsmerkmal. Früher hat man die Moselweine genau wegen ihrer "Leichtigkeit" besonders geschätzt, heute kann man sie vom Gewicht her in vielen Jahren kaum noch von Badensern oder Wachauern unterscheiden :( .

Allerdings glaube ich nicht, dass in 20 Jahren bei den Trockenen kein Prädikatssystem mehr existieren wird. Auch wenn manche Winzer und Händler :mrgreen: das propagieren, gibt es inzwischen doch auch wieder welche, die aus den oben angeführten Gründen an den Prädikaten quer durch alle Geschmacksrichtungen festhalten. Und darüber bin ich durchaus froh.

Beste Grüße

Bernd
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BuschWein

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Re: Braucht man Prädikate für trockene Weine?

BeitragSa 12. Feb 2011, 14:55

Das Problem der Prädikate bei den trockenen Weinen:

1. es gibt keine Obergrenze des Alkohols, bzw. der Zuckergradation in der Traube, sprich ich kann alles auch als Kabinett vermarkten, damit ist eben nicht gewährleistet, dass der Verbraucher bei einem Kabinett trocken wirklich einen Leichtwein bekommt. Außer an der Mosel und am Mittelrhein ist die Wahrscheinlichkeit einen echten Leichtwein zu bekommen sogar eher gering. Fast überall ist die Bezeichnung Kabinett eher eine Qualitätstufe als eine Typusbezeichnung.

2. Die Bezeichnung Spätlese trocken suggeriert bei vielen Kunden einen süßen Wein, weil Spätlese einfach immer noch als süß wahrgenommen wird. Der Kommunikationsaufwand ist enorm, den Kunden zu erklären, dass das doch ein trockener Wein ist. Ich wollte mir das als Winzer nicht antun.

3. Ich brauche bei einem trockenen Wein die Prädikatsangabe auch gar nicht um den Typus zu erkennen, ein Blick auf die Alkoholangabe genügt, steht da 11,5 oder weniger, weiß ich was mich erwartet. Bei restsüßen Weinen ist das aber nicht der Fall, insofern ist da die Prädikatsangabe wirklich sinnvoll.

Und nur weil es die Bezeichnung Kabinett gibt hat sich da doch kein bestimmter Weintypus durchgesetzt, gerade im Einstiegs- bis Mittelklassesegment muss der Winzer produzieren was nachgefragt wird. Wollen alle leichte Weine, wird es diese Weine geben, wenn nicht dann nicht. Ein Wort macht keinen Markt.
Armin
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AH.

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Re: Braucht man Prädikate für trockene Weine?

BeitragSa 12. Feb 2011, 21:29

Die Prädikate ab Auslese kann man meinetwegen weglassen (wobei ich noch eine trockene Riesling-BA 89 von Meyer-Näkel mit schlappen 16 Volt im Keller habe

Hallo Bernd,

ich bin argumentativ ganz bei Dir. Übrigens habe ich eine trockene Traminer-Beerenauslese mit 16 %vol im Keller (Retzsch-Gut, Dresden - so eine Art Hobbywinzer, der ca. 2000 m2 bewirtschaftet). Das absolut sensationeller Stoff, ein wirklich ganz, ganz großer Weißwein. Sowas brauche ich nicht immer, aber einmal im Jahr ist es toll.

Gruß

Andreas
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Charlie

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Re: Braucht man Prädikate für trockene Weine?

BeitragMo 14. Feb 2011, 13:53

pivu hat geschrieben: Die Stilistik ist davon erst mal unabhängig. Die Lage (bzw. die Region im Falle der DAC) soll verstärkt kommuniziert werden, nicht der Zuckergehalt in der Traube, der ja nicht gleichbedeutend mit der physiologischen Traubenreife ist.
Du siehts ja an der Diskussion hier, dass die Prädikate auch bei trockenen Weinen nicht so sehr den Zuckergehalt des Mostes sondern eben einen Stil audrücken sollen. Was sie in D tatsächlich auch oft tun. Deshalb die Frage: wie würde man in Ö leichte von kräftigeren trockenen Weinen unterscheiden? Oder sieht man dort das Problem einfach nicht und geht (wie manche deutsche Winzer und Konsumenten) einfach nach dem Preis: je teurer desto fetter?
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pivu

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Re: Braucht man Prädikate für trockene Weine?

BeitragMo 14. Feb 2011, 13:59

Charlie hat geschrieben:
pivu hat geschrieben: Die Stilistik ist davon erst mal unabhängig. Die Lage (bzw. die Region im Falle der DAC) soll verstärkt kommuniziert werden, nicht der Zuckergehalt in der Traube, der ja nicht gleichbedeutend mit der physiologischen Traubenreife ist.
Du siehts ja an der Diskussion hier, dass die Prädikate auch bei trockenen Weinen nicht so sehr den Zuckergehalt des Mostes sondern eben einen Stil audrücken sollen. Was sie in D tatsächlich auch oft tun. Deshalb die Frage: wie würde man in Ö leichte von kräftigeren trockenen Weinen unterscheiden? Oder sieht man dort das Problem einfach nicht und geht (wie manche deutsche Winzer und Konsumenten) einfach nach dem Preis: je teurer desto fetter?

Am einfachsten mit Blick auf den Alkoholgehalt, ganz einfach. Dazu wurde für DAC-fähige Weine eigens die Kategorie Reserve geschaffen.

Ciao
Peter
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