Aktuelle Zeit: Do 28. Mär 2024, 23:51


Melsheimer

  • Autor
  • Nachricht
Offline

Kle

  • Beiträge: 948
  • Registriert: Fr 10. Dez 2010, 17:18
  • Wohnort: Hamburg

Melsheimer

BeitragSa 7. Okt 2017, 21:16

„Melsheimer Riesling 2016. Trocken. Mosel“ – keine großen Worte auf dem Etikett für einen außerordentlichen Wein. Ich hatte in Reil beim Weingut Melsheimer die Gelegenheit, aus ihrer aktuellen Kollektion zu probieren. Verschnupft und etwas in Eile nickte ich immer nur mit dem Kopf: Ja, ja, gut, gut. Zu gut, vermutete ich, meine Wahrnehmung musste vom hübschen Ort und der auskunfts- und ausschenkfreudigen Winzerfamilie beeinflusst sein. Später bei Sturmwinden das erste Mitbringsel in Ruhe getrunken: Ein Wein (10.5 % vol, ökologisch) mit Aussagekraft und Dynamik, der die Aufmerksamkeit wachhält. Das hat mit seiner wunderbar uncremigen Textur zu tun, fest und aufgeraut. Da ist gleichzeitig eine Plastizität geradezu zum Hineingreifen und Abtasten, welche Feinheiten sich unter der ausgeprägten Säure-Citrus-Hülle abspielen. Bemerkenswert nach längerer Luftzufuhr auch einnehmender Jasmintee ohne störenden Gerbstoff.
Dies ist kein 90 Punkte-Gutswein, öfter auch ungelenk und sich am Säuregerüst festhaltend, aber für mich in der Kategorie eine wertvolle Entdeckung.

Gruß, Kle
—People may laugh as they will—but the case was this.
Tristram Shandy
Offline

Lurchus

  • Beiträge: 70
  • Registriert: Di 13. Mai 2014, 17:15

Re: Melsheimer

BeitragFr 13. Okt 2017, 14:40

Hab da immer mal wieder was von gehabt, die Kabinette, ob feinherb oder fruchtsüß, fand ich bisher immer, gerade für den aufgerufenen Preis, sehr gut. Ja, etwas "Kante" haben die immer- was ich ehrlich gesagt eher positiv empfinde. ;)
Offline

Kle

  • Beiträge: 948
  • Registriert: Fr 10. Dez 2010, 17:18
  • Wohnort: Hamburg

Re: Melsheimer

BeitragMo 23. Okt 2017, 13:27

Nach den unerwarteten Qualitäten des „Riesling trocken“ konnten die ersten Schlucke vom 2015er „Molun“ trocken, womit der steilste Part des Reiler Mullay- Hofberges bezeichnet wird, nicht ganz unbefangen genossen werden. Aber natürlich lässt sich die relative Finesse des ersten nicht einfach auf den Lagenwein „hochrechnen“, der einen ganz anderen Ansatz hat.
Citrus-und Stachelbeernoten erscheinen etwas zu durchdringend, etwas ungehobelt. Das legt sich, und was den Wein bald ähnlich wie den Gutswein auszeichnet, ist ein feines Gewebe innerhalb der grelleren Umgebung: Floral anmutende Aromen, in deren Genuss man sich versenken und denen man nachspüren kann. Der Eindruck vergeht nach sehr langem Luftkontakt, dann machen säuregeprägte Aromen den Wein einseitiger und flattriger. Aber erneut eine Flasche mit spannend zu beobachtender Originellität, der Reifungsjahre gut tun müssten.

Gruß, Kle
—People may laugh as they will—but the case was this.
Tristram Shandy
Offline

Kle

  • Beiträge: 948
  • Registriert: Fr 10. Dez 2010, 17:18
  • Wohnort: Hamburg

Re: Melsheimer

BeitragDo 30. Mai 2019, 18:35

nach meiner anfänglichen Begeisterung für Melsheimer-Weine war ich mir über meine Einschätzung nicht mehr ganz sicher. Mit Reiler Mullay-Hofberg Riesling „Kellerchen“ 2016 verstehe ich mich wieder.
Schöne hellgelbe klare Farbe, die kaum erwarten lässt, wie der Wein dann mit Säure-süß Aromen zupackt (obwohl er natürlich nicht süß ist). Dichte, zitrusfrische Oberfläche mit anregendem Aromenspiel – damit lässt er es zum Glück nicht bewenden. In der Tiefe ist er sehr zart gezeichnet und beweglich wie mit feinen Aromen eines nicht lange gezogenen Tees. Am Rand auch angenehme, wie abgeschliffene Bitternoten.
Mit längerem Luftkontakt dominiert Citrusfrucht mit markanter Säure, die wie durch einen Schuss Sahne in einem herben Getränk gezähmt und aufgebrochen ist. Und dann gibt es noch einen recht konstanten dunklen steinigen Ton, der im Wein einen geheimnisvollen Kontrapunkt setzt.
Diese einzelnen Phänomene erklären für mich nicht, warum ich diesen Wein spannend und vieldeutig fand. Auf seltsame Weise schaffen es manche Weine, über das Aromatische hinaus eine Art Kommunikation aufzubauen, die selbst aus einer einfachen Fruchtanmutung ein Erlebnis macht.

Gruß, Kle
—People may laugh as they will—but the case was this.
Tristram Shandy
Offline

Michl

  • Beiträge: 1208
  • Registriert: Di 22. Okt 2013, 18:04

Re: Melsheimer

BeitragMi 7. Dez 2022, 19:33

Nach den extrem hohen Bewertungen für die Weine von Melsheimer im aktuellen Vinum-Guide, habe ich mir einen Sixpack bestellt, mehrheitlich Naturweine. Abgesehen von der bereichernden Erfahrung mit Tennstedt (danke, Carsten) muss ich zugeben, dass mir Naturweine bsiher verschlossen blieben. Ich hatte aber auch entsprechend wenige im Glas (dein Urteil, lieber Bernd, zu Seckinger kann ich voll nachviollziehen. Für mich waren die mir bekannten Weine schwach bis richtig mies).
Der erste Wein ist ein PétNat. Melsheimer hat aktuell 7 Schäumer-Varianten im Angebot, was meiner momentanen Vorlieber sehr entgegenkommt. Und der Wein ist saugut! Die 91 Vinum-Punkte kann ich zwar beim besten Willen qualitativ nicht sehen, weil der Wein null Komplexität zeigt – müsste ich punkten, dann so 85-86 P - aber gemessen an meiner Freude mit dem Schäumer sind es deutlich mehr als 91 P.

Bild
Viele Grüße

Michl
Offline
Benutzeravatar

EThC

  • Beiträge: 8122
  • Bilder: 27
  • Registriert: Fr 27. Feb 2015, 16:17
  • Wohnort: ...mal hier, mal dort...

Re: Melsheimer

BeitragMi 7. Dez 2022, 19:47

Michl hat geschrieben:(dein Urteil, lieber Bernd, zu Seckinger kann ich voll nachviollziehen. Für mich waren die mir bekannten Weine schwach bis richtig mies)
... :lol: :lol: :lol: , ein FreßSauffeind weniger! :D
Viele Grüße
Erich

Nicht was lebendig, kraftvoll, sich verkündigt, ist das gefährlich Furchtbare. Das ganz Gemeine ist's
DAS EWIG GESTRIGE
was immer war und immer wiederkehrt und morgen gilt, weil's heute hat gegolten.

https://ec1962.wordpress.com/
Offline

Michl

  • Beiträge: 1208
  • Registriert: Di 22. Okt 2013, 18:04

Re: Melsheimer

BeitragMi 21. Dez 2022, 19:14

Ich habe ja Probleme mit Naturweinen. Selten hatte ich sie im Glas, noch seltener haben sie mich abgeholt (z.B. Tennstedt). Nicht selten fand ich sie grauenhaft.
Heute habe ich mit dem Vade Retro ein Exemplar im Glas, das im aktuellen Vinum-Führer 93 P (!!!) bekam. Ich finde ihn einfach nur schauderhaft. Stünde mir der Thread "Wein des Jahres" näher, würde ich ihn wohl dort als Flop des Jahres einstellen, vor allem weil der Wein mir zunächst in der Nase ungemein gefallen, ja mich regelrecht in sich gezogen hat. Da öffnete sich ein faszinierender und hochindividueller Duftraum...
Aber der Geschmack! Meine Güte ist das scheußlich! Doch, das kann man trinken..., vielleicht kann man das auch in einer hippen Weinbar als gegen den Mainstream gebürstetes Trendgetränk abfeiern (Dazu Deichkind: "richtig gutes Zeug"), aber ich bin hier völlig raus...

Bild
Viele Grüße

Michl
Offline

amateur des vins

  • Beiträge: 4271
  • Bilder: 10
  • Registriert: Sa 10. Mär 2012, 21:47
  • Wohnort: Berlin

Re: Melsheimer

BeitragMi 21. Dez 2022, 19:33

Lol ymmd! :lol:

Meine Naturweinaffinität ist anscheinend ähnlich ausgeprägt wie Deine, einschließlich Tennstedt als Nadel im Heuhaufen. Deshalb spricht mir Dein Verriß aus der Seele, abstrakt gesprochen.

Ich hatte letztens einen Bojo-Beifang, der sich leider ebenfalls als Naturwein-Groteske (ich mag den Begriff!) entpuppte. Sicherlich gänzlich anders, aber nicht minder grauslich. Das Resultat war, daß seit mehreren Wochen eine Flasche im WK steht, von deren Inhalt nachzuverkosten mich innere Kräfte magisch abhalten. Und zwar so sehr, daß ich die Flasche nicht mal anfasse, um den Inhalt wegzukippen.

Ich weiß kaum noch etwas darüber, außer, daß es mich abgestoßen hat. Aber danke für den schönen Rant - ich denke, ich werde gleich mal zu besagter Flasche gehen, meine Widerstände überwinden und nachverkosten, um die Flasche dann sogleich in den Ausguß zu entleeren.

Aber vielleicht ist ja inzwischen ein Wunder geschehen? :? :mrgreen:
Besten Gruß, Karsten
Offline

Michl

  • Beiträge: 1208
  • Registriert: Di 22. Okt 2013, 18:04

Re: Melsheimer

BeitragMi 21. Dez 2022, 19:55

amateur des vins hat geschrieben:Das Resultat war, daß seit mehreren Wochen eine Flasche im WK steht, von deren Inhalt nachzuverkosten mich innere Kräfte magisch abhalten.


Auf geht's , Karsten, du schaffst das! :D Ich habe den Vade Retro auch noch nicht weggeleert und will mich morgen noch einmal überwinden. Bei mir ist es aber eher der schwäbische Geiz als begründete Hoffnung... mal schaun...
Viele Grüße

Michl
Offline

Kle

  • Beiträge: 948
  • Registriert: Fr 10. Dez 2010, 17:18
  • Wohnort: Hamburg

Re: Melsheimer

BeitragMi 21. Dez 2022, 20:41

„Naturweine“ sind Weine wie alle anderen auch. Es ist in dem Bereich ebenso schwer wie überall, Gutes zu finden. Eher schwerer, weil gerade die größere Freiheit eine besondere Könnerschaft erfordert. Ich habe einmal anders gedacht und geglaubt, sie seien per se aufregender und lebendiger als konventionelle, aber das ist Quatsch. Misstrauisch werde ich, wenn auf Etiketten der Naturel, Orange oder Retro- Style plakativ ins Auge fällt,als wolle der Winzer auf einen Zug aufspringen.
Es hätte mich gefreut, wenn ich den Retro vor einigen Jahren so krass wie Michl empfunden hätte. Mich provozierte er nicht, sondern sagte mir nicht genug. Es ist schön, dass sich Michl mit dem Weingut beschäftigt, von dem ich einmal dachte, es könne ein Liebling von mir werden. Dann kamen Ernüchterungen, aber die großen Momente sind mir immer noch präsent und wert, der Sache besser auf den Grund zu gehen...
—People may laugh as they will—but the case was this.
Tristram Shandy

Zurück zu Mosel

Wer ist online?

Mitglieder in diesem Forum: 0 Mitglieder und 11 Gäste

Impressum - Nutzungsbedingungen - Datenschutzrichtlinie - Das Team - Alle Cookies des Boards löschen