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2019 Ortenau (Axel Bauer) vs. Kaiserstuhl (Bercher)

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thdeck

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2019 Ortenau (Axel Bauer) vs. Kaiserstuhl (Bercher)

BeitragMi 9. Aug 2023, 22:43

2019 ist der erste Jahrgang des Weinguts Axel Bauer (Bühl, Ortenau), der vom Kellermeister Torsten Klein ohne Mitarbeit des Vorbesitzers (Dujin) vinifiziert wurde. Um ihn einzuschätzen (Typizität und Qualität), benötigte ich einen Vergleichswein derselben Preisklasse. Die Wahl fiel auf Bercher (Kaiserstuhl). Die Kandidaten waren also:

2019 Pinot Noir Badischer Landwein „Premier Vin“, Axel Bauer (Bühl), 39 Euro
2019 Burkheim Feuerberg Kesselberg GG, Spätburgunder, Bercher (Burkheim), 41 Euro

Hier die beiden Kurznotizen:

„Landwein“ (Axel Bauer):
1. Tag: in der Nase Kirsche+Brombeere; im Mund dicht, mit Frucht (Kirsche), Holz, Säure, und doch etwas weich; später: schöne Balance, Kirsche+X, Holz ist weg
2. Tag: deutlich tiefer als Bercher, auch Säure; neigt phasenweise etwas zur Schwere
3. Tag: sehr gut in Form, Rumkirschen, intensiv, mit Struktur
Fazit: 91 Punkte

Feuerberg Kesselberg (Bercher):
1. Tag: in der Nase Walderdbeere, Röstaromen; im Mund dicht, Röstaromen, Leder, Walderdbeere, recht weich, auch Säure; recht elegant; später etwas weniger fokussiert, mehr Säure, Walderdbeere, typisch Kaiserstuhl
2. Tag: reintönig (Erdbeere+Kirsche), Säure, könnte aber komplexer/tiefer sein
3. Tag: mehr Säure als Bauer, Erdbeerfrucht, etwas ruppig
Fazit: 89 Punkte

Warum hat der Landwein gewonnen?

Einerseits hatte Berchers GG in der Vergangenheit durchaus schon mal 91 Punkte (z.B. 2017+2018). Aber dieses Mal hatte ich den Eindruck, dass etwas zu früh geerntet wurde. Die Kaiserstühler werden ja schnell etwas „hitzig“. Dieses Mal erschien er mir, bei aller Typizität, dann doch etwas zu „ruppig“ für 90 oder mehr Punkte.

Andererseits wurde beim „Landwein“ offensichtlich viel Aufwand betrieben. Diese Eleganz findet man in der Ortenau selten. Ich behaupte nach wie vor, dass Ortenauer Spätburgunder, wenn man sie nicht zu spät erntet, eine Tendenz zur Brombeer-Aromatik haben. Aber hier war das nur ein Aroma unter vielen.
Ja, ich finde es immer noch suboptimal, dass so eine Leistung als „Landwein“ vermarktet wird. Im Weingut gibt man sich diesbezüglich sehr selbstbewusst, aber ich frage mich wirklich, ob der Kunde langfristig bereit ist, 39 Euro für einen „Landwein“ hinzulegen. Eigentlich ist es ein „Premier Cru“. Und der „Grand Cru“ desselben Weinguts wird noch folgen: „Badischer Landwein Grand Vin“, 59 Euro. Ob das auf Dauer gut geht? Aber: Die Qualität scheint zu passen...
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Udo2009

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Re: 2019 Ortenau (Axel Bauer) vs. Kaiserstuhl (Bercher)

BeitragDo 10. Aug 2023, 08:37

Lass mich raten... dann haben die Weine von Axel Bauer auch keine A.P.Nr. sondern "nur" eine Lot-Nummer?

Er lehnt dieses System ab?

Gibt da noch einen Winzer - Thoms Molitor - dessen Weine haben auch nur eine Lot-Nr. weil das System abgelehnt wird.
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EThC

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Re: 2019 Ortenau (Axel Bauer) vs. Kaiserstuhl (Bercher)

BeitragDo 10. Aug 2023, 10:33

thdeck hat geschrieben:Ja, ich finde es immer noch suboptimal, dass so eine Leistung als „Landwein“ vermarktet wird. Im Weingut gibt man sich diesbezüglich sehr selbstbewusst, aber ich frage mich wirklich, ob der Kunde langfristig bereit ist, 39 Euro für einen „Landwein“ hinzulegen.
...ich habe schon des Öfteren mit Winzern gesprochen, die sich -nicht nur in D- vom Qualitätsweinprinzip (oder DO, DOC, AOP, DAC etc.) verabschiedet haben, weil sie die Gängelungen der Weinobrigkeit satt hatten. Sie alle haben übereinstimmend gesagt, daß sie mit der Abkehr von der Prüfnummer keine Flasche Wein weniger oder zu geringeren Preisen verkaufen würden. Insbesondere in Österreich scheint man von offizieller Seite in letzter Zeit ziemlich exzessiv auf die Typitizitätskarte zu setzen, weshalb immer mehr der spannendsten Weine des Landes "nur" noch Landwein oder gar Wein sind.

Wenn man Wein etwas "neben der Spur" machen will und die Forderungen der Prüfer zur Erlangung der Prüfnummer nicht umsetzen will, bleibt einem nichts anderes übrig, es reicht ja schon, wenn der Wein nicht filtriert ist und seien es nur minimalste Trübungen, die erkennbar sind.

Es ist einfach schon lange nicht mehr so, daß die Prüfnummer irgendwas über die Qualität aussagt, sie ist lediglich die Bestätigung, daß ein mehr oder weniger straff gefaßter Rahmen in der Weinherstellung -incl. Geschmacksdiktat- eingehalten wurde. Viele meiner besten (und teuersten) Weine sind Landweine und Weine, mittlerweile ist es bei mir sogar so, daß ich bei Weinen mit Prüfnummer eher denke, ob die nicht ein bißchen arg angepaßt, beliebig, langweilig sein könnten...

Interessant hierzu auch folgender Artikel von Franz Weninger:

https://weninger.com/de/ideas/stolen-origin
Viele Grüße
Erich

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Udo2009

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Re: 2019 Ortenau (Axel Bauer) vs. Kaiserstuhl (Bercher)

BeitragDo 10. Aug 2023, 11:55

Aha! Interessant!

Der Artikel erklärt, warum auch der Orange Grauburgunder vom Weingut Geheimer Rat Dr. von Bassermann-Jordan (ein Wein aus einem Probepaket) "nur" eine Lot-Nr. anstatt einer A.P.Nr. hat.
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Dominik Mueller

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Re: 2019 Ortenau (Axel Bauer) vs. Kaiserstuhl (Bercher)

BeitragDo 10. Aug 2023, 12:07

Ein interessanter, mir unbekannter Wein. Danke für den Post!

War es bei Velich oder den Super-Toskanern nicht auch so? Qualität wird sich immer am Markt behaupten.
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olifant

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Re: 2019 Ortenau (Axel Bauer) vs. Kaiserstuhl (Bercher)

BeitragDo 10. Aug 2023, 12:37

Dominik Mueller hat geschrieben:Ein interessanter, mir unbekannter Wein. Danke für den Post!

War es bei Velich oder den Super-Toskanern nicht auch so? Qualität wird sich immer am Markt behaupten.


Gilt m.E. für Supertoskaner eher nicht. Supertoskaner waren und sind i.d.R. nach "klassischer" Weinbereitung erzeugte Weine. Die damalig bestehenden DOC und DOCG deckten diese Weinkategorie aufgrund der zumeist "neu" verwendeten Rebsorten schlicht nicht ab, was zu einer "Deklassierung" als VdT sorgte. Inzwischen sind in vielen Toskanischen Regionen die DOC/G Regularien entsprechend angepasst oder es wurden neue DOC/G geschaffen, um diese Weine "qualitativ" zu erfassen.

"Natur-", "Orange-" und Amphoren-Weine sind nach meiner Auffassung anders gelagerte Fälle. Deren Winzer haben eher ein anderes "Weinverständnis" und deklassieren dem zu Folge auch gerne "freiwillig" um dies als Merkmal herauszustellen.
Grüsse

Ralf

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Re: 2019 Ortenau (Axel Bauer) vs. Kaiserstuhl (Bercher)

BeitragDo 10. Aug 2023, 13:53

olifant hat geschrieben:Gilt m.E. für Supertoskaner eher nicht.
...bin da zwar sicher nicht so up to date wie Du, aber nach meiner -hier allerdings etwas eingeschränkten- Wahrnehmung haben's die meisten Supertoskaner doch nur vom VdT zum IGT -also dem italienischen Landwein- geschafft.
olifant hat geschrieben:"Natur-", "Orange-" und Amphoren-Weine sind nach meiner Auffassung anders gelagerte Fälle. Deren Winzer haben eher ein anderes "Weinverständnis" und deklassieren dem zu Folge auch gerne "freiwillig" um dies als Merkmal herauszustellen.
...wenn man Naturwein macht, ist man quasi automatisch raus, das hat mit Freiwilligkeit (auch in Gänsefüßchen) nichts zu tun. Und "Amphore" führt nicht zwangsläufig zum Landwein, es gibt genügend Beispiele für Weine dieser Art mit Prüfnummer...
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Dominik Mueller

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Re: 2019 Ortenau (Axel Bauer) vs. Kaiserstuhl (Bercher)

BeitragDo 10. Aug 2023, 14:57

olifant hat geschrieben:Gilt m.E. für Supertoskaner eher nicht. Supertoskaner waren und sind i.d.R. nach "klassischer" Weinbereitung erzeugte Weine. Die damalig bestehenden DOC und DOCG deckten diese Weinkategorie aufgrund der zumeist "neu" verwendeten Rebsorten schlicht nicht ab, was zu einer "Deklassierung" als VdT sorgte. Inzwischen sind in vielen Toskanischen Regionen die DOC/G Regularien entsprechend angepasst oder es wurden neue DOC/G geschaffen, um diese Weine "qualitativ" zu erfassen.

"Natur-", "Orange-" und Amphoren-Weine sind nach meiner Auffassung anders gelagerte Fälle. Deren Winzer haben eher ein anderes "Weinverständnis" und deklassieren dem zu Folge auch gerne "freiwillig" um dies als Merkmal herauszustellen.

Ich widerspreche höflich. In Italien entsprach die Verwendung von in Frankreich gängigen Rebsorten damals auch einem "anderen Weinverständnis". Die Winzer entschieden sich aus ihrer Überzeugung heraus ebenfalls bewusst für die Deklassierung. Die Nachfrage am Markt und die Akzeptanz dieser Weine mag mit der Zeit zu Anpassungen einzelner DOCs geführt haben, wobei mein Wissensstand auch ist, dass in der Toskana quasi mit IGT eine eigene Kategorie geschaffen wurde.

Beim Thema Naturwein kann sich die Lage eines Tages ebenso entwickeln. Finde das also schon vergleichbar.
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thdeck

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Re: 2019 Ortenau (Axel Bauer) vs. Kaiserstuhl (Bercher)

BeitragSa 12. Aug 2023, 00:28

Das Problem ist: Der besagte Wein von Axel Bauer ist kein bisschen "Naturwein". Es ist einfach ein Top-Spätburgunder. Also nicht mal mit "unüblichen" Rebsorten.

Ortenau = Riesling + Spätburgunder

Der Inhaber des Weinguts (Neugründung) will sich einfach vom Mainstream etwas absetzen. Nicht mit der Typizität, aber mit der Etikettierung. Aber ich habe Zweifel, dass das bei den Preisen auf Dauer funktioniert.

Ich kenne in der Ortenau fast alle Spätburgunder über 30 Euro, und das seit über 20 Jahren. Die liegen wie Blei im Keller, selbst wenn die Qualität passt. Es gab schon mehrere Betriebsaufgaben oder Pleiten. Die Ortenau hat nicht das Standing von Burgund. Nicht mal das vom Kaiserstuhl.

Nur leider wird ein Ortenauer nicht dadurch zu 50 Euro in die USA verkauft, dass man "Bühlertal Engelsfelsen" auf das Etikett schreibt. Aber irgendwann muss man halt mal anfangen. Wenn ich im südlichen Burgund z.B. in der recht unscheinbaren Gemeinde Rully ein Weingut besuche, dann sind die Preise zwar recht zivil (20-30 Euro der 1er Cru), aber es gibt maximal den aktuellen Jahrgang, der Rest ist ausverkauft. Und man sieht jede Menge Paletten mit Adressen Paris, Schweden, USA, etc. Weil selbst "Rully 1er Cru" einen klangvollen Namen hat. "Sinzheim erste Lage" noch nicht. Aber irgendwann muss man anfangen...
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Udo2009

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Re: 2019 Ortenau (Axel Bauer) vs. Kaiserstuhl (Bercher)

BeitragSa 12. Aug 2023, 08:54

Hm... ein Problem wird dabei wohl sein, dass die Ortenau/der Landkreis Ortenau nördlich vom Kaiserstuhl liegt. (Jede Google-Suche landet da...) Bühlertal ebenso, das Weingut Axel Bauer aber am Bodensee nördlich von Nonnenhorn.
Da den Bezug zur Ortenau herzustellen.... :?
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