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Spätb. 2009: Fendt (Ortenau) vs. Schneider (Kaiserstuhl)

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thdeck

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Spätb. 2009: Fendt (Ortenau) vs. Schneider (Kaiserstuhl)

BeitragSa 9. Nov 2013, 02:34

"Fendt Weinfamilie" ist ein Newcomer, aber inzwischen schon beim Gault Millau gelistet (ab Jahrgang 2010). Wir reden von der Ortenau, und da muss ich jeden Newcomer beachten, zumindest bei entsprechendem Qualitätsanspruch. Letzteres ist am Preis abzulesen, und 22 Euro heißt: Wir wollen etwas bieten.

Natürlich missbrauche ich das Thema auch für meine üblichen Boden- oder besser: Gebietsvergleiche. Der Vergleichswein kommt von einem sehr renommierten Kaiserstuhl-Weingut, R+C Schneider, wobei der gewählte Wein ("R") explizit vom Vulkanverwitterungsboden kommt.

Vorab eine kleine Kritik an dem Fendt-Wein, die im Übrigen auf fast die gesamte Ortenau zutrifft:
Aus welcher Zone kommt der Wein denn jetzt tatsächlich? Das ist am Etikett nicht erkennbar. Warum gibt es kaum rote(!) Lagenweine aus der Ortenau? Da müssen sich die Ortenauer nicht wundern, wenn die Kaiserstühler bekannter sind. Jaja, R+C Schneider ist da nicht das ideale Vorbild. Aber immerhin ist klar, dass der Wein aus Endingen kommt und auf Vulkanverwitterungsboden wächst (zu erkennen an dem "R"). Natürlich habe ich mich bei Fendt erkundigt: Die Lagen sind in Steinbach und Altschweier. Also typische Granit-Lagen in der nördlichen Ortenau. Wobei in Steinbach ("Stich den Buben") nicht Granit im streng geologischen Sinne vorliegt. Aber das dortige Gestein hat die chemischen Eigenschaften von Granit. Bei dem Weinvergleich geht es also mal wieder um Granit vs. Vulkan:

2009 Baden Spätburgunder QbA "ZWEINULLNEUN", Fendt Weinfamilie
14 % Alk., 22 Euro

2009 Kaiserstuhl Spätburgunder QbA "R", R.+C. Schneider (Endingen/Kaiserstuhl)
13,5% Alk., 21 Euro
Gault Millau 91 Punkte (-2020)

Kurznotiz zum Fendt:
Nase null, bzw. später grün/pflanzlich; im Mund mittlere Dichte, Grünton, und doch intensiv; Sauerkrautton (nur ganz am Anfang); Granit-Rauchigkeit, typ. Ortenau; Hauch "Treppengeländerton" (siehe Duijn), hier aber vernachlässigbar; phasenweise auch alkoholisch; 2. Tag Brombeere mit Grünton; leichter Bitterton (nicht negativ): ziemlich dicht; auch Alkohol; Ortenau bzw. Granit klar erkennbar; ambitioniert gemacht, hohe Qualität, aber Balance steht auf der Kippe; 88 Punkte

Kurznotiz zum Schneider:
intensive Nase, Kirsche, Kirschkompott; im Mund sehr dicht, Weihnachtsgebäck, Zimt, Rumkirsche; Backpflaume; ist sehr hochwertig, aber man hätte gerne mehr Frucht als Zimt; Textur typisch für Kaiserstuhl/Vulkan, ist komplexer als Granit; recht üppig, phasenweise etwas süß, aber nicht vordergründig; 90 Punkte, mit Hoffnung auf mehr Balance in 2 Jahren

Fazit:

Zunächst mal bin ich sehr zufrieden, dass beide Weine die jeweilige Boden- bzw. Gebietscharakteristik gezeigt haben. Beim Granit habe ich sie oben beschrieben. Beim Vulkan erkenne ich sie zwar (unterscheidet sich klar von der Ortenau und von Burgund), kann sie aber nicht gut in Worte fassen. Da muss der Leser halt selbst aktiv werden. Kauft Schneider, Johner, Salwey, ectc.

Ich sag's nur ungern, aber es scheint so zu sein: Die Ortenauer Spätburgunder haben es nicht ganz leicht. Im Vergleich zum Kaiserstuhl oder Burgund fehlt es ihnen etwas an Rasse bzw. Komplexität. Früher nannte man die Ortenauer Spätburgunder "weich" und "samtig" und gab ihnen etwas Restzucker dazu. Ohne Restzucker nimmt man eher etwas Rauchiges wahr. Im negativen Fall Richtung "Treppengeländerfarbe" (der Begriff ist meine eigene Erfindung), wie 2004-2007 bei Duijn (seltener auch bei Nägelsförst), im positiven Fall fruchtbetont (Richtung Brombeere) und etwas "kratzig", wie manchmal bei Schloss Eberstein. Kopp setzt manchmal auf maximale Konzentration, was dann in Richtung Rumtopf und alkohollastig geht, aber konzentrierter als hier bei Fendt. Wobei ich persönlich nicht die maximale Konzentration, sondern Klarheit, Reintönigkeit und Balance suche, was allerdings immer noch eine gewisse Konzentration erfordert...

Woraus aber nicht folgt, dass im Kaiserstuhl oder in Burgund die bessern Pinot Noirs wachsen. Theoretisch mag inbesondere in Burgund das Potenzial am höchsten sein (wg. Kalk). Aber in der Praxis findet man auch viel dünne und säurelastige Burgunder. Außerdem nervt mich in Burgund immer wieder ein Brett-Ton (Brettanomyces), den es in Baden nicht zu geben scheint. Im Kaiserstuhl tritt dafür gehäuft "Prickeln" auf, also leichtes Moussieren, gerade auch bei den Spitzenweingütern.

Letztendlich hat jede der drei Regionen eine gewisse Grundcharakteristik, die man möglichst reintönig gerne wiederfinden würde. In der Hinsicht war der Schneider-Wein schon recht nah am Ideal. Perfekt wäre er ohne das viele Zimt, dafür mit mehr Frucht. Beim Fendt-Wein ist die Granit-Typizität klar zu erkennen. Der Grünton ist zwar überraschend für 2009, muss aber als Ermessensspielraum der Erzeugers akzeptiert werden. Der Alkoholeindruck stört etwas, auch im Vergleich zu Schneider. Wir reden immer noch von einem außergewöhnlich guten Wein, der manchem 30-Euro-Wein ebenbürtig ist. Der sich aber von den 18-Euro-Weinen nicht klar genug absetzt. Aber dennoch so interessant ist, dass man auch die späteren Jahrgänge von diesem Wein haben will...


Thomas Deck

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