Do 27. Okt 2016, 21:36
Anlässlich eine geschäftlichen Aufenthalts im Rheingau dachte ich, ich könnte trotz des allgemeinen Rheingau-Bashings mal wieder ein paar Rheingauer Rieslinge einkellern. Nach einiger Überlegung habe ich mich für einen Besuch bei Spreitzer entschieden, von dem ich vor ein paar Jahren einige Weine recht ansprechend fand. Alles in allem erwies sich das als eine recht gute Entscheidung.
Die Weine wurden mir von einem der beiden Spreitzer-Brüder präsentiert, der bei der Gelegenheit gründlich über die konfusen VDP-Bezeichnungsregeln gemoppert hat, womit er bei mir natürlich offene Türen einrennt. Spreitzer ist seit 1999 Mitglied im VDP und hält sich penibel an die Regeln des Verbandes, nutzt aber die Spielräume nicht aus - z.B. wird außer bei den GGs auf eine Erwähnung des Klassifizierungsstatus der jeweiligen Lagen auf Etikett und / oder Kapsel auch dort verzichtet, wo das grundsätzlich möglich wäre.
Bei der Verkostung habe ich mich mit einer Ausnahme auf 2015er beschränkt - die trockenen Weine mit Lagenangabe sowie drei restsüße Weine aus dem Oestricher Lenchen. Dazu kam noch ein GG aus 2014.
Die 15er sind allesamt von einer kräftigen, aber nicht spitzen oder gar grünen Säure geprägt, die zumindest hier und da weniger säuretolerante Weintrinker auf eine harte Probe stellen dürfte. Mir hat's gut gefallen.
Oestricher Doosberg "Alte Reben" trocken 2015 Harmonisch und ausgewogen, recht fein, die Säure zwar präsent, aber gut eingebunden, insgesamt ziemlich "mainstreamig" und ohne besonders hervortretende Eigenschaften, gut zu trinken, aber vielleicht etwas langweilig.
Hallgartener Hendelberg "Alte Reben" trocken 2015 Aus einer der höchsten Lagen im Rheingau, hier ist es kühler als im Doosberg, was man dem Wein auch sofort anmerkt: deutlich säurebetonter (hier dürfte für manchen Trinker die Toleranzgrenze überschritten sein), rassig, mit mineralischem Zug und großer innerer Spannung, wirkt völlig trocken. Für mich deutlich interessanter als der Doosberg, absolut erstklassig und sein Geld (13,30 Euro ab Hof) mehr als wert.
Wisselbrunnen GG 2015 Mehr Substanz als der leichtfüssig daherkommende Hendelberg, deutlich dichter, aber zeigte sich in der Nase unentwickelt und im Gaumen ziemlich verschlossen. Schwierig zu verkosten, könnte aber gut werden.
Rosengarten GG 2015 Eine warme Lage, direkt gegenüber vom Weingut und damit quasi im Ort, fast am Rheinufer. Wesentlich zugänglicher als der Wisselbrunnen, weicher, cremiger und opulenter, auch ein kleiner Zuckerschwanz, der aber gut eingebunden ist. Charmant auf wirklich sehr hohem Niveau.
St. Nikolaus GG 2014 Über ein Jahr im neuen 600-Liter-Holzfass ausgebaut. Das Neuholz ist immer noch deutlich zu erkennen, aber mittlerweile recht gut verarbeitet, dicht und etwas wild, sehr interessant. Wer mit dem von-Winning-Stil zurechtkommt, sollte es vielleicht auch mal hiermit probieren.
Nach den trockenen gab es noch drei restsüße Weine:
Oestricher Lenchen Kabinett 2015 Wirkte nach den trockenen Weinen schon sehr süß, die Säure hält dagegen, aber irgendwie harmoniert das Ganze nicht miteinander, komponentig und auch etwas stumpf. Nicht mein Fall.
Oestricher Lenchen Spätlese 2015 Von allem etwas mehr als beim Kabinett, hier passt das Zusammenspiel auch deutlich besser. Typische restsüße Rheingau-Spätlese, schön, aber zündet bei mir auch nicht richtig.
Oestricher Lenchen Spätlese "303" 2015 Aber die zündet jetzt. Eigentlich eine Auslese, aus der Kernparzelle des Lenchen, aus möglichst wenig botrytisiertem Lesegut vinifiziert. Glockenklar, enorm traubig, edelsüß, die klirrende Säure gibt Spannung, viel Spiel, langer Abgang. Erstklassig, und vermutlich sehr langlebig.
Gruß
Ulli
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UlliB am Do 27. Okt 2016, 21:59, insgesamt 1-mal geändert.